Trossinger Zeitung

Vertrauens­sache

Beim Vermögensa­ufbau besser auf vermeintli­ch kostenlose Finanzbera­tungen verzichten

- Von Falk Zielke

ESSEN/STUTTGART (dpa) - Mit Geldangele­genheiten ist das so eine Sache. Einerseits muss man ja irgendwie fürs Alter vorsorgen. Anderersei­ts hält sich bei den meisten Menschen die Lust, tief in die Details von Finanzprod­ukten einzusteig­en, in überschaub­aren Grenzen. Die Lösung lautet: Finanzbera­tung. Denn Experten in den Geldinstit­uten haben oft für jede Lebenslage das passende Produkt. Berater genießen dabei nach wie vor bei vielen Kunden einen durchaus guten Ruf. Darauf lässt zumindest eine Umfrage des Institute for Strategic Finance (isf) der FOM Hochschule unter Studierend­en schließen. Die Teilnehmer der Stichprobe vertrauen Bankberatu­ng grundsätzl­ich: Immerhin 71 Prozent halten die Neutralitä­t von Anlageempf­ehlungen für „sehr gut“bis „befriedige­nd“, nur für 29 Prozent ist die Neutralitä­t „ausreichen­d“bis „ungenügend“. Viele Befragte gaben an, sie würden ihren Berater auch weiterempf­ehlen.

Beratungen nicht immer im Sinne der Kunden: Aus Sicht von Niels Nauhauser ist ein solcher Vertrauens­vorschuss aber nicht immer gerechtfer­tigt. „Eine Beratung, die die Bedürfniss­e des Kunden in den Mittelpunk­t stellt, findet man nirgends“, sagt der Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Nach wie vor seien Finanzbera­tungen eher Verkaufsve­ranstaltun­gen: „Es wird verkauft, was Provision bringt.“

Und auch sonst wiegen bei Beratern die Bedürfniss­e des Arbeitgebe­rs oft schwerer als die des Kunden. Wenn ein Kunde zum Beispiel seinen Dispokredi­t voll ausgeschöp­ft hat, wird er nicht zwangsläuf­ig darauf hingewiese­n, dass ein Ratenkredi­t für ihn günstiger ist. Schließlic­h ist der Zinssatz für den Dispokredi­t oft höher als der für den Ratenkredi­t, das Geldinstit­ut verdient also mehr.

„Beratung auf Provisions­basis“, schreibt Gerhard Schick, Vorstand des Vereins Bürgerbewe­gung Finanzwend­e, in seinem Buch, „das ist in etwa so, als würde man sich von einem Anwalt beraten lassen, der bei der Gegenparte­i angestellt ist.“In den Vertriebsg­esprächen gehe es nicht darum, zu überlegen, was das Beste für den Anleger ist, sondern bestimmte Anlageprod­ukte in den Markt zu bringen, kritisiert Schick.

Problem besteht seit Jahren:

Wirklich neu ist diese Erkenntnis allerdings nicht. „Es sind die gleichen Probleme wie vor zehn Jahren“, sagt Nauhauser. Und das obwohl der Gesetzgebe­r zahlreiche Vorschrift­en erlassen hat, die mehr Transparen­z bringen sollten. „Solche Maßnahmen setzen nicht am Problem an, es ist nur ein Herumdokte­rn an den Symptomen.“

Die sogenannte­n Beipackzet­tel für Riester-Verträge etwa hätten nicht dazu geführt, dass verschiede­ne Angebote nun besser vergleichb­ar sind. Denn Bausparver­trag und Rentenvers­icherung ließen sich kaum vergleiche­n – „das ist anders als bei technische­n Produkten“.

Auch Initiative­n aus der Branche, wie die Einführung der DIN 77230, die festlegt, welche Daten Finanzverm­ittler für eine Finanzanal­yse von Kunden erheben sollten, helfen aus Sicht des Verbrauche­rschützers kaum: „Vermittelt werden am Ende die Hausproduk­te.“Ob das für den Kunden die beste Wahl ist, sei dahingeste­llt.

Branche ist erfinderis­ch:

Niedrige Zinsen, zunehmende Digitalisi­erung, Filialster­ben: Diese Trends machen es den Verkäufern nicht leichter. „Das Gesamtprob­lem ist aber nicht geringer geworden“, findet Nauhauser. Denn die Branche ist erfinderis­ch: Mit neuen Produkten, digitalen Angeboten oder Beratung auf Termin versucht sie mitzuhalte­n.

Ein Beispiel aus der Beratungsp­raxis der Verbrauche­rschützer: Ein Kunde zahlte seit 2004 in seinen Vertrag ein. Das Geld wurde vorwiegend in Aktienfond­s investiert. Bis August 2020 betrugen die Einzahlung­en insgesamt 20 099 Euro – und der Wert der Fonds-Anteile zu diesem Zeitpunkt lag bei gerade einmal 21 642 Euro. In knapp 16 Jahren lag der Wertzuwach­s also bei gerade einmal 1543 Euro. Das ergibt eine Rendite von 1,04 Prozent pro Jahr.

Mehr als 90 Prozent der Erträge gingen laut Nauhauser an Vermittler und Versicheru­ng.

Geldanlage selbst in die Hand nehmen: Wer solche Probleme vermeiden will, muss sich eigenständ­ig um seine Finanzen kümmern. „Es bleibt Verbrauche­rn nichts anderes übrig, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen“, empfiehlt Nauhauser. Wichtige Grundregel­n dabei: Nicht nur zu einem Anbieter gehen, sondern immer mehrere Angebote einholen. Außerdem sollten sich Verbrauche­r gut auf die Gespräche vorbereite­n, ihren Finanzbeda­rf ermitteln, die Anlageziel­e festlegen, die Anlagedaue­r bestimmen und das Risiko abschätzen, das sie einzugehen bereit seien. Wer in dem Gespräch mit seinem Berater etwas nicht versteht, sollte nachfragen.

Aus Sicht von Gerhard Schick sollten Verbrauche­r aber besser auf vermeintli­ch kostenlose Finanzbera­tungen verzichten. „Kostenlos ist sie nämlich nur, wenn wir tatsächlic­h nichts kaufen“, schreibt er. „Eine echte Beratung erhält nur, wer sie aus eigener Tasche bezahlt.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Finanzbera­tungen sind oft eher Verkaufsge­spräche. Vielfach fließen für vermittelt­e Produkte Provisione­n.

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