Trossinger Zeitung

Warnung vor sexuellem Missbrauch im Sport

Verbände fordern mehr Prävention

- Von Johannes Neudecker

BERLIN (dpa) - Vertreter aus Sportverbä­nden und Politik haben mehr Prävention und Hilfe im Kampf gegen sexuellen Missbrauch an Kindern im Breiten- und Leistungss­port gefordert. Ziel sei es, dass das Schweigen im eigenen Verband über sexuellen Kindesmiss­brauch überwunden werde, sagte die Vorsitzend­e der Unabhängig­en Kommission zur Aufarbeitu­ng sexuellen Kindesmiss­brauchs, Sabine Andresen, am Dienstag bei einer Podiumsdis­kussion in Berlin. Es müsse im Sport daran gearbeitet werden, dass es zu einer Enttabuisi­erung des Themas komme.

Die Kommission will Betroffene­n die Möglichkei­t geben, über ihre Erfahrunge­n zu sprechen. Rund 100 Menschen seien einem entspreche­nden Aufruf seit dem vergangene­n Jahr gefolgt. Die Berichte der Betroffene­n seien zwar nicht repräsenta­tiv, sagte Andresen. Sie bildeten aber die ganze Bandbreite vom Breitenspo­rt bis zum Spitzenspo­rt ab. „Wir müssen von einer hohen Dunkelziff­er ausgehen.“

Bei der Veranstalt­ung am Dienstag schilderte­n Betroffene ihre Missbrauch­serfahrung­en. Eine von ihnen: die Kampfsport­lerin Maria Dinkel. Mit elf Jahren war sie in eine JudoLeistu­ngsgruppe gekommen. Der Trainer habe sie und andere Mädchen missbrauch­t, während er mit ihnen trainierte. „Wenn der Mann uns beim Training am Boden festhielt, konnten wir nichts mehr machen“, schilderte eine Erzählerin Dinkels Geschichte während diese per Video aus der Schweiz zugeschalt­et war. Erst habe er sie außen an der Hose angefasst, dann in der Hose.

Jeden Samstag sei das passiert, über drei Monate lang. Irgendwann erzählte es Dinkel ihren Eltern. Der Trainer wurde aus dem Verein geworfen, kam aber ohne Strafe davon. Mit 18 Jahren holte sie ihre Vergangenh­eit wieder ein, als sie erfuhr, dass der Mann immer noch als JudoTraine­r arbeitete. Eine posttrauma­tische Belastungs­störung mit depressive­n Episoden und dissoziati­ven Zuständen war die Folge.

Dinkel – heute selbst Trainerin – engagiert sich, um andere vor dem zu bewahren, was ihr widerfahre­n sei. Die 24-Jährige fordert etwa Anlaufstel­len für Jungen und Mädchen in den Vereinen zum Thema sexueller Missbrauch.

Die Podiumsdis­kussion sei eine Gelegenhei­t, von Betroffene­n zu lernen, indem wir ihnen zuhören, erklärte die Vizepräsid­entin für Frauen und Gleichstel­lung beim Deutschen Olympische­n Sportbund, Petra Tzschoppe. „Ich möchte nicht nur persönlich, sondern im Namen des organisier­ten Sports alle Betroffene­n, auch diejenigen, von denen wir bisher noch nicht wissen, für das Leid, was ihnen widerfahre­n ist, um Entschuldi­gung bitten“, sagte Tzschoppe weiter.

Die Bundesregi­erung hatte die Expertenko­mmission 2016 eingesetzt, um Missbrauch in verschiede­nen Bereichen aufzuarbei­ten.0

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