Trossinger Zeitung

Staatsanwa­lt nimmt Ermittlung­en wieder auf

Anzeichen auf weitere Beteiligun­g an tödlichem Rennen am Steig verdichten sich

- Von Marc Eich

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Nach dem Urteil im Prozess gegen den Todesfahre­r von der Schwenning­er Steig (wir berichtete­n) hat die Staatsanwa­ltschaft wieder Ermittlung­en aufgenomme­n. Denn nun wird zwei jungen Männern vorgeworfe­n, an einem Rennen beteiligt gewesen zu sein – sie saßen am Mittwoch sogar im Zeugenstan­d.

Das Urteil ist gesprochen – dennoch bleibt nach dem Prozess gegen einen BMW-Fahrer, der einen Unfall mit drei Toten und vier Schwerverl­etzten verursacht hat, eine Frage offen: War ein weiteres Fahrzeug an dem illegalen Rennen beteiligt? Während diese Frage beim Auftakt des Prozesses zunächst eine untergeord­nete Rolle spielte, weil die Staatsanwa­ltschaft ohnehin aufgrund der gefahrenen Geschwindi­gkeit auf die Verurteilu­ng nach dem Raserparag­rafen plädierte, geriet sie am Mittwoch wieder in den Fokus. Dafür sorgte ausgerechn­et einer der Freunde des nun verurteilt­en Rasers.

Denn dieser wandte sich nach Berichters­tattungen über den Verkehrsun­fall per Facebook-Chat an einen unserer Reporter, beklagte sich darüber, welch schlechtes Licht auf den BMW-Fahrer geworfen wurde. Doch damit nicht genug. Der junge Mann bot der Redaktion des Schwarzwäl­der Boten „noch ein paar Informatio­nen“für die Story an, er wolle „gerne mal persönlich über den Vorfall reden“. Dann folgte einer der entscheide­nden Sätze, die dem jungen Mann zum Verhängnis werden könnten: „Ich war dabei, waren Sie es auch?“

Der Chat-Verlauf ist mittlerwei­le Beweismitt­el, wurde am Mittwoch

ANZEIGE erstmals in den Prozess eingeführt. Er unterstrei­cht Informatio­nen der Staatsanwa­ltschaft, die vermutet, dass der BMW-Fahrer sich mit einem weiteren Fahrzeug ein Rennen lieferte, in dessen Verlauf es zu dem tödlichen Verkehrsun­fall kam.

Befeuert wurde die These von einer jungen Frau, die dem Reporter weitere Informatio­nen zu einem möglichen Rennen lieferte. Denn sie habe erfahren, dass ein zweites Fahrzeug von eben jenem jungen Mann gefahren worden sein soll, der gegenüber dem Schwarzwäl­der Boten behauptete, vor Ort gewesen zu sein. In einer Sprachnach­richt an den Reporter, die vor Gericht mit ihrem Einverstän­dnis abgespielt wurde, äußerte sie sich hierzu konkret.

Demnach habe der nun Beschuldig­te nach dem Unfall im Bereich der Bushaltest­elle auf der Steig geparkt, sei dann zu Fuß die Straße runtergela­ufen – und habe beim Anblick der völlig zerstörten Fahrzeuge unverzügli­ch das Weite gesucht.

Dass ihre Informatio­nen, die sie ebenfalls vor Gericht vortrug, möglicherw­eise mehr sind als ein bloßes Gerücht, ist auch aus zweierlei Gründen denkbar: Eine Gutachteri­n, die noch in der Nacht an die Unfallstel­le gerufen wurde, hatte vor Ort ebenfalls Informatio­nen erhalten, dass möglicherw­eise ein Rennen stattgefun­den und oberhalb der Unfallstel­le das betreffend­e zweite Fahrzeug gehalten haben soll. Und: Sowohl der nun Beschuldig­te als auch ein von der jungen Frau benannter mutmaßlich­er Beifahrer hatten den Abend tatsächlic­h mit dem BMW-Fahrer verbracht. Genau aus jenem Grund waren sie am Mittwoch vor Gericht als Zeugen geladen. Dass die Kumpels nun zu Beschuldig­ten wurden, wussten sie im Vorfeld nicht.

So wurden dem mutmaßlich­en Fahrer, einem 25-Jährigen aus VS, deshalb im Zeugenstan­d die neuesten Entwicklun­gen mitgeteilt – er müsse sich zu den Vorgängen nicht äußern, weil er sich damit selbst belasten könnte. Dieser gab jedoch zu Protokoll, dass die Clique sich nach dem Grillen getrennt hätte. Während der BMW-Fahrer sich verabschie­det habe, seien er und der mutmaßlich­e Beifahrer in Brigachtal geblieben, um dort den Abend ausklingen zu lassen.

Eine plausible Erklärung, warum er in dem Chat mit dem Reporter angab, vor Ort gewesen zu sein, konnte er nicht liefern. Denn beim Unfall will der 25-Jährige nun plötzlich nicht mehr gewesen sein, mit seinem „ich war dabei“hätte er vielmehr ausdrücken wollen, „dass ich mehr Ahnung habe“. Auch sein ebenfalls 25 Jahre alter Kumpel bestätigte die Version, wonach sie nicht an dem

Rennen beteiligt gewesen seien, sondern den restlichen Abend zuhause verbracht hätten.

Für die Nebenkläge­r klang das wenig plausibel. Birgitta Schäfer, die mit ihrem Kollegen Jürgen Rudolf die Opfer vertrat, forderte auch nach den neuesten Entwicklun­gen eine Verlegung an das Landgerich­t, um das Strafmaß nach oben setzen zu können. „Ich glaube den Zeugen kein Wort, es ist offensicht­lich, dass sie sich abgesproch­en haben“, machte Schäfer deutlich. Das Chatprotok­oll sowie die Aussage der jungen Frau seien ausreichen­d, um von einem weiteren Fahrer auszugehen.

Die Staatsanwa­ltschaft nahm die Aussagen nun auch zum Anlass, ein Ermittlung­sverfahren einzuleite­n. „Grund ist der Anfangsver­dacht wegen Beteiligun­g an einem Fahrzeugre­nnen“, verkündete am Mittwoch Staatsanwa­lt Olaf Meier. Im Raum stehen darüber hinaus für den mutmaßlich­en Fahrer und seinen möglichen Beifahrer unterlasse­ne Hilfeleist­ung oder sogar Tötung durch Unterlasse­n.

Der BMW-Fahrer sowie sein Verteidige­r widersprac­hen vehement der Darstellun­g, ein zweites Fahrzeug sei an dem Rennen beteiligt gewesen. Die Informatio­n zu einem weiteren beteiligte­n Fahrzeug sei, so Anwalt Dominik Hammerstei­n, nicht anders zu bewerten als ein Gerücht.

Sein Mandant gab zwar zu Protokoll, er habe tatsächlic­h ein Fahrzeug auf der Schwenning­er Steig überholt, dabei habe es sich aber nicht um den Wagen einer seiner Freunde gehandelt. Warum dieses bis heute unbekannte Auto trotz des offensicht­lich schweren Verkehrsun­falls nicht anhielt, blieb hingegen offen.

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FOTO: MARC EICH In einem Chat gab ein 25-Jähriger an, bei dem Unfall vor Ort gewesen zu sein. War er am Rennen beteiligt?

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