Staatsanwalt nimmt Ermittlungen wieder auf
Anzeichen auf weitere Beteiligung an tödlichem Rennen am Steig verdichten sich
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Nach dem Urteil im Prozess gegen den Todesfahrer von der Schwenninger Steig (wir berichteten) hat die Staatsanwaltschaft wieder Ermittlungen aufgenommen. Denn nun wird zwei jungen Männern vorgeworfen, an einem Rennen beteiligt gewesen zu sein – sie saßen am Mittwoch sogar im Zeugenstand.
Das Urteil ist gesprochen – dennoch bleibt nach dem Prozess gegen einen BMW-Fahrer, der einen Unfall mit drei Toten und vier Schwerverletzten verursacht hat, eine Frage offen: War ein weiteres Fahrzeug an dem illegalen Rennen beteiligt? Während diese Frage beim Auftakt des Prozesses zunächst eine untergeordnete Rolle spielte, weil die Staatsanwaltschaft ohnehin aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit auf die Verurteilung nach dem Raserparagrafen plädierte, geriet sie am Mittwoch wieder in den Fokus. Dafür sorgte ausgerechnet einer der Freunde des nun verurteilten Rasers.
Denn dieser wandte sich nach Berichterstattungen über den Verkehrsunfall per Facebook-Chat an einen unserer Reporter, beklagte sich darüber, welch schlechtes Licht auf den BMW-Fahrer geworfen wurde. Doch damit nicht genug. Der junge Mann bot der Redaktion des Schwarzwälder Boten „noch ein paar Informationen“für die Story an, er wolle „gerne mal persönlich über den Vorfall reden“. Dann folgte einer der entscheidenden Sätze, die dem jungen Mann zum Verhängnis werden könnten: „Ich war dabei, waren Sie es auch?“
Der Chat-Verlauf ist mittlerweile Beweismittel, wurde am Mittwoch
ANZEIGE erstmals in den Prozess eingeführt. Er unterstreicht Informationen der Staatsanwaltschaft, die vermutet, dass der BMW-Fahrer sich mit einem weiteren Fahrzeug ein Rennen lieferte, in dessen Verlauf es zu dem tödlichen Verkehrsunfall kam.
Befeuert wurde die These von einer jungen Frau, die dem Reporter weitere Informationen zu einem möglichen Rennen lieferte. Denn sie habe erfahren, dass ein zweites Fahrzeug von eben jenem jungen Mann gefahren worden sein soll, der gegenüber dem Schwarzwälder Boten behauptete, vor Ort gewesen zu sein. In einer Sprachnachricht an den Reporter, die vor Gericht mit ihrem Einverständnis abgespielt wurde, äußerte sie sich hierzu konkret.
Demnach habe der nun Beschuldigte nach dem Unfall im Bereich der Bushaltestelle auf der Steig geparkt, sei dann zu Fuß die Straße runtergelaufen – und habe beim Anblick der völlig zerstörten Fahrzeuge unverzüglich das Weite gesucht.
Dass ihre Informationen, die sie ebenfalls vor Gericht vortrug, möglicherweise mehr sind als ein bloßes Gerücht, ist auch aus zweierlei Gründen denkbar: Eine Gutachterin, die noch in der Nacht an die Unfallstelle gerufen wurde, hatte vor Ort ebenfalls Informationen erhalten, dass möglicherweise ein Rennen stattgefunden und oberhalb der Unfallstelle das betreffende zweite Fahrzeug gehalten haben soll. Und: Sowohl der nun Beschuldigte als auch ein von der jungen Frau benannter mutmaßlicher Beifahrer hatten den Abend tatsächlich mit dem BMW-Fahrer verbracht. Genau aus jenem Grund waren sie am Mittwoch vor Gericht als Zeugen geladen. Dass die Kumpels nun zu Beschuldigten wurden, wussten sie im Vorfeld nicht.
So wurden dem mutmaßlichen Fahrer, einem 25-Jährigen aus VS, deshalb im Zeugenstand die neuesten Entwicklungen mitgeteilt – er müsse sich zu den Vorgängen nicht äußern, weil er sich damit selbst belasten könnte. Dieser gab jedoch zu Protokoll, dass die Clique sich nach dem Grillen getrennt hätte. Während der BMW-Fahrer sich verabschiedet habe, seien er und der mutmaßliche Beifahrer in Brigachtal geblieben, um dort den Abend ausklingen zu lassen.
Eine plausible Erklärung, warum er in dem Chat mit dem Reporter angab, vor Ort gewesen zu sein, konnte er nicht liefern. Denn beim Unfall will der 25-Jährige nun plötzlich nicht mehr gewesen sein, mit seinem „ich war dabei“hätte er vielmehr ausdrücken wollen, „dass ich mehr Ahnung habe“. Auch sein ebenfalls 25 Jahre alter Kumpel bestätigte die Version, wonach sie nicht an dem
Rennen beteiligt gewesen seien, sondern den restlichen Abend zuhause verbracht hätten.
Für die Nebenkläger klang das wenig plausibel. Birgitta Schäfer, die mit ihrem Kollegen Jürgen Rudolf die Opfer vertrat, forderte auch nach den neuesten Entwicklungen eine Verlegung an das Landgericht, um das Strafmaß nach oben setzen zu können. „Ich glaube den Zeugen kein Wort, es ist offensichtlich, dass sie sich abgesprochen haben“, machte Schäfer deutlich. Das Chatprotokoll sowie die Aussage der jungen Frau seien ausreichend, um von einem weiteren Fahrer auszugehen.
Die Staatsanwaltschaft nahm die Aussagen nun auch zum Anlass, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. „Grund ist der Anfangsverdacht wegen Beteiligung an einem Fahrzeugrennen“, verkündete am Mittwoch Staatsanwalt Olaf Meier. Im Raum stehen darüber hinaus für den mutmaßlichen Fahrer und seinen möglichen Beifahrer unterlassene Hilfeleistung oder sogar Tötung durch Unterlassen.
Der BMW-Fahrer sowie sein Verteidiger widersprachen vehement der Darstellung, ein zweites Fahrzeug sei an dem Rennen beteiligt gewesen. Die Information zu einem weiteren beteiligten Fahrzeug sei, so Anwalt Dominik Hammerstein, nicht anders zu bewerten als ein Gerücht.
Sein Mandant gab zwar zu Protokoll, er habe tatsächlich ein Fahrzeug auf der Schwenninger Steig überholt, dabei habe es sich aber nicht um den Wagen einer seiner Freunde gehandelt. Warum dieses bis heute unbekannte Auto trotz des offensichtlich schweren Verkehrsunfalls nicht anhielt, blieb hingegen offen.