Stadt will mehr Dachflächen mit Photovoltaik
Gesamtpaket der geplanten Investitionen liegt bei rund einer Million Euro
TUTTLINGEN - Photovoltaik: Ja, aber nicht um jeden Preis. Das Thema Solarenergie hat den Technischen Ausschuss (TA) des Gemeinderats gleich zweimal beschäftigt. Oberbürgermeister Michael Beck übte dabei scharfe Kritik an der Praxis, auf landwirtschaftlichen Flächen große PV-Anlagen bauen zu dürfen – das sei „absurd“, ja: „völlig gaga“.
Anlass war der geplante Bau eines fast 15 Hektar großen PhotovoltaikAreals im benachbarten EmmingenLiptingen, wo ein privater Investor als Pächter landwirtschaftliche Fläche mit Solarzellen bestücken will. Zwar berührt das Projekt die Stadt nicht direkt; sie ist aber als Nachbar und Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft damit konfrontiert.
Doch wäre ein solches Vorhaben auch in Tuttlingen möglich?, war für Beck anschließend die Frage, die er von seiner Verwaltung rechtlich klären ließ. Antwort: grundsätzlich ja. Denn die Gesetzeslage lässt große PV-Flächen grundsätzlich zu. Zum einen, weil die Stadt Tuttlingen (wie der gesamte Landkreis) in einer Landes-Karte als strukturell „benachteiligtes Gebiet“ausgewiesen ist, wo PV auch der wirtschaftlichen Förderung dienen soll.
Zum anderen, weil es auch auf städtischer Gemarkung landwirtschaftliche Flächen gibt, die umgewandelt werden können, weil sie als ertragsschwach gelten oder in klimatisch schwierigen Höhenlagen liegen. Das betrifft unterm Strich Gebiete am Rußberg, bei Eßlingen, bei Nendingen, insgesamt in den Höhen rund um die Stadt – selbst in Landschaftsschutzoder gar Naturschutzgebieten,
was OB Beck als besonders problematisch empfindet. Waldflächen oder Fluss-Auen sind zum Beispiel wiederum tabu. An diesem gesetzlichen Zuschnitt übte das Stadtoberhaupt harte Kritik: Dass es gleichzeitig erlaubt sei, landwirtschaftliche Flächen zu bewirtschaften oder dort zuschussgeförderte PV-Kraftwerke zu bauen, ist für ihn ein Widerspruch.
Der TA tut sich mit dieser Politik ebenfalls schwer. Eva Zepf (SPD) wies darauf hin, dass in aufgeständerten Anlagen (wie bei Emmingen geplant) wenigstens noch „Biotope“ unterhalb der Zellen-Reihen möglich seien. Dass aber Grünland oder Äcker nun einer anderen als landwirtschaftlichen Nutzung zum Opfer fallen können, stößt vielen auf; Ulrike Martin (LBU) brachte es auf den Punkt: Da sei man in einem Zwiespalt, weil man ja auch die regenerativen Energien vorantreiben wolle. Sie forderte, als Alternative bereits vorbelastete Bereiche wie an Autobahnen mit PV-Elementen zu bestücken, ehe man Bauernland heranziehe. Auch Eva Zepf regte die Überdachung von Parkflächen an. Auch OB Beck sieht in Gebäudedächern Potenziale: Supermärkte etwa oder Fabriken.
Da will die Stadt selbst vorangehen. Das Rathaus hat, als Teil seiner Klimaschutzkonzepte, zahlreiche kommunale Gebäude auf die mögliche Installation von PV-Anlagen auf den Dächern überprüfen lassen – vor allem aber auch unter der Prämisse der Wirtschaftlichkeit. Resultat: Von 63 in ihrem Besitz befindlichen Gebäuden haben 14 lohnendes Potenzial. Das betrifft die Stadt- wie die Angerhalle, Schulen oder Sporthallen und auch den Rathaus-Neubau. Allerdings müssen auch diese 14 Objekte noch einmal besonders auf ihre jeweilige Statik untersucht werden – sind die Dächer tragfähig für das Draufsetzen der PV-Elemente?
Im Ausschuss regte die CDU-Fraktion an, beim Vorschlag, die Planung weiter voranzutreiben, das Grundsatz-„Ja“mit der Ergänzung zu versehen: „… sobald eine Rendite zu erwarten ist“, um die Wirtschaftlichkeit zu sichern. Dem folgte das Gremium bei zwei Enthaltungen aus Reihen der FW. Damit liegt die Kostenprognose im Gesamtpaket aller 14 Gebäude bei einer Investition von geschätzten 1,08 Millionen Euro. Daraus ergeben sich Einnahmen durch Einspeisungen von knapp 50 000 Euro und Einsparungen durch diese Eigenversorgung pro Jahr von 60 000 Euro. Ökologisch kommt dazu eine Einsparung von 370 Tonnen CO2 im Jahr.