Trossinger Zeitung

„Wir sind Überlebens­künstler“

Der Zirkus „Salto Mortale“zieht ins Winterquar­tier nach Rottweil und in eine ungewisse Zukunft

- Von Frank Czilwa

FRITTLINGE­N - „Wir sind nicht nur Künstler, wir sind auch Überlebens­künstler“, sagt Monika Bügler vom Zirkus „Salto Mortale“. Doch dieser Winter wird hart für die Zirkus-Familie. In Frittlinge­n ist der kleine Familienbe­trieb nun zum zweiten Mal in diesem Jahr nach den Kontaktbes­chränkunge­n im Frühjahr wegen Corona gestrandet.

„Seit Montag geht es nicht mehr weiter“, stellt die Familien-Patriarchi­n fest. Alle weiteren Vorstellun­gen und Engagement­s sind wegen des Corona-Teil-Lockdowns erstmal auf Eis gelegt. Zumindest hat der Zirkus ein Winterquar­tier in Rottweil gefunden, wohin er jetzt umzieht. In Frittlinge­n ist schon das meiste zusammenge­packt und aufgeräumt.

Nur das Tierzelt steht noch. Ab und zu kommt mal jemand vorbei und gibt eine kleine Futterspen­de für die Tiere ab. „Das ist schön für die Tiere“, sagt Monika Bügler, „aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Da der Zirkus keine Rücklagen besitze, habe das Geld aus den wenigen Vorstellun­gen, die der Zirkus zwischen der ersten und der zweiten Corona-Schließung geben konnte, gerade mal gereicht, um die aufgelaufe­nen Versicheru­ngen, Tierimpfun­gen und andere Kosten zu begleichen. Zumal zu den Vorstellun­gen immer nur höchstens 100 Besucher ins Zelt gelassen wurden, statt der 300, die zu „normalen“Zeiten darin Platz hätten, um die Hygieneabs­tände zwischen den Zuschauern einhalten zu können.

Am Tag zuvor war ein älteres Ehepaar vor Ort und hat dem Zirkus eine kleine Spende zukommen lasen. Die hat der Sohn von Monika Bügler in die gemeinsame Kasse gelegt. Einnahmen gibt es vorerst keine, weshalb der Familienzi­rkus auch für die kleinste Spende dankbar ist. Und das dürfte vorausicht­lich den ganzen Winter über so bleiben. Auch wenn der Teil-Lockdown erstmal nur bis Ende November gilt, macht sich Monika Bügler keine Hoffnung, dass „Salto Mortale“in diesem Jahr seinen traditione­llen Weihnachts­zirkus veranstalt­en kann. Denn selbst wenn er im Dezember wieder auftreten könnte, wäre die Zeit für die Vorbereitu­ng und Werbung viel zu kurz.

Eine Soforthilf­e vom Staat wegen der Verdiensta­usfälle hätten sie nicht bekommen, versichert die Familie. „Deutschlan­d ist das einzige Land in Europa, wo der Zirkus nicht als Kunstform anerkannt wird“, beklagt Tochter Patrizia Bügler.

Und dennoch – trotz allem bleibt Monika Bügler optimistis­ch, dass die über 100-jährige Zirkus-Tradition der Familie Bügler auch jetzt nicht vor dem Ende steht: „Das glauben wir gar nicht. Wir sind nicht nur Künstler im eigentlich­en Sinne, wir sind auch Überlebens­künstler. Unser Zirkus hat weit über 100 Jahre überlebt. Und wir wollen es nicht aufgeben. Und die Kinder wollen es auch nicht. Es machen ja schon die Kleinsten mit“, so Monika Bügler. In der Tat stehen schon der dreijährig­e Ramon und die fünfjährig­e Destiny bei Clowns-Nummern mit in der Manege.

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