Rage wegen eines platten Reifens
Verhandlung vor Gericht bestätigt Version des Angeklagten nicht – Verfahren gegen Auflage eingestellt
SPAICHINGEN - „Wir wollen uns nicht wiedersehen wegen irgendwelcher Sachen.“Dies hat Amtsgerichtsdirektorin Beate Philipp dem 51-jährigen Angeklagten aus einer Kreisgemeinde mit auf den Weg gegeben, als sie das Verfahren gegen ihn wegen Körperverletzung und Beleidigung am Dienstag einstellte. Der Mann versicherte sich, dass sich das aber nicht auf den Zivilweg beziehe, so ganz loslassen wollte er offensichtlich nicht. Die Ursache der Verhandlung war ein Zwischenfall im März dieses Jahres im Zusammenhang mit einem defekten Roller.
„Abzocker, Zigeuner, Bandit“habe der Mann einem 53-jährigen Vater und dessen 22-jährigen Sohn in und bei deren Werkstatt gesagt und den Sohn am Kragen gepackt und bedroht. So lautete der Vorwurf des Vertreters der Staatsanwaltschaft. Einen Strafbefehl, der auf der Basis der Ermittlungen – Polizisten hatten das zum Teil sogar selbst gehört – hatte der Angeklagte zunächst abgelehnt, weshalb die Sache nun vor Gericht verhandelt wurde.
Die Geschichte, die er in seiner Einlassung als Angeklager erzählte, widersprach der Darstellung der Staatsanwaltschaft. „Es stimmt in keinster Weise, ich habe ihn weder körperlich angegangen, noch beleidigt.“Er sei im Gegenteil vom Vater mit einer Metallstange bedroht und am Hals gewürgt worden. Überdies hätten die beiden Männer zwei scharfe Hunde, darunter einen belgischen Schäferhund, auf ihn gehetzt. „Ich hatte Todesangst.“Und der Sohn habe seine Ehefrau weggeschoben und am Arm gepackt, wodurch sie blaue Flecken erlitten habe.
Der Anlass ist relativ banal, ein platter Reifen an dem Roller. Die Rage aber durch den Verdacht des Angeklagten entzündet, ein von Anfang an fehlerhaftes Fahrzeug von den beiden Werktstattbetreibern gekauft zu haben. Der Reifen sei durch fehlerhafte Montage kaputt gegangen, das habe ihm ein Reifenhändler bestätigt. Überdies, dies schien durch die Aussage ebenfalls durch, hätten diese sein Fahrzeug dann nicht herausgerückt: „Meine Erwartungshaltung war, dass der Roller nach draußen gebracht wird. Warum haben sie mir den Roller nicht ausgehändigt?“Er behalte sich den Zivilrechtsweg vor. Die Zeugen hielten dagegen: Er habe vor seinem Besuch doch selbst noch einmal angerufen und gesagt: „Macht nichts an dem Roller, ich hole ihn.“
Der Roller war nach der Meldung des Plattens vom Vater abgeholt worden, es habe ein Metallstück im Reifen gesteckt, schilderte der 22-jährige Sohn den Vorlauf. Dann gab es einen Anruf seitens des Vaters, dass der Reifen ausgetauscht werden müsse, er wolle aber nur den Verkaufspreis. Für den Angeklagten war sowieso klar: Das muss eine Kulanzsache sein. Beim fraglichen Telefonat eskalierte die Situation. Der Angeklagte habe den Vater laut angeschrien, aber selbst gehört habe er nicht, was. Es seien böse Beleidigungen gewesen, bestätigt später, sichtlich peinlich berührt über die Worte, der Vater. Diese hatte nur er am Telefon gehört, die von der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen aber er, der Sohn auch, sowie teilweise die Polizisten.
Folgenden Ablauf schilderten Vater und Sohn: Der Mann sei völlig aufgebracht in die Werkstatt gestürmt, habe erst Dinge von einem roten Roller heruntergeworfen, der gar nicht seiner sei. Als er ihn darauf aufmerksam gemacht habe, habe der Angeklagte sich umgedreht und habe ihn versucht zu schlagen. Er habe ihn abgewehrt und beim dritten Mal habe der Mann ihn am Kragen gepackt und Kratzer verursacht. Auf Nachfrage der Richterin winkte er ab: Normale Kratzer seien das gewesen, er schiele nicht auf Schmerzensgeld. Der Vater sei, um ihn zu verteidigen, mit einer Metallstange dazwischen gegangen, habe aber nur den einen Arm zur Verfügung gehabt, weil die andere Schulter erst einen Monat zuvor operiert worden war.
Der Angeklagte konterte: „Ich habe Sie nicht berührt“, der Sohn: „Wer war es dann?“, der Angeklagte: „Der liebe Gott.“
Der Vater bestätigte mit andern Worten aber in großen Zügen den
Ablauf, den der Sohn geschildert hatte. Die Alustange habe er nur in der Hand gehabt, weil er seinen Sohn schützen wollte – beide Männer sind nicht sehr groß und relativ schmal. „Zum Glück habe ich ihn nicht geschlagen“. Außerdem sei der belgische Schäferhund im Zwinger gewesen. Der deutsche Schäferhund, „der alte Opa, ist immer draußen, der tut nichts.“
Der Angeklagte hatte zuvor den Ablauf so geschildert: Er sei zunächst irrtümlich zum falschen Fahrzeug gegangen, sei dann vom Werkstattbesitzer zu seinem weiter hinten verwiesen und dann durch seine Frau angerufen worden: „Pass auf, der hat eine Eisenstange.“Dann sei er vom Vater gepackt, rumgedreht und bedroht sowie aus der Werkstatt geschoben worden.
Die Aufnahmen der Überwachungskamera zeigen den Vorfall nicht, da sie auf den Hof gerichtet ist. Aber die Geräusche. Ein Satz lautete: „Du hast meinen Sohn angegriffen.“Was sich allerdings in der Werkstatt weiter abgespielt hat, war nicht zu sehen. Man hörte einen bellenden und einen winselnden Hund sowie schreiende Menschen und immer wieder den Verweis, man rufe die Polizei. Die war denn auch von beiden Seiten gerufen worden, habe die Lage beruhigen wollen, was schwierig gewesen sei, wie zwei Beamte schilderten. Letztlich habe es einen freiwilligen Alkoholtest beim Angeklagten gegeben: Über ein Promille.
Nach einer Sitzungsunterbrechung, der Beratung mit Anwalt und Staatsanwaltschaft sowie Zustimmung des Angeklagten stellte die Richterin das Verfahren ohne weitere Erläuterungen gegen eine Geldauflage von 1000 Euro an den Verein „Frauen helfen Frauen“ein. Auch die Statsanwältin, die in Rottweil konsultiert wurde, habe den Wunsch geäußert, künftig keine Fälle mehr mit dem Angeklagten zu haben. Was dieser versicherte und auch, dass er die Auflage schnell bezahlen werde: „Dann hab ich wenigstens was Gutes getan.“