Mit Pistenraupen und Essensboten
Im Wintersport sind in dieser Saison Kreativität und Stressresistenz gefragt
STUTTGART (dpa) - Schneeraupen, Charterflüge, Hüttenübernachtungen – inzwischen scheint jedes Mittel recht. Um trotz Corona-Pandemie und umfangreicher Hygiene- und Sicherheitskonzepte durch die Weltcupsaison zu kommen, nehmen die Wintersportler viel in Kauf. Die europaweiten Infektionszahlen bereiten ihnen Sorge. „Natürlich fürchten wir Reisebeschränkungen und Maßnahmen, die die Durchführung der Saison weiter erschweren könnten“, sagt der Sportvorstand Alpin, Skicross und Freeski des Deutschen Skiverbands (DSV), Wolfgang Maier. Der Teil-Lockdown im November trifft vor allem den Unterbau hart. „Das tut uns richtig weh“, sagt Maier.
Unterhalb der U16 steht der alpine Nachwuchs wegen des bundesweiten Verbots von Amateur- und Freizeitsport diesen Monat still, die Jugend darf weder auf der Piste noch in der Halle trainieren. Die Athleten des Weltcupkaders dürfen das zwar, mussten aber erst eine Trainingsstrecke suchen. „Unsere Bundesstützpunkte
in Berchtesgaden, Garmisch und am Oberjoch können wir für ein Schneetraining wohl frühestens ab Dezember nutzen“, sagt Maier. Dazu haben etliche Skigebiete in Österreich geschlossen. Die Speedspezialistinnen des DSV trainieren in Sölden. „Da nicht das ganze Liftsystem aktiviert werden soll, lassen wir uns mit Raupen und Skidoos zur Trainingsstrecke ziehen“, sagt Maier. Da die Restaurants zu sind, bringt abends ein Lieferservice das Essen.
Und nicht nur die erschwerten Rahmenbedingungen des Trainings bereiten den Skirennfahrern vor ihrem zweiten Weltcupwochenende im finnischen Levi (21./22. November) Stress. „Ständig prüfen zu müssen, in welcher Region gerade welche Hygienevorschriften und Beherbergungsrichtlinien gelten, führt zu einer großen Verunsicherung“, sagt
Maier. Zudem seien die CoronaTests, die zwei- bis dreimal pro Woche durchgeführt werden, „eine enorme psychische Belastung“.
An ihrem Weltcupkalender, der durch diverse Risikogebiete in halb Europa führt, halten die Alpinen vorerst weiter fest – genau wie die Skispringer, Nordischen Kombinierer oder Langläufer. Letztere quartieren sich zur Kontaktreduzierung in dieser Saison, die am 27. November in Ruka (Finnland) starten soll, teilweise in Hütten statt in Hotels ein. Für die Skispringer, die eine Woche vorher in Wisla (Polen) loslegen wollen, setzt der Weltverband Charterflüge ein. Mit diesen sollen die Sportler nach Ruka, von dort nach Nischni Tagil (Russland) und zur Skiflug-WM nach Planica (Slowenien) gebracht werden.
Allesamt setzen die Wintersportler auf kleine, in sich geschlossene
DSV-Sportvorstand Wolfgang Maier über den Teil-Lockdown
Gruppen – auch die Biathleten, die zuletzt Trainingslager in Davos (Frauen) und Oberhof (Männer) absolvierten. „Wir sind froh, dass wir überhaupt unseren Sport und Lehrgänge ausüben können“, sagt FrauenBundestrainer Kristian Mehringer. „Und wir hoffen, dass es nicht so schlimm wird, dass sie vielleicht überall im Leistungssport den Hahn zudrehen.“Die ersten drei Biathlonweltcups im finnischen Kontiolahti (ab 28. November), in Hochfilzen (Österreich) und in Oberhof finden je als Doppelveranstaltung statt – letztere definitiv ohne Zuschauer.
Auch in den Kufensportarten Bob, Rodeln und Skeleton, die Ende November in Lettland und Innsbruck starten, sollen keine Fans zugelassen werden. Wichtiger sind ohnehin TVPräsenz und Sponsoreneinnahmen – in Zeiten kostspieliger Corona-Tests vermutlich sogar erst recht. Der DSV rechnet für die Saison mit Testkosten von rund einer Million Euro. Aber auch die nehmen sie für eine halbwegs normale Saison in Kauf.
„Das tut uns richtig weh.“