Geschäftsführer als Marionetten?
Angeklagter verteidigt sich selbst im Hess-Prozess und findet alles ganz transparent
VILLINGEN-SCHWENNINGEN/ MANNHEIM (sbo) - Flankiert von zwei Verteidigern, war Peter Ziegler am zweiten Tag im großen Hess-Prozess in Mannheim selbst sein stärkster Verteidiger. Und auch dem „Mitangeklagten“Christoph Hess stärkte er damit den Rücken.
Was Peter Ziegler und seine Verteidiger zu Beginn von Zieglers Einlassungen im großen Prozess um den im Raum stehenden Vorwurf der Bilanzmanipulation zu sagen hatten, wog schwer: Die Staatsanwaltschaft habe sich bei ihrer Anklage nicht nur auf einen bis zuletzt nicht unterschriebenen und damit durchaus noch fragwürdigen Sonderbericht der Wirtschaftsprüfer von der Kanzlei Ebner und Stolz gestützt, sondern im Grunde auch noch in Frage gestellt, dass für so komplexe Produkte wie Leuchten Entwicklungskosten anfallen. Damit, so Zieglers Rechtsanwalt Fischer, drifte die Anklage selbst „ins Reich der Fiktion ab“.
Zuvor hatte Peter Ziegler, neben Christoph Hess bis zum Aufbranden des großen Bilanzskandals Anfang 2013 CEO bei der Hess-AG, eindrucksvoll dargestellt, wie umfangreich die Entwicklung neuer Leuchten und Produktfamilien bei Hess vonstatten gegangen sei. "Jedes neue Produkt ist in hunderten Stunden durch unseren Betrieb marschiert", schilderte Ziegler in seinem Schnellkurs in Sachen Leuchtenentwicklung, unterlegt mit einer Präsentation am Computer. Dazu habe auch gehört, dass Werkzeuge „teilweise doppelt und dreifach“hergestellt worden seien, „weil sie einfach nicht durchdacht waren.“„Das ist Entwicklung! Entwicklung ist auch Fehler machen“, betonte der Angeklagte am Mittwoch auf der Anklagebank vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer in Mannheim.
Den Vorwurf der Verschleierung oder gar des Verbuchens von fiktiven Kosten aber wies er klar von sich: „Jede einzelne Entwicklung war vorhanden!“Sein Anwalt Fischer betonte, die Buchhaltung der Hess AG sei zudem in Ordnung gewesen, sogar transparent und absolut nachvollziehbar. Wenn die Wirtschaftsprüfer in ihrem Sonderbericht die Entwicklung „kleingeredet haben stimmt das einfach nicht!“Dass Ziegler selbst all dies bereits im Zuge der Ermittlungen aufgeklärt und damit eine Anklage in dieser Art verhindert hätte, „war gar nicht gewollt“– und das, obwohl er bereits 2013 im Juli bekräftigt habe, alles erläutern zu wollen.
Ob Zieglers Einlassungen zu einem früheren Zeitpunkt so etwas tatsächlich vermocht hätten, blieb ungeklärt – und auch die Position der Staatsanwaltschaft zu den vorgeworfenen Nachlässigkeiten in der Aufarbeitung der Zusammenhänge.
Klar aber war die Strategie der Verteidigung von Peter Ziegler, der sich Christoph Hess vollumfänglich anschließt: So zerpflückte Fischer einerseits in Teilen den Sonderbericht der Wirtschaftsprüfer und stellte andererseits dar, dass die von der Anklage teilweise als Kreisgeschäfte deklarierten Zahlungsflüsse einerseits nicht unüblich, andererseits nachvollziehbar und begründet seien.
Ziegler hatte aus der Position eines Angeklagten heraus einen starken Auftritt und untermauerte seine
Präsentation mit Daten – keine Spur von Vergesslichkeit nach rund zehn Jahren, die seit manch relevantem Vorgang verstrichen sind.
Im Fokus seiner Schilderungen standen auch Wirtschaftsprüfer und ein Anwalt, die das Führungsduo im Vorfeld des im Oktober 2012 erfolgten Börsengangs beraten hätten – etwa bei der notwendigen Umstellung der Rechnungslegung auf das internationale IFRS. Zu jeder Zeit sei damals die Situation des Unternehmens transparent und nachvollziehbar dargestellt worden, auch die durchaus hohe Verschuldung, die stets ein Thema bei Hess gewesen sei. „Die Risiken waren erkennbar“, folgerte Ziegler, aber eben auch die riesige Chance, die sich beim Technologiewandel der Hess-Produkte für den aufstrebenden LED-Markt geboten hätte. Unter diesen Bedingungen letztlich seien Investoren, auch der spätere Großaktionär HPE, eingestiegen.
In einer Aufsichtsratssitzung sei seitens HPE im übrigen explizit vorgegeben worden, dass das Unternehmen sich „bilanztechnisch“verbessern müsste – der HPE-Vorstand habe die Hess-Chefs ausdrücklich dazu angehalten, die Aktivierung der Entwicklungskosten in maximalem Umfang vorzubereiten. Dazu habe ein Konsens geherrscht – natürlich auf legalem und keineswegs auf illegalem Wege. Die Wirtschaftsprüfer hätten mit Blick auf den Börsengang bestimmt, „was zu tun ist“. Hess und Ziegler als Geschäftsführer-Marionetten in fachkundigen Händen?
Das operative Geschäft zumindest, räumte Ziegler ein, habe in der Hektik des Börsengangs, zumindest was die Einbindung der CEOs anbelangt, gelitten. „Wir sind im Grunde nur von einem Kollegen zum anderen gehetzt.“
Im Bemühen, die Vorwürfe von sich zu weisen, wollte es Ziegler aber nicht dabei belassen, auf Nachlässigkeiten und Versehen anderer und in seinen Augen fragwürdige Ermittlungen und Schlussfolgerungen zu verweisen. Für ihn steht offenbar fest, dass dem Führungsduo, das im Januar 2013 so plötzlich gefeuert worden ist, übel mitgespielt worden sein müsse.
Das Klima könnte intern schon in Teilen vergiftet gewesen sein, denn böses Blut, das wurde aus Zieglers Einlassungen deutlich, habe es seit 2010 zumindest in Villingen gegeben – damals sei die Marschrichtung klar gewesen: Die Produktion aller Serienprodukte sollte nach Löbau verlagert werden, wo bessere Bedingungen geherrscht hätten.
In Villingen wollte man sich nur noch auf die Fertigung von Stadtmobiliar und Sonderlösungen konzentrieren. Dort sei diese Verlagerung „natürlich nicht gerne gesehen“worden. Es habe viele "böse Gespräche" gegeben „bis hin zur Sabotage“sei alles vorgekommen. Während in Villingen „jeder mit jedem geklüngelt“habe, habe in Löbau dank einer Führungsperson eine Verlässlichkeit geherrscht, die es in Villingen „so nicht gab“.
Viel Licht ins Dickicht der zwischenmenschlichen, aber auch geschäftlichen Zusammenhänge soll nun der Prozess in Mannheim bringen.