IG-Metall protestiert gegen „Salamitaktik“bei Hengstler
Gewerkschaft fordert von Mutterkonzern Fortive ein klares Bekenntnis zum Standort Aldingen
ALDINGEN/REGION - IG-MetallKundgebung bei Hengstler in Aldingen: Nachdem die Firmenleitung angekündigt habe, weitere Teile der Produktion in das Schwesterunternehmen in der Slowakei zu verlagern und in Aldingen zwölf Arbeitsplätze abzubauen, fordert die Gewerkschaft nun vom Mutterkonzern Fortive ein „klares Bekenntnis zum Standort Aldingen“, der auch „Investitionen in allen Bereichen“umfassen soll. Die Gewerkschafter fürchten einen „scheibchenweisen“Abbau des Standorts Aldingen. Und dies, obwohl Hengstler 18 bis 20 Prozent Umsatzrendite habe, so Gewerkschaftssekretärin Dorothea Ertl, und sich damit von vielen wirklich bedrohten Firmen unterscheide (Siehe weiteren Artikel).
Am gestrigen frühen Montagnachmittag zum Schichtwechsel ist auf dem Hengstler-Parkplatz, trotz Regenwetters, deutlich mehr als die Hälfte der Aldinger Belegschaft – so zumindest die Schätzung der Betriebsratsvorsitzenden Beate Hofsäss-Hugger – zu der IG-Metall-Kundgebung gekommen. Am Ende standen 85 Unterschriften auf der Liste „Wir für ein klares Bekenntnis zum Standort Hengstler in Aldingen“– bei einer Gesamtbelegschaft von rund 240 Mitarbeitern in Aldingen sei dies „ein sehr gutes Signal“, freut sich Beate Hofsäss-Hugger. „Es ist ein ganz tolles Zeichen, dass so viele Kollegen hier draußen sind“, bedankte sie sich bei den Teilnehmern, „wir müssen beginnen zu kämpfen“.
Insgesamt drei Produktionszellen sollen von Aldingen in das Hengstler-Schwesterwerk in der Slowakei verlagert werden, so habe das Unternehmen angekündigt, erläutert Dorothea Ertl, Gewerkschaftssekretärin bei der IG Metall Albstadt. Zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Aldingen habe man das Angebot gemacht, freiwillig einen Aufhebungsvertrag mit entsprechender Abfindung zu unterschreiben. Diese liege aber unter der Abfindung, die man bei einem Sozialplan erreicht hätte, so Ertls Einschätzung. Andernfalls, so Ertl weiter, habe man den betroffenen Mitarbeitern mit betriebsbedingter Kündigung gedroht. „Von der Struktur her trifft es zum Teil auch ältere Arbeitnehmer“, stellt Ertl fest, „die es schwer haben werden, auf dem Arbeitsmarkt noch Stellen zu finden“.
Ein Vorwurf der Gewerkschaft lautet, dass mit der „Salamitaktik“eines scheibchenweisen Abbaus von Arbeitsplätzen die gesetzliche Schwelle für einen Interessenausgleich und Sozialplan bewusst unterschritten werden und somit eine Beteiligung des Betriebsrats ausgehebelt werden soll. Schon 2017 habe es Verlagerungen gegeben und auch schon davor immer wieder einen schrittweisen, schleichenden Stellenabbau.
Nun sei erstmals auch das Kerngeschäft von Hengstler Aldingen betroffen, so Hengstler-Mitarbeiter Thomas Ebbrecht. „Und irgendwann“, so seine Befürchtung, „ist die ganze Bude weg. Das ist eigentlich offensichtlich.“
„Der Belegschaft reicht es einfach“, so Hofsäss-Hugger. Nun fordere man vom Mutterkonzern Fortive „ein klares Bekenntnis“zum Standort Aldingen.
„Wir von Hengstler gehören auch zur Fortive-Familie“, betont Betriebsratsvorsitzende Hofsäss-Hugger. Hengstler gehört seit 2016 zum Fortive-Konzern, einem US-amerikanischen Mischkonzern mit Sitz in
Everett, Washington. „Gerade in der Corona-Krise zeigen andere Firmen Treue zu ihren Arbeitnehmern. Dieses Gefühl haben wir hier nicht,“
„Wir sehen eigentlich gar keine Not, Zellen zu verlagern oder gar Entlassungen zu veranlassen“, sagt auch ein Gewerkschaftsmitglied und Hengstler-Mitarbeiter, der nicht genannt werden möchte, im Gespräch mit unserer Zeitung. Hengstler Aldingen mache weiterhin Gewinn, auch wenn es – coronabedingt – nicht mehr so viel sei wie im vergangenen Jahr. Die Hengstler-Belegschaft habe in der Corona-Krisenzeit Treue mit dem Konzern gezeigt, so der Mitarbeiter. „Diese Treue erwarten wir nun auch von der Geschäftsleitung.“
Nach seiner Meinung hätte man auch das Werkzeug der Kurzarbeit verlängern können. Die Betriebsleitung hätte dies abgelehnt, mit der Begründung, dies sei den Mitarbeitern „nicht zumutbar“. Doch in einer Umfrage des Betriebsrats hätte sich die Mehrheit der Belegschaft für eine Verlängerung der Kurzarbeit ausgesprochen. „Lieber Kurzarbeit als keine Arbeit“, so Beate Hofsäss-Hugger.
Wir haben auch die Geschäftsleitung von Hengstler Aldingen telefonisch um eine Stellungnahme gebeten. Doch diese beschränkte sich auf einen Satz: „Wir geben keinen Kommentar.“