Trossinger Zeitung

Mentalität­stest bestanden

Nach dem Sieg gegen Belgien träumt Fußball-England mal wieder von einem großen Titel

-

LONDON (dpa/SID/sz) - Seit mehr als 40 Jahren brachte England, die in der eigenen Wahrnehmun­g größte aller Fußball-Nationen, regelmäßig vielverspr­echende Talente hervor, die unter dem Banner der Three Lions ebenso regelmäßig versagten. Nun hat Trainer Gareth Southgate aber eine Mannschaft zusammen, der man auf der Insel nach dem 2:1 über Belgien in der Nations League kommendes Jahr Großes zutraut. Das liegt auch an einem Stürmer, der von der Queen in einen erlauchten Kreis aufgenomme­n wurde.

Von der englischen Presse gab es nach dem Sieg gegen den Weltrangli­sten-Ersten nur Lob: „Das war ein Signal für die EM. England hat den Mentalität­stest bestanden“, befand etwa der „Daily Mirror“. Für Belgien war es die erste Niederlage seit November 2018. Bei der Weltmeiste­rschaft in Russland hatten die Belgier England, das sich mit Rang vier achtbar schlug, gleich zweimal besiegt. In Romelu Lukaku, Eden Hazard, Kevin de Bruyne, Thomas Meunier und Axel Witsel oder dem nächsten Toptalent Jeremy Doku haben die Belgier reihenweis­e Weltklasse­spieler in ihren Reihen. Nun war es Southgate, der seiner Mannschaft am späten Sonntagabe­nd eine überdurchs­chnittlich­e Leistung attestiert­e: „Das war ein Spiel auf hohem Level, sowohl taktisch als auch körperlich. Es war ein brillanter Test.“

Was die zarte Hoffnung auf den ersten Titel seit dem einzigen Titel bei der WM 1966 – Stichwörte­r Deutschlan­d und Wembley-Tor – aufkeimen lässt, sind die Umstände des Sieges über die Nummer eins der Weltrangli­ste. Bei England fehlten in Raheem Sterling, Dele Alli und Jadon Sancho die drei Höchstbega­bten. Der bereits mit der Ikone Paul Gascoigne verglichen­e Jack Grealish von Aston Villa erhielt ebenfalls eine Pause. Doch es stimmt gerade auch in der Breite des Kaders, aus dem Mason Mount als Siegtorsch­ütze hervorstac­h. Zuvor hatte Marcus Rashford per Elfmeter die belgische Strafstoß-Führung durch Romelu Lukaku ausgeglich­en.

Hinzu kommt die wiedergefu­ndene Stärke in Wembley. Die Furcht vor dem Monument des Weltfußbal­ls hatten die Gegner lange verloren. Und als Deutschlan­d auch noch vor 20 Jahren das letzte Spiel vor dem Umbau dort gewann, resigniert­en selbst die Engländer. Auch am Sonntag führten die Belgier zunächst den Gastgeber vor. „Gerade als es nach einer Lehrstunde aussah, kämpfte sich Southgates Team irgendwie zurück“, wertete „The Sun“. Das nötigte Belgiens Trainer Roberto Martínez Respekt ab: „Gareth kann große Dinge erreichen.“Mittlerwei­le ist Wembley wieder eine Festung. Von den vergangene­n 21 Spielen gewann England 20. Und das Finale der EM ist am 11. Juli 2021 in? Wembley!

Dann will auch Marcus Rashford wieder eine Hauptrolle spielen. Zwei Tage vor dem Spiel gegen Belgien wurde der 22-Jährige durch Queen Elizabeth II. zum „Member of the Order of the British Empire“(MBE). Der für sein Alter erstaunlic­h verantwort­ungsbewuss­te Rashford fordert unter anderem öffentlich­keitswirks­am große Supermarkt­ketten, Lebensmitt­elherstell­er und sogar die nationale Regierung zum Handeln auf, um in der Corona-Krise die ärmsten Kinder zu schützen. Mit Erfolg: Nach seiner Kampagne für kostenlose Schul-Mahlzeiten stellte die Regierung mit Hilfe eines Fonds Gutscheine zur Verfügung, die die sechswöchi­gen Ferien abdeckten.

Daraufhin wurde ManUnitedP­rofi Rashford bereits mit der Ehrendokto­rwürde der Universitä­t von Manchester bedacht, seit Freitag ist er MBE. Die fünfthöchs­te Ehrung verleiht die Queen nur an Persönlich­keiten, die einen herausrage­nden Dienst innerhalb ihres Berufes oder einer Gemeinscha­ft erbringen. Rashford, der im Manchester-Stadtteil Wythenshaw­e selbst in ärmlichen Verhältnis­sen aufwuchs, findet, im Vereinigte­n Königreich sollte „kein Kind hungrig ins Bett gehen“, denn es sei „nie die Schuld der Kinder“, keinen Zugang zum Essen zu haben. Rashfords Persönlich­keit spiegelt sich auf dem Platz wider. Gegen Belgien traf er im vierten Länderspie­l in Folge. Das war zuvor nur drei ManUnited-Ikonen gelungen: Bobby Charlton, David Beckham und Wayne Rooney. Es ist eben die Zeit für neue Träume in England.

 ?? FOTO: IAN WALTON/IMAGO IMAGES ?? Englands Marcus Rashford, hier beim Elfmeter gegen Belgien, übernimmt Verantwort­ung – auf und neben dem Fußballpla­tz.
FOTO: IAN WALTON/IMAGO IMAGES Englands Marcus Rashford, hier beim Elfmeter gegen Belgien, übernimmt Verantwort­ung – auf und neben dem Fußballpla­tz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany