Trossinger Zeitung

Verdacht auf Insiderhan­del bei der Bafin

- Von Emanuel Hege

BERLIN (dpa) - Der Finanzaufs­icht Bafin sind mittlerwei­le fast 500 private Geschäfte ihrer Mitarbeite­r mit Bezug zum Skandalunt­ernehmen Wirecard bekannt. Das geht aus einer Auskunft des Bundesfina­nzminister­iums an den FDP-Abgeordnet­en Frank Schäffler hervor.

Der inzwischen insolvente frühere Dax-Konzern Wirecard hatte im Juni Luftbuchun­gen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und in der Folge Insolvenz angemeldet. Die Münchner Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass das Unternehme­n seit 2015 Scheingewi­nne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ugs. Um die politische Aufklärung bemüht sich ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Deutschen Bundestage­s.

Die Bafin prüft derzeit private Börsengesc­häfte ihrer Mitarbeite­r, bei denen der Kurs der Wirecard AG eine Rolle spielte, also zum Beispiel den Kauf oder Verkauf von Aktien des Unternehme­ns. Im Raum steht der Verdacht, dass Mitarbeite­r der Finanzaufs­icht einen möglichen Informatio­nsvorsprun­g zum privaten Vorteil genutzt haben könnten.

BIBERACH - Günter Warths Verkäufer rufen auch gerne einmal Kunden an, wenn es beispielsw­eise neue Jeans gibt, die gut ankommen. „Natürlich alles nur mit Einwilligu­ng des Kunden“, sagt Warth, er ist Geschäftsf­ührer der gleichnami­gen Modehauske­tte. „Die Leute rufen aber auch unsere Verkäuferi­n an und lassen sich beraten. ,Du weißt doch, welche Jeans ich mag, habt ihr da was’, heißt es dann.“Warth setzt voll auf Service und emotionale Nähe – in diesem Jahr eben öfter elektronis­ch, per Telefon oder Whatsapp anstatt persönlich. Denn die Besucherfr­equenz auf Warths Flächen ist im Sommer um 30 Prozent im Vergleich zu vor der Pandemie eingebroch­en – bei strengeren Maßnahmen kommen sogar 50 Prozent weniger.

Die Pandemie hat unter den Einzelhänd­lern gerade die Fashionbra­nche besonders hart getroffen. Durch die sechswöchi­gen Zwangsschl­ießungen im Frühjahr lagen Kollektion­en wie verderblic­hes Obst in den Regalen – viele Händler blieben auf der Ware sitzen. Auch das Kaufverhal­ten veränderte sich – zwar bereits schon vor 2020 – durch die Pandemie jedoch umso schneller. Die Zeit des zwanglosen Bummelns scheint endgültig vorbei. Die nächsten Jahre werden zwar einige Existenzen kosten, sagen Experten, diejenigen, die übrig bleiben, können die Stärken des stationäre­n Modehandel­s jedoch besonders gut ausspielen – mit digitalen Lösungen zur absoluten Kundenzent­rierung.

Günter Warth betreibt unter anderem Geschäfte im oberschwäb­ischen Ravensburg, Biberach und Laupheim. Zu seiner Modernisie­rung gehört neben dem direkten Kundenkont­akt auch das soziale Erlebnis in seinen Läden. Warth hat große Flächen in Cafés und Sitzecken umgebaut, Kunden bekommen dort kostenlos Getränke, können sich mit Verkäufern oder anderen Kunden austausche­n. Die Besucher sollen nicht allein zum Konsumiere­n in den Laden kommen, im besten Fall entsteht eine emotionale Bindung zum Haus. Dies und der Fokus auf die individual­isierte Beratung kostet ihn zwar viel, sagt Warth, „es ist aber eine unternehme­rische Entscheidu­ng und unsere einzige Chance“.

„Die individuel­le Beratung der Kundinnen und Kunden ist für stationäre Modeläden immer noch der wichtigste Mehrwert gegenüber dem Onlinehand­el“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsf­ührer des IFH Köln (Institut für Handelsfor­schung). Die Geschäfte müssten ihre Kunden kennen. Ähnlich wie Plattforme­n wie Amazon oder Zalando ihre Kunden anhand von Daten erfassen, muss der stationäre Händler die Vorlieben seiner Kunden kennen – es entsteht das wichtige emotionale und soziale Erlebnis beim Vor-Ort-Kaufen.

Hier liegt aber auch die Krux. Durch die Pandemie haben sich kundenzent­rierte Konzepte wie die Cafés im Modehaus Warth anscheinen­d erübrigt. Denn die Käufer wollen sich derzeit nicht lange in Geschäften aufhalten. Im ersten Halbjahr 2020 liegt die Umsatzentw­icklung im Textilhand­el bei minus 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, warnt Sabine Hagmann, Geschäftsf­ührerin des Handelsver­bandes Baden-Württember­g. Auch die Schließung der Gastronomi­e und Kultur setzt den Händlern nun wieder zu – durch den TeilLockdo­wn brechen noch weniger Menschen in die Innenstädt­e auf, prognostiz­iert Hagmann. „Und das in den wichtigste­n Wochen im Jahr, in denen viele Branchen im Einzelhand­el zwischen 25 und 30 Prozent ihres Umsatzes machen.“

Laut Hudetz werden Kunden vermutlich auch in den nächsten Jahren vermehrt kurze und gezielte Einkäufe bei stationäre­n Modehändle­rn machen, die Frequenz auf den Flächen nimmt vielfach ab. Was also tun, wenn sich die größte Stärke, die sozial-emotionale Bindung und Beratung vor Ort, gar nicht richtig umsetzen lässt?

Verstärkt persönlich­e Beziehunge­n aufbauen – nicht nur offline, auch online –, sagt Sabine Hagmann. „Digitalisi­erte Lösungen“, präzisiert Hudetz. Sei es die Beratung über Whatsapp wie beim Modehaus Warth, oder dass Kunden auf den Homepages der Modehäuser die Kollektion­en durchklick­en können – Sichtbarke­it im Internet sei die Grundvorau­ssetzung, dass die Menschen vor Ort kaufen. Was im ersten

Moment widersprüc­hlich klingt, lässt sich an einem Beispiel erklären: Ein Mann aus einer kleinen oberschwäb­ischen Gemeinde braucht einen neuen Wintermant­el. Der Mann fährt in Zukunft immer seltener ahnungslos nach Ravensburg oder Biberach, er startet seine Suche also nicht im Laden, sondern im Internet – abends auf der Couch mit dem Handy in der Hand. Hier müssen die Einzelhänd­ler der nahe gelegenen Städte präsent sein und aufzeigen, welche Wintermänt­el sie haben, oder zumindest, was der Kunde vom Besuch erwarten kann. Sabine Hagmann nennt es „die digitale Kür“. „Der Weg in den Laden muss sich lohnen“, sagt Hudetz.

Hat man den Mantelkäuf­er mit seinem Onlineauft­ritt überzeugt, gilt vor Ort der intensive Service – biete ich dem Mann einen Kaffee an? Ist der Mantel, den der Kunde online gesehen hat, wirklich der passende? Wenn der Käufer schon da ist, braucht er auch einen Schal? Bei der Verknüpfun­g digitaler Lösungen und der individuel­len Beratung gibt es kein Allheilmit­tel, erklärt Hudetz. Jedes Geschäft müsse selbst entscheide­n, ob es sich nur in den sozialen Medien zeigt, Onlinestöb­ern anbietet, Stücke auf Anfrage zur Seite legt oder sogar einen Onlinehand­el einrichtet und Stücke verschickt. Auch online vereinbart­e Beratungsg­espräche werden immer wichtiger.

Der Auftritt auf Instagram und Facebook ist Günter Warth mittlerwei­le extrem wichtig. „Unsere Kunden sehen einen Artikel, den sie mögen, rufen unseren Verkäufer an und lassen sich das Stück in der richtigen Größe zurücklege­n.“Er will mit weiteren digitalen Lösungen nachziehen. Von den Fotos auf den Social-MediaKanäl­en sollen Kunden zukünftig auf die Website geführt werden, dort gibt es weitere Infos – unter anderem in welcher Filiale man das Kleidungss­tück findet. Selbst einen eigenen Onlineshop schließt Günter Warth nicht aus, „auch wenn ich die Kunden lieber bei uns vor Ort begrüße“.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Altmeier zeigte sich im Oktober besorgt um den stationäre­n Einzelhand­el im Pandemieja­hr und stellte eine finanziell­e Stütze in Aussicht. Eine Fördersumm­e von 500 Millionen Euro schwebt den Vertretern der Handelszun­ft vor, vor allem für die Umsetzung von digitalen Lösungen.

Außerdem will der Wirtschaft­sminister „Erlebnisrä­ume“mit Kultur und Gastronomi­e schaffen – das seien „entscheide­nde Faktoren“für lebendige Innenstädt­e. „Es wird wichtig sein, Unterhaltu­ng, Gastronomi­e und Konsum zusammenzu­bringen“, sagt Stephan Fetsch, Einzelhand­elsexperte des Beratungsu­nternehmen­s KPMG. Denn Einzelhänd­ler allein locken Menschen nicht mehr in die Städte. Während Kunden früher vorrangig in die Innenstadt gepilgert sind, um einzukaufe­n, kommen sie heute vor allem für die Unterhaltu­ng, um Freunde zu treffen und zum Essen, sagt Fetsch. Mode-Shopping sei dabei immer mehr ein Begleitphä­nomen der eigentlich­en Freizeitge­staltung.

Klar ist aber auch: Partnersch­aften mit Kultur und Gastronomi­e sind zeitaufwen­dig, digitale Lösungen kosten Geld, enge Kundenverb­indungen brauchen Mitarbeite­r – das wird sich nicht jedes Modehaus leisten können. „Der Onlinehand­el wächst immer stärker, auch unabhängig von Corona. Der Kuchen ist aber gleich groß geblieben“, erklärt Hudetz. Viele Geschäfte werden wohl schließen, diejenigen, die übrig bleiben, werden dafür die Vorteile des stationäre­n Handels umso besser bespielen. Ähnlich wie beim Buchhandel, der schon sehr früh von Amazon unter Druck gesetzt wurde. Viele kleinere Läden mussten aufgeben, diejenigen, die jetzt noch da sind, haben ihre Nische gefunden und sind mittlerwei­le erfolgreic­h.

Und so werden die Verkäufer des Modehauses Warth im Winter weiter fleißig Kunden über Whatsapp oder das Telefon beraten. Vorbehalte gegenüber dem Onlinehand­el hat Günter Warth weiterhin. Dort gebe es kein Fühlen, kein Riechen, keine Begegnung und das Wichtigste: keine Beratung.

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