Verdacht auf Insiderhandel bei der Bafin
BERLIN (dpa) - Der Finanzaufsicht Bafin sind mittlerweile fast 500 private Geschäfte ihrer Mitarbeiter mit Bezug zum Skandalunternehmen Wirecard bekannt. Das geht aus einer Auskunft des Bundesfinanzministeriums an den FDP-Abgeordneten Frank Schäffler hervor.
Der inzwischen insolvente frühere Dax-Konzern Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und in der Folge Insolvenz angemeldet. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Unternehmen seit 2015 Scheingewinne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Um die politische Aufklärung bemüht sich ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.
Die Bafin prüft derzeit private Börsengeschäfte ihrer Mitarbeiter, bei denen der Kurs der Wirecard AG eine Rolle spielte, also zum Beispiel den Kauf oder Verkauf von Aktien des Unternehmens. Im Raum steht der Verdacht, dass Mitarbeiter der Finanzaufsicht einen möglichen Informationsvorsprung zum privaten Vorteil genutzt haben könnten.
BIBERACH - Günter Warths Verkäufer rufen auch gerne einmal Kunden an, wenn es beispielsweise neue Jeans gibt, die gut ankommen. „Natürlich alles nur mit Einwilligung des Kunden“, sagt Warth, er ist Geschäftsführer der gleichnamigen Modehauskette. „Die Leute rufen aber auch unsere Verkäuferin an und lassen sich beraten. ,Du weißt doch, welche Jeans ich mag, habt ihr da was’, heißt es dann.“Warth setzt voll auf Service und emotionale Nähe – in diesem Jahr eben öfter elektronisch, per Telefon oder Whatsapp anstatt persönlich. Denn die Besucherfrequenz auf Warths Flächen ist im Sommer um 30 Prozent im Vergleich zu vor der Pandemie eingebrochen – bei strengeren Maßnahmen kommen sogar 50 Prozent weniger.
Die Pandemie hat unter den Einzelhändlern gerade die Fashionbranche besonders hart getroffen. Durch die sechswöchigen Zwangsschließungen im Frühjahr lagen Kollektionen wie verderbliches Obst in den Regalen – viele Händler blieben auf der Ware sitzen. Auch das Kaufverhalten veränderte sich – zwar bereits schon vor 2020 – durch die Pandemie jedoch umso schneller. Die Zeit des zwanglosen Bummelns scheint endgültig vorbei. Die nächsten Jahre werden zwar einige Existenzen kosten, sagen Experten, diejenigen, die übrig bleiben, können die Stärken des stationären Modehandels jedoch besonders gut ausspielen – mit digitalen Lösungen zur absoluten Kundenzentrierung.
Günter Warth betreibt unter anderem Geschäfte im oberschwäbischen Ravensburg, Biberach und Laupheim. Zu seiner Modernisierung gehört neben dem direkten Kundenkontakt auch das soziale Erlebnis in seinen Läden. Warth hat große Flächen in Cafés und Sitzecken umgebaut, Kunden bekommen dort kostenlos Getränke, können sich mit Verkäufern oder anderen Kunden austauschen. Die Besucher sollen nicht allein zum Konsumieren in den Laden kommen, im besten Fall entsteht eine emotionale Bindung zum Haus. Dies und der Fokus auf die individualisierte Beratung kostet ihn zwar viel, sagt Warth, „es ist aber eine unternehmerische Entscheidung und unsere einzige Chance“.
„Die individuelle Beratung der Kundinnen und Kunden ist für stationäre Modeläden immer noch der wichtigste Mehrwert gegenüber dem Onlinehandel“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln (Institut für Handelsforschung). Die Geschäfte müssten ihre Kunden kennen. Ähnlich wie Plattformen wie Amazon oder Zalando ihre Kunden anhand von Daten erfassen, muss der stationäre Händler die Vorlieben seiner Kunden kennen – es entsteht das wichtige emotionale und soziale Erlebnis beim Vor-Ort-Kaufen.
Hier liegt aber auch die Krux. Durch die Pandemie haben sich kundenzentrierte Konzepte wie die Cafés im Modehaus Warth anscheinend erübrigt. Denn die Käufer wollen sich derzeit nicht lange in Geschäften aufhalten. Im ersten Halbjahr 2020 liegt die Umsatzentwicklung im Textilhandel bei minus 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, warnt Sabine Hagmann, Geschäftsführerin des Handelsverbandes Baden-Württemberg. Auch die Schließung der Gastronomie und Kultur setzt den Händlern nun wieder zu – durch den TeilLockdown brechen noch weniger Menschen in die Innenstädte auf, prognostiziert Hagmann. „Und das in den wichtigsten Wochen im Jahr, in denen viele Branchen im Einzelhandel zwischen 25 und 30 Prozent ihres Umsatzes machen.“
Laut Hudetz werden Kunden vermutlich auch in den nächsten Jahren vermehrt kurze und gezielte Einkäufe bei stationären Modehändlern machen, die Frequenz auf den Flächen nimmt vielfach ab. Was also tun, wenn sich die größte Stärke, die sozial-emotionale Bindung und Beratung vor Ort, gar nicht richtig umsetzen lässt?
Verstärkt persönliche Beziehungen aufbauen – nicht nur offline, auch online –, sagt Sabine Hagmann. „Digitalisierte Lösungen“, präzisiert Hudetz. Sei es die Beratung über Whatsapp wie beim Modehaus Warth, oder dass Kunden auf den Homepages der Modehäuser die Kollektionen durchklicken können – Sichtbarkeit im Internet sei die Grundvoraussetzung, dass die Menschen vor Ort kaufen. Was im ersten
Moment widersprüchlich klingt, lässt sich an einem Beispiel erklären: Ein Mann aus einer kleinen oberschwäbischen Gemeinde braucht einen neuen Wintermantel. Der Mann fährt in Zukunft immer seltener ahnungslos nach Ravensburg oder Biberach, er startet seine Suche also nicht im Laden, sondern im Internet – abends auf der Couch mit dem Handy in der Hand. Hier müssen die Einzelhändler der nahe gelegenen Städte präsent sein und aufzeigen, welche Wintermäntel sie haben, oder zumindest, was der Kunde vom Besuch erwarten kann. Sabine Hagmann nennt es „die digitale Kür“. „Der Weg in den Laden muss sich lohnen“, sagt Hudetz.
Hat man den Mantelkäufer mit seinem Onlineauftritt überzeugt, gilt vor Ort der intensive Service – biete ich dem Mann einen Kaffee an? Ist der Mantel, den der Kunde online gesehen hat, wirklich der passende? Wenn der Käufer schon da ist, braucht er auch einen Schal? Bei der Verknüpfung digitaler Lösungen und der individuellen Beratung gibt es kein Allheilmittel, erklärt Hudetz. Jedes Geschäft müsse selbst entscheiden, ob es sich nur in den sozialen Medien zeigt, Onlinestöbern anbietet, Stücke auf Anfrage zur Seite legt oder sogar einen Onlinehandel einrichtet und Stücke verschickt. Auch online vereinbarte Beratungsgespräche werden immer wichtiger.
Der Auftritt auf Instagram und Facebook ist Günter Warth mittlerweile extrem wichtig. „Unsere Kunden sehen einen Artikel, den sie mögen, rufen unseren Verkäufer an und lassen sich das Stück in der richtigen Größe zurücklegen.“Er will mit weiteren digitalen Lösungen nachziehen. Von den Fotos auf den Social-MediaKanälen sollen Kunden zukünftig auf die Website geführt werden, dort gibt es weitere Infos – unter anderem in welcher Filiale man das Kleidungsstück findet. Selbst einen eigenen Onlineshop schließt Günter Warth nicht aus, „auch wenn ich die Kunden lieber bei uns vor Ort begrüße“.
Bundeswirtschaftsminister Altmeier zeigte sich im Oktober besorgt um den stationären Einzelhandel im Pandemiejahr und stellte eine finanzielle Stütze in Aussicht. Eine Fördersumme von 500 Millionen Euro schwebt den Vertretern der Handelszunft vor, vor allem für die Umsetzung von digitalen Lösungen.
Außerdem will der Wirtschaftsminister „Erlebnisräume“mit Kultur und Gastronomie schaffen – das seien „entscheidende Faktoren“für lebendige Innenstädte. „Es wird wichtig sein, Unterhaltung, Gastronomie und Konsum zusammenzubringen“, sagt Stephan Fetsch, Einzelhandelsexperte des Beratungsunternehmens KPMG. Denn Einzelhändler allein locken Menschen nicht mehr in die Städte. Während Kunden früher vorrangig in die Innenstadt gepilgert sind, um einzukaufen, kommen sie heute vor allem für die Unterhaltung, um Freunde zu treffen und zum Essen, sagt Fetsch. Mode-Shopping sei dabei immer mehr ein Begleitphänomen der eigentlichen Freizeitgestaltung.
Klar ist aber auch: Partnerschaften mit Kultur und Gastronomie sind zeitaufwendig, digitale Lösungen kosten Geld, enge Kundenverbindungen brauchen Mitarbeiter – das wird sich nicht jedes Modehaus leisten können. „Der Onlinehandel wächst immer stärker, auch unabhängig von Corona. Der Kuchen ist aber gleich groß geblieben“, erklärt Hudetz. Viele Geschäfte werden wohl schließen, diejenigen, die übrig bleiben, werden dafür die Vorteile des stationären Handels umso besser bespielen. Ähnlich wie beim Buchhandel, der schon sehr früh von Amazon unter Druck gesetzt wurde. Viele kleinere Läden mussten aufgeben, diejenigen, die jetzt noch da sind, haben ihre Nische gefunden und sind mittlerweile erfolgreich.
Und so werden die Verkäufer des Modehauses Warth im Winter weiter fleißig Kunden über Whatsapp oder das Telefon beraten. Vorbehalte gegenüber dem Onlinehandel hat Günter Warth weiterhin. Dort gebe es kein Fühlen, kein Riechen, keine Begegnung und das Wichtigste: keine Beratung.