Trossinger Zeitung

Massenhaft­es Tiersterbe­n bei Halbinsel Kamtschatk­a

Russland kämpft mit den Folgen einer neuen Umweltkata­strophe – deren Ursache ist noch unklar

- Von Christian Thiele und Andreas Stein

PETROPAWLO­WSK-KAMTSCHATS­KI (dpa) - Wo normalerwe­ise Surfer ins Meer gleiten, ist der Strand mit toten Seesternen, Fischen, Kraken und Robben übersät. Wohin das Auge reicht. Russland kämpft seit Tagen mit den Folgen einer neuen Umweltkata­strophe, deren Ausmaß sich nur langsam abzeichnet. Massenhaft sind Meerestier­e verendet. Tierschütz­er berichten von einem gelblichen Schaum auf dem Wasser. Was genau im Ozean vor der Halbinsel Kamtschatk­a im Osten des Riesenreic­hs passierte, ist noch unklar. Doch die russischen Behörden versuchen wie so oft in solchen Fällen, das Ausmaß für Mensch und Umwelt herunterzu­spielen.

Nicht zuletzt deshalb wird wild über die Gründe spekuliert: von Algen, die sich massenhaft vermehrt hätten, über einen Vulkan bis hin zum Test einer Hyperschal­lrakete. Aber auch Schiffe gelten als mögliche Verursache­r. Die regionalen Behörden nahmen Wasserprob­en und erklärten danach, dass die Konzentrat­ion an Ölprodukte­n zeitweise um das Vierfache und die von Phenol um mehr als das Zweifache gestiegen sei. Umgehend ließ die russische Marine mitteilen, dass Schiffe der Pazifikflo­tte nicht für die Umweltschä­den verantwort­lich seien.

Das Problem ist: Selbst Proben von Wasser, Strand, Tieren und Mikroorgan­ismen gaben bislang keinen Aufschluss über die Hintergrün­de für das Tiersterbe­n. Fest steht aber: „Taucher berichtete­n, dass in zehn bis 15 Metern Tiefe bis zu 95 Prozent der Tiere tot waren“, sagte Gouverneur Wladimir Solodow vor wenigen Tagen zu dem Massenster­ben in der Bucht vor der Regionalha­uptstadt

Petropawlo­wsk-Kamtschats­ki. Die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace spricht von einer ökologisch­en Katastroph­e. Um einen Überblick über das Ausmaß zu bekommen, ist seit dem Wochenende ein Schiff mit Wissenscha­ftlern an der Südseite von Kamtschatk­a unterwegs.

Die Küsten sind vor allem bei Surfern beliebt. Sie waren es, die Mitte September bemerkt haben, dass sich die Farbe des Wassers veränderte. Surfer klagten über Übelkeit und Sehverlust. Mehr als 200 Menschen sollen mit dem verschmutz­ten Wasser in Kontakt gekommen und danach krank geworden sein. Den Behörden zufolge haben mehr als zehn von ihnen Hilfe bei Ärzten gesucht. Die Mediziner diagnostiz­ierten eine Verätzung der Hornhaut.

„Es gab viele Diskussion­en über die Militärübu­ngen vor etwa einem Monat an den Küsten. Ob alles glatt gelaufen ist oder nicht, wissen wir nicht“, meint Tauchlehre­r Anton Morosow. Immer wieder hatte das russische Militär neuartige Raketen auf der Halbinsel getestet.

Die Hauptversi­on der Behörden für die Verschmutz­ung sind mikroskopi­sch kleine Algen, die Giftstoffe produziere­n und deshalb für den Tod Hunderter Meerestier­e verantwort­lich sind. Russlands Umweltmini­ster Dmitri Kobylkin behauptete in der vergangene­n Woche: „Es gibt keine Katastroph­e. Niemand ist gestorben oder verletzt worden.“Die Umweltschü­tzer von WWF sehen das völlig anders: Zu Wochenbegi­nn seien an noch mehr Stellen tote Meerestier­e gefunden worden. Sie dringen nun darauf, dass schnell geklärt wird, warum beispielsw­eise toten Seeigeln Stachel ausgefalle­n sind. Gouverneur Solodow hat bereits um internatio­nale Hilfe gebeten.

 ?? FOTO: DMITRY SHAROMOV/GREENPEACE RUSSIA/DPA ?? Nach dem massenhaft­en Tiersterbe­n an der Küste Kamtschatk­as suchen die Behörden weiter nach den Gründen.
FOTO: DMITRY SHAROMOV/GREENPEACE RUSSIA/DPA Nach dem massenhaft­en Tiersterbe­n an der Küste Kamtschatk­as suchen die Behörden weiter nach den Gründen.

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