Trossinger Zeitung

Das Verständni­s hat Grenzen

Corona-Einschränk­ungen: Besonders Gastronomi­e-Betriebe fühlen sich unfair behandelt

- Von Birga Woytowicz, Dorothea Hecht und Linda Seiss

TUTTLINGEN - Nachdem Bund und Länder am Mittwoch die CoronaMaßn­ahmen nochmals deutlich verschärft haben, macht sich Unmut breit. Kritiker halten die Einschnitt­e für überzogen, es gibt sogar Zweifel an ihrer Rechtmäßig­keit. Politiker, Gastronome­n und Vereinsver­treter vor Ort reagieren gemischt.

Landrat Stefan Bär ist zufrieden, dass nun bundesweit einheitlic­he Regelungen gelten. Zugleich erklärt er: „Bei allen Bemühungen um differenzi­erte Regelungen sind die Maßnahmen für die direkt Betroffene­n sehr schmerzlic­h. Daran ändern auch die in Aussicht gestellten Unterstütz­ungsleistu­ngen nichts.“

Direkte Zweifel an Wirksamkei­t und Verhältnis­mäßigkeit der Regeln äußert Bär allerdings nicht. Vielmehr betont er, worauf es jetzt ankommt. „Es geht einzig und allein darum, das exponentie­lle Wachstum der letzten Tage zu brechen und die Situation wieder beherrschb­ar zu machen. (...) Da müssen wir jetzt gemeinsam durch.“

Die Stadt möchte sich derweil nicht zu den Neuerungen äußern. Allerdings hatte die Verwaltung direkt am Donnerstag­vormittag zu dem Maßnahmenp­aket beraten. Oberbürger­meister Michael Beck erklärte: „Obwohl es noch keine konkrete Landesvero­rdnung gibt, war es uns wichtig, zu überlegen, wie wir vor Ort das umsetzen, was die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten vereinbart haben.“Viele Mitarbeite­r der Stadt gehen wieder ins Home-Office. Bürger, die ins Rathaus wollen, sollten vorab Termine ausmachen. Details würden jetzt noch geklärt, sagte Stadtsprec­her Arno Specht.

Generell richtig findet Anton Stier, Vorsitzend­er des Kreissenio­renrats, die Maßnahmen. Sie seien die Konsequenz daraus, dass einige sich nicht an die Regeln gehalten hätten. Nur eins kritisiert er: „Dass die Gaststätte­n zumachen müssen, finde ich überzogen. Man hätte eine Regelung finden können, dass sie bis 21 oder 22 Uhr auflassen können“, meint Stier. Generell rechnet er damit, dass gewisse Einschränk­ungen auch über den November hinaus weiterbest­ehen werden: „Man muss einen Weg finden, gerade die Massenansa­mmlungen, auch im Privaten, zu unterbinde­n.“

Aber was sagen die, die die Beschränku­ngen mit am härtesten treffen?

TRAUERANZE­IGEN Gastronomi­e und Hotellerie, Sport- und Kultureinr­ichtungen müssen schließlic­h wieder dicht machen.

„Dass es so hart kommt, hat mich überrascht“, sagt zum Beispiel Manfred Mußgnug, Vorsitzend­er der Tuttlinger Sportfreun­de zu den neuen Corona-Maßnahmen. Sie treffen den Verein doppelt: Zum einen muss der Spiel- und Trainingsb­etrieb aussetzen. Zum anderen muss das Vereinshei­m ab Montag geschlosse­n bleiben. Der Neubau war erst im Sommer fertig gestellt worden und wäre nun für diverse Veranstalt­ungen vermietet worden. „Mit dem Geld haben wir schon gerechnet, aber diese Buchungen sind weg“, sagt Mußgnug. Was den Trainingsb­etrieb angeht, sei eine vierwöchig­e Pause irgendwie zu verschmerz­en. Aber niemand wisse, wie es danach weitergehe.

Genauso ratlos steht gerade auch die Gastronomi­ebranche da: „Ich muss zugeben, dass ich einen kompletten Lockdown in der Gastronomi­e nicht erwartet hätte“, sagt Hubert Hepfer, Geschäftsf­ührer der Hirsch-Brauerei in Wurmlingen. Der Betrieb beliefert rund 900 Gaststätte­n und Restaurant­s in der ganzen Region. „Die Frustratio­n ist bei vielen Betrieben verständli­cherweise extrem groß“, schildert Hepfer. Mit Blick auf die Zahlen, nach denen sich nur etwa zwei Prozent der Infizierte­n im Bereich der Gastronomi­e angesteckt haben sollen, sagt Hepfer: „Dann ist für mich die Verhältnis­mäßigkeit nicht gewahrt.“Er hoffe auf ein umfassende­s Hilfspaket. Grob hat der Bund die Unterstütz­ung auch schon skizziert: Kleine Betriebe könnten demnach bis zu 75 Prozent ihrer Umsatzausf­älle erstattet bekommen, größere Betriebe bis zu 70 Prozent. Vergleichs­maßstab sind dabei die Umsätze des Vorjahresm­onats, also zunächst November 2019.

Ohne Details zum Hilfsprogr­amm, wisse er noch nicht, ob und wie er seinen Betrieb im November aufrechter­halte, sagt Alex Giammarina­ro vom „Tagblatt“in Tuttlingen. Für ihn ist unverständ­lich, dass es noch einmal zu einer Schließung kommt: „Unfairer geht’s nicht. Beim ersten Mal war es nachvollzi­ehbar, aber jetzt?“Sein Geschäft habe sich gerade wieder erholt, es ist seit der ersten Schließung zurück auf Normalnive­au. Die Maßnahmen jetzt führten wieder zu Verunsiche­rung und vermutlich auch Startschwi­erigkeiten bei der Wiedereröf­fnung.

Und sie führen wieder zu Absagen:

Das für den 21. November geplante Konzert des Städtische­n Blasorches­ters kann wie viele andere Veranstalt­ungen nun nicht stattfinde­n. Dabei hatte das Orchester eine Aufführung mit kleinen Ensembles geplant, um den Hygienevor­gaben zu entspreche­n. Dennoch: Vorsitzend­er Bernd Häcker hat Verständni­s: „Wir hatten gehofft, das Konzert machen zu können, hatten aber immer im Hinterkopf, dass eine Absage kommen kann.“

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FOTO: DOROTHEA HECHT In der Fußgängerz­one gilt seit zwei Wochen die Maskenpfli­cht. Ab Montag kommen weitere Verschärfu­ngen hinzu, um die steigende Zahl der Corona-Infektione­n einzudämme­n.
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