Ohne Fichte geht kaum was
Der Wald leidet unter dem Klimawandel - Junge Bäume könnten die Wende bringen
TROSSINGEN - Wenn Revierförster Klaus Butschle durch den Trossinger Wald läuft, dann sieht er immer häufiger Stressanzeichen bei den Bäumen. Heiße Sommer und trockene, aber nicht durchgängig kalte Winter belasten die Natur auch hier, wo sie oft noch sehr ursprünglich wirkt. Als Förster muss er den Balanceakt zwischen der wirtschaftlichen Nutzung des Waldes und dessen Wert als Erholungsbereich für die Menschen schaffen. Und dann sind da noch die Sorgen wegen des Klimawandels und der damit verbundenen Frage, wie der Wald zukunftsfähig umgestaltet werden kann.
Als Förster, aber auch als Ehrenvorsitzender des Schwäbischen Albvereins in Trossingen, ist Klaus Butschle ganz nah dran am Geschehen und ist froh, dass der Wald auf der Baar noch deutlich besser dasteht als in so manch anderer Region in Deutschland. „Ich habe vor kurzem eine Reportage aus dem Sauerland gesehen, wo der Wald über hunderte Hektar komplett dürr war. Von solchen Szenarien sind wir zum Glück sehr weit entfernt“, so Butschle. Unsere Gegend profitiert davon, dass die tonhaltigen Böden recht gut das Wasser halten können, es im Frühjahr genügend Niederschläge gab und durch die Höhe die Temperaturen auch in heißen Sommern meist nicht auf solche Rekordhöhen klettern wie in tieferen Regionen.
Es ist nicht nur der Klimawandel, der den Wäldern zusetzt, sondern auch der oft zitierte Borkenkäfer. „Der Horror für uns Förster ist ein leichter Sturm im Frühjahr, der auf jedem Hektar zwei, drei Bäume umwirft. Dort können sich die Borkenkäfer vermehren und wenn man das nicht gut aufarbeiten kann, läuft das schnell aus dem Ruder“, so Butschle. Und weil in der Natur fast alles ein Kreislauf ist, macht sich der Klimawandel auch bei der Borkenkäferproblematik bemerkbar. „Haben wir hohe Temperaturen, dann entwickeln sich die Käferpopulationen viel schneller, was bedeutet, dass es auch viel mehr Käfer gibt.“
Trotz der Herausforderungen, denen sich Förster und Waldbesitzer in Zukunft stellen müssen, ist Klaus Butschle hoffnungsvoll. „Die Natur kann sich anpassen, darauf setzen wir.“Seine Hoffnung begründet sich auf Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte. „Junge Bäume scheinen sich in einem gewissen Grad anpassen zu können. Denn die Rotbuche zum Beispiel, die gedeiht in Spanien, wo es viel heißer und trockener ist als bei uns. Alte Rotbuchen stecken trockene, heiße Phasen bei uns aber nicht gut weg. Wir vermuten, dass sich junge Bäume auf die örtlichen Gegebenheiten einstellen und dass dies auch jungen Bäumen bei uns gelingen wird.“Wie anpassungsfähig Bäume sind, das zeige auch das Beispiel der Fichten am Albtrauf. „Dort überleben sie auf Geröllhalden und gehen bei uns, wo sie viel bessere Bedingungen haben, ein.“Die Erklärung auch hier: Die Fichten in den extrem kargen Regionen sind diese Bedingungen von Anfang an gewohnt, und haben sich darauf eingestellt. Alte Bäume hingegen schaffen diese Anpassungsleistung nicht mehr.
Wenn neue Flächen bepflanzt werden, dann „bringen wir drei bis fünf Arten aus, so dass wir sicher zwei haben, die auch länger als die ersten 100 Jahre überstehen“, sagt der Trossinger Revierförster und zeigt, was seinen Berufsstand ausmacht: Die Umgestaltungen, die er und seine Kollegen jetzt umsetzen, machen sich erst für die übernächste Generation bezahlt. Glückt oder misslingt ein Versuch, zeigt sich das
ANZEIGE meist erst deutlich nach der Lebenszeit des jeweiligen Försters.
Langfristiges Denken ist der Waldbranche zu eigen. Kein Wunder, stammt die Idee der Nachhaltigkeit eben aus der Forstwirschaft. Hans Carl von Carlowitz hat 1713 in seinem Buch „Sylvicultura oeconomica“, das sich mit der Forstwirtschaft beschäftigte, den Begriff der Nachhaltigkeit geprägt. Er kritisierte den Raubbau an der Natur und forderte, respektvoll und pfleglich mit ihr umzugehen. Dieser Gedanke leitet auch Klaus Butschle und seine Kollegen. „Wir müssen versuchen, die Fichte so lange wie möglich in unseren Wäldern zu halten“, sagt er. Denn das Holz des schnell wachsenden Baumes sei für die Bauwirtschaft unverzichtbar. „Es kann nicht sein, dass wir den Wald nur noch zum Spazierengehen haben und das Nadelstammholz aus Sibirien importieren müssen.“Exotische Baumarten wären nämlich vielleicht besser gegen die trockenen und heißen Phasen gewappnet, lieferten aber Holz, das nicht für die Herstellung von Balken geeignet ist. „Und gerade nach Bauholz giert die Industrie“, so Butschle weiter.
Auch aus ökologischer Sicht sei das Bauen mit Holz wichtig. „Bäume speichern CO2. In jedem Holzgebälk, in jedem Haus, das in Holzständerbauweise errichtet wurde, wird also CO2 gespeichert.“Die heutige Generation von Waldbesitzern und Förstern trage die Verantwortung, dass dieser wichtige Rohstoff auch den nächsten Generationen zur Verfügung steht, so Butschle.
Doch alle wirtschaftlichen Überlegungen ändern nichts daran, dass der Wald auch als Erholungsgebiet wichtig ist, und da treffen zwei unterschiedliche Ansprüche aufeinander: „Ein gesunder Wald braucht auch Totholz, um Kleinstlebewesen und Insekten einen Lebensraum zu bieten. Lässt man aber tote Bäume in Nähe der Spazierwege liegen, stören sich viele Menschen daran“, so Butschles Erfahrung. „Da muss man die gesunde Mitte finden. Totholz lassen wir weiter drin im Wald, abseits der Wege liegen. Außerdem ist jeder Baumstumpf, der noch in der Erde steckt, genauso wertvolles Totholz, und davon gibt es jede Menge.“
Sorge, dass der Trossinger Wald akut in Gefahr ist, hat Klaus Butschle nicht. „Ich habe die Hoffnung, dass wir weiterhin genügend Niederschläge erhalten und dass die Natur es schafft, sich an die neuen Bedingungen anzupassen“, betont er. Ganz wichtig wäre auch, dass es gelingt, den CO2-Gehalt der Atmosphäre deutlich zu verringern und die Klimaschutz-Ziele zu erreichen. Optimismus gehört zu seinem Job, in dem man über Generationen planen muss, wohl eben auch dazu.
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