Das Verständnis hat Grenzen
Corona-Einschränkungen: Besonders Gastronomie-Betriebe fühlen sich unfair behandelt
TUTTLINGEN - Nachdem Bund und Länder am Mittwoch die CoronaMaßnahmen nochmals deutlich verschärft haben, macht sich Unmut breit. Kritiker halten die Einschnitte für überzogen, es gibt sogar Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit. Politiker, Gastronomen und Vereinsvertreter vor Ort reagieren gemischt.
Landrat Stefan Bär ist zufrieden, dass nun bundesweit einheitliche Regelungen gelten. Zugleich erklärt er: „Bei allen Bemühungen um differenzierte Regelungen sind die Maßnahmen für die direkt Betroffenen sehr schmerzlich. Daran ändern auch die in Aussicht gestellten Unterstützungsleistungen nichts.“
Direkte Zweifel an Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der Regeln äußert Bär allerdings nicht. Vielmehr betont er, worauf es jetzt ankommt. „Es geht einzig und allein darum, das exponentielle Wachstum der letzten Tage zu brechen und die Situation wieder beherrschbar zu machen. (...) Da müssen wir jetzt gemeinsam durch.“
Die Stadt möchte sich derweil nicht zu den Neuerungen äußern. Allerdings hatte die Verwaltung direkt am Donnerstagvormittag zu dem Maßnahmenpaket beraten. Oberbürgermeister Michael Beck erklärte: „Obwohl es noch keine konkrete Landesverordnung gibt, war es uns wichtig, zu überlegen, wie wir vor Ort das umsetzen, was die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten vereinbart haben.“Viele Mitarbeiter der Stadt gehen wieder ins Home-Office. Bürger, die ins Rathaus wollen, sollten vorab Termine ausmachen. Details würden jetzt noch geklärt, sagte Stadtsprecher Arno Specht.
Generell richtig findet Anton Stier, Vorsitzender des Kreisseniorenrats, die Maßnahmen. Sie seien die Konsequenz daraus, dass einige sich nicht an die Regeln gehalten hätten. Nur eins kritisiert er: „Dass die Gaststätten zumachen müssen, finde ich überzogen. Man hätte eine Regelung finden können, dass sie bis 21 oder 22 Uhr auflassen können“, meint Stier. Generell rechnet er damit, dass gewisse Einschränkungen auch über den November hinaus weiterbestehen werden: „Man muss einen Weg finden, gerade die Massenansammlungen, auch im Privaten, zu unterbinden.“
Aber was sagen die, die die Beschränkungen mit am härtesten treffen?
TRAUERANZEIGEN Gastronomie und Hotellerie, Sport- und Kultureinrichtungen müssen schließlich wieder dicht machen.
„Dass es so hart kommt, hat mich überrascht“, sagt zum Beispiel Manfred Mußgnug, Vorsitzender der Tuttlinger Sportfreunde zu den neuen Corona-Maßnahmen. Sie treffen den Verein doppelt: Zum einen muss der Spiel- und Trainingsbetrieb aussetzen. Zum anderen muss das Vereinsheim ab Montag geschlossen bleiben. Der Neubau war erst im Sommer fertig gestellt worden und wäre nun für diverse Veranstaltungen vermietet worden. „Mit dem Geld haben wir schon gerechnet, aber diese Buchungen sind weg“, sagt Mußgnug. Was den Trainingsbetrieb angeht, sei eine vierwöchige Pause irgendwie zu verschmerzen. Aber niemand wisse, wie es danach weitergehe.
Genauso ratlos steht gerade auch die Gastronomiebranche da: „Ich muss zugeben, dass ich einen kompletten Lockdown in der Gastronomie nicht erwartet hätte“, sagt Hubert Hepfer, Geschäftsführer der Hirsch-Brauerei in Wurmlingen. Der Betrieb beliefert rund 900 Gaststätten und Restaurants in der ganzen Region. „Die Frustration ist bei vielen Betrieben verständlicherweise extrem groß“, schildert Hepfer. Mit Blick auf die Zahlen, nach denen sich nur etwa zwei Prozent der Infizierten im Bereich der Gastronomie angesteckt haben sollen, sagt Hepfer: „Dann ist für mich die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt.“Er hoffe auf ein umfassendes Hilfspaket. Grob hat der Bund die Unterstützung auch schon skizziert: Kleine Betriebe könnten demnach bis zu 75 Prozent ihrer Umsatzausfälle erstattet bekommen, größere Betriebe bis zu 70 Prozent. Vergleichsmaßstab sind dabei die Umsätze des Vorjahresmonats, also zunächst November 2019.
Ohne Details zum Hilfsprogramm, wisse er noch nicht, ob und wie er seinen Betrieb im November aufrechterhalte, sagt Alex Giammarinaro vom „Tagblatt“in Tuttlingen. Für ihn ist unverständlich, dass es noch einmal zu einer Schließung kommt: „Unfairer geht’s nicht. Beim ersten Mal war es nachvollziehbar, aber jetzt?“Sein Geschäft habe sich gerade wieder erholt, es ist seit der ersten Schließung zurück auf Normalniveau. Die Maßnahmen jetzt führten wieder zu Verunsicherung und vermutlich auch Startschwierigkeiten bei der Wiedereröffnung.
Und sie führen wieder zu Absagen:
Das für den 21. November geplante Konzert des Städtischen Blasorchesters kann wie viele andere Veranstaltungen nun nicht stattfinden. Dabei hatte das Orchester eine Aufführung mit kleinen Ensembles geplant, um den Hygienevorgaben zu entsprechen. Dennoch: Vorsitzender Bernd Häcker hat Verständnis: „Wir hatten gehofft, das Konzert machen zu können, hatten aber immer im Hinterkopf, dass eine Absage kommen kann.“