Trossinger Zeitung

Jess Jochimsen überzeugt mit viel Witz und ernsten Worten

Der Freiburger Kabarettis­t und Buchautor ist in der Angerhalle mit seinem Programm „Heute wegen gestern geschlosse­n“aufgetrete­n

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TUTTLINGEN (clst) - „Es gibt so viele Dinge, die schon vor Corona im Argen lagen. Es muss doch auch Dinge geben die gut waren – warum nicht da andocken?“, stellt Jess Jochimsen am Freitagabe­nd in der Angerhalle die Frage an das Publikum und hat auch gleich die Lösung für alle Probleme: „Wachbecken“. Sichtlich erfreut zeigt er sich über seinen Auftritt vor einem Live-Publikum, das er gleich zu Beginn für die Guten hält, weil sie gekommen sind, um ihn zu hören.

Und das hat an diesem Abend keiner bereut, denn Jess Jochimsen verstand es mit seiner subtilen, feinsinnig­en, ruhigen und poetischen Art seine Zuhörer von Beginn an mitzunehme­n – auf eine satirische

TRAUERANZE­IGEN Reise durch sein aktuelles Programm „Heute wegen gestern geschlosse­n“. Trotz aller negativen Meldungen und Maßnahmen forderte er dazu auf solidarisc­h zu denken, Rücksicht zu nehmen und kein „Arschloch“zu sein, um der alltäglich­en Routine und Realität etwas entgegense­tzen zu können.

„Vor sechs Monaten war die Kultur genauso wichtig, wie Spargel und Lufthansa“, bemerkte er und verwies darauf, dass allein 80 000 Erntehelfe­r eingefloge­n wurden, aber es nicht möglich gewesen sei 50 Flüchtling­skinder aus Griechenla­nd zu holen.

„Digitalisi­erung, die Situation in den Schulen, Nazis bei der Polizei, das alles war doch vor Corona schon“, stellte er fest und verwies verschmitz­t darauf, dass der Flughafen in Berlin in zwei Wochen eröffnet werden soll, „jetzt wo keiner mehr fliegt.“

„So wie früher wird es nicht mehr“, betonte Jochimsen und warf die Frage auf, „Was ist morgen, was ist Zukunft, wie wollen wir leben?“, dazu gäbe es viele Ideen wie das Leben besser, gerechter und schöner sein könnte. Doch da seien auch die sogenannte­n „Hausmeiste­rtypen“, die allgegenwä­rtigen Rechthaber, die mit ihren bekannten, abgedrosch­enen Sätzen „Da könnt‘ ja jeder kommen“, oder „Wenn das alle machen würden, ja wo kämen wir denn da hin“, vieles von Beginn an im Keim ersticken wollten. Dabei brauche es gar nicht alle, nur ein paar Wenige, die etwas ändern wollten, und „wenn die Paar das machen, das durchziehe­n, dann ist es lustig“, stellte Jochimsen fest und forderte auf zum „Abstand und Anstand halten.“

Mit dem Glockenspi­el untermalte er seine Worte, mit diatonisch­er Harmonika und Gitarre begleitet er seine Lieder, deren Texte wie bei der politische­n Selbstankl­age in „H-Moll“, oder „Heimatland“aufrüttelt­en, nachdenkli­ch stimmten.

Jess Jochimsen ist nicht der polternde, lautstarke Kabarettis­t, er forderte sein Publikum. Einfach nur Zurücklehn­en gibt es bei ihm nicht. Seine poetische Bestandsau­fnahme der aktuellen Situation, täuschte nicht über die Ernsthafti­gkeit der momentanen Situation hinweg, Sorglosigk­eit sei nicht angebracht, aber bei allem dürfe auch das Lachen und der Humor nicht vergessen werden.

Zwischendu­rch und am Schluss präsentier­te er seine Urlaubsdia­s von Daheim. Bilder, die Geschichte­n erzählen, die sich aber oftmals erst beim zweiten Blick, beim genauen Hinsehen dem Betrachten­den in ihrer Hintergrün­digkeit eröffnen. Spontaner Applaus und fröhliches Lachen krönen den poetischen, geistreich­en Abend – und das Publikum entließ den Freiburger Kabarettis­ten und Buchautor erst nach einer begeistert eingeforde­rten Zugabe.

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FOTO: STECKELER Jess Jochimsen präsentier­te in der Angerhalle einen Mix aus Ernst und Komik.

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