Wohin geht die Reise?
Streit um Beherbergungsverbote vor dem Corona-Gipfel – Ruf nach mehr Einheitlichkeit
BERLIN/RAVENSBURG - Die Kanzlerin ist besorgt. Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen und der unterschiedlichen Maßnahmen der Länder hat Angela Merkel (CDU) die Ministerpräsidenten an diesem Mittwoch nach Berlin geladen. Erstmals seit Mitte Juni kommen sie dazu im Kanzleramt zusammen und tagen nicht in einer Videokonferenz. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) verlangte am Dienstag von der Runde „ein klares Signal gegen die Kleinstaaterei“, insbesondere bei Reisen. De facto wird das Treffen unter dem Eindruck des Streits über die
Beherbergungsverbote mehrerer Länder für Reisende aus innerdeutschen Risikogebieten stehen.
Auch seitens der Opposition im Bundestag gibt es daran Kritik. „Wir brauchen mehr Klarheit“, sagte der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser am Dienstag der „Schwäbischen Zeitung“. „Die unkoordinierten Maßnahmen der Länder tragen zum Unverständnis bei.“Das Problem seien nicht die Familien, die in den Herbstferien Urlaub machen und alle Hygieneregeln befolgen. Das Problem, so Strasser, „ist die Partyszene etwa in Berlin, die sich an gar nichts hält“. Dagegen müsse man polizeilich vorgehen. Das Beherbergungsverbot sei „völlig unverhältnismäßig“.
Der Ulmer Virologe Thomas Mertens ist überzeugt, dass die Politik die Menschen mit den Einschränkungen bei Übernachtungen generell „vom Reisen abhalten“will, um die Virusausbreitung einzudämmen. Der „Schwäbischen Zeitung“sagte er indes auch: „Ich denke, dass eine rein virologische Sicht hier zu eng ist und dass wenige klare bundesweit gültige Regeln, die eingehalten werden, besser und allgemein akzeptabler sind als viele kleine uneinheitliche Regelungen.“
Zuletzt waren wiederholt mehr als 4000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden gezählt worden, am Dienstag 4122. Immer mehr Städte und Regionen überschreiten die
Warnstufe von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Für Bürger aus diesen Gebieten gelten die umstrittenen Beherbergungsverbote – in einigen Ländern.
Die Fronten in dieser Frage sind verhärtet. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bekräftigte am Dienstag, daran festhalten zu wollen. Ihr bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU), der ansonsten für einheitlichere Regeln plädiert, ist auf ihrer Seite. Gegensätzlich äußerte sich der Tourismusbeauftragte des Bundes. Thomas Bareiß (CDU) erklärte: „Ein nochmaliger Lockdown der ganzen Hotelbranche muss verhindert werden.“