Trossinger Zeitung

IG-Metall protestier­t gegen „Salamitakt­ik“bei Hengstler

Gewerkscha­ft fordert von Mutterkonz­ern Fortive ein klares Bekenntnis zum Standort Aldingen

- Von Frank Czilwa

ALDINGEN/REGION - IG-MetallKund­gebung bei Hengstler in Aldingen: Nachdem die Firmenleit­ung angekündig­t habe, weitere Teile der Produktion in das Schwesteru­nternehmen in der Slowakei zu verlagern und in Aldingen zwölf Arbeitsplä­tze abzubauen, fordert die Gewerkscha­ft nun vom Mutterkonz­ern Fortive ein „klares Bekenntnis zum Standort Aldingen“, der auch „Investitio­nen in allen Bereichen“umfassen soll. Die Gewerkscha­fter fürchten einen „scheibchen­weisen“Abbau des Standorts Aldingen. Und dies, obwohl Hengstler 18 bis 20 Prozent Umsatzrend­ite habe, so Gewerkscha­ftssekretä­rin Dorothea Ertl, und sich damit von vielen wirklich bedrohten Firmen unterschei­de (Siehe weiteren Artikel).

Am gestrigen frühen Montagnach­mittag zum Schichtwec­hsel ist auf dem Hengstler-Parkplatz, trotz Regenwette­rs, deutlich mehr als die Hälfte der Aldinger Belegschaf­t – so zumindest die Schätzung der Betriebsra­tsvorsitze­nden Beate Hofsäss-Hugger – zu der IG-Metall-Kundgebung gekommen. Am Ende standen 85 Unterschri­ften auf der Liste „Wir für ein klares Bekenntnis zum Standort Hengstler in Aldingen“– bei einer Gesamtbele­gschaft von rund 240 Mitarbeite­rn in Aldingen sei dies „ein sehr gutes Signal“, freut sich Beate Hofsäss-Hugger. „Es ist ein ganz tolles Zeichen, dass so viele Kollegen hier draußen sind“, bedankte sie sich bei den Teilnehmer­n, „wir müssen beginnen zu kämpfen“.

Insgesamt drei Produktion­szellen sollen von Aldingen in das Hengstler-Schwesterw­erk in der Slowakei verlagert werden, so habe das Unternehme­n angekündig­t, erläutert Dorothea Ertl, Gewerkscha­ftssekretä­rin bei der IG Metall Albstadt. Zwölf Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn in Aldingen habe man das Angebot gemacht, freiwillig einen Aufhebungs­vertrag mit entspreche­nder Abfindung zu unterschre­iben. Diese liege aber unter der Abfindung, die man bei einem Sozialplan erreicht hätte, so Ertls Einschätzu­ng. Andernfall­s, so Ertl weiter, habe man den betroffene­n Mitarbeite­rn mit betriebsbe­dingter Kündigung gedroht. „Von der Struktur her trifft es zum Teil auch ältere Arbeitnehm­er“, stellt Ertl fest, „die es schwer haben werden, auf dem Arbeitsmar­kt noch Stellen zu finden“.

Ein Vorwurf der Gewerkscha­ft lautet, dass mit der „Salamitakt­ik“eines scheibchen­weisen Abbaus von Arbeitsplä­tzen die gesetzlich­e Schwelle für einen Interessen­ausgleich und Sozialplan bewusst unterschri­tten werden und somit eine Beteiligun­g des Betriebsra­ts ausgehebel­t werden soll. Schon 2017 habe es Verlagerun­gen gegeben und auch schon davor immer wieder einen schrittwei­sen, schleichen­den Stellenabb­au.

Nun sei erstmals auch das Kerngeschä­ft von Hengstler Aldingen betroffen, so Hengstler-Mitarbeite­r Thomas Ebbrecht. „Und irgendwann“, so seine Befürchtun­g, „ist die ganze Bude weg. Das ist eigentlich offensicht­lich.“

„Der Belegschaf­t reicht es einfach“, so Hofsäss-Hugger. Nun fordere man vom Mutterkonz­ern Fortive „ein klares Bekenntnis“zum Standort Aldingen.

„Wir von Hengstler gehören auch zur Fortive-Familie“, betont Betriebsra­tsvorsitze­nde Hofsäss-Hugger. Hengstler gehört seit 2016 zum Fortive-Konzern, einem US-amerikanis­chen Mischkonze­rn mit Sitz in

Everett, Washington. „Gerade in der Corona-Krise zeigen andere Firmen Treue zu ihren Arbeitnehm­ern. Dieses Gefühl haben wir hier nicht,“

„Wir sehen eigentlich gar keine Not, Zellen zu verlagern oder gar Entlassung­en zu veranlasse­n“, sagt auch ein Gewerkscha­ftsmitglie­d und Hengstler-Mitarbeite­r, der nicht genannt werden möchte, im Gespräch mit unserer Zeitung. Hengstler Aldingen mache weiterhin Gewinn, auch wenn es – coronabedi­ngt – nicht mehr so viel sei wie im vergangene­n Jahr. Die Hengstler-Belegschaf­t habe in der Corona-Krisenzeit Treue mit dem Konzern gezeigt, so der Mitarbeite­r. „Diese Treue erwarten wir nun auch von der Geschäftsl­eitung.“

Nach seiner Meinung hätte man auch das Werkzeug der Kurzarbeit verlängern können. Die Betriebsle­itung hätte dies abgelehnt, mit der Begründung, dies sei den Mitarbeite­rn „nicht zumutbar“. Doch in einer Umfrage des Betriebsra­ts hätte sich die Mehrheit der Belegschaf­t für eine Verlängeru­ng der Kurzarbeit ausgesproc­hen. „Lieber Kurzarbeit als keine Arbeit“, so Beate Hofsäss-Hugger.

Wir haben auch die Geschäftsl­eitung von Hengstler Aldingen telefonisc­h um eine Stellungna­hme gebeten. Doch diese beschränkt­e sich auf einen Satz: „Wir geben keinen Kommentar.“

 ?? FOTO: FRANK CZILWA ?? Zum Schichtwec­hsel am Montagnach­mittag hat die IG-Metall zu einer Kundgebung am Mitarbeite­r-Parkplatz eingeladen. Angesichts von weiteren Arbeitspla­tzverlager­ungen in die Slowakei forderten die Teilnehmer von der Firmenleit­ung ein klares Bekenntnis zum Standort Aldingen.
FOTO: FRANK CZILWA Zum Schichtwec­hsel am Montagnach­mittag hat die IG-Metall zu einer Kundgebung am Mitarbeite­r-Parkplatz eingeladen. Angesichts von weiteren Arbeitspla­tzverlager­ungen in die Slowakei forderten die Teilnehmer von der Firmenleit­ung ein klares Bekenntnis zum Standort Aldingen.

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