Trossinger Zeitung

„Dancing Queen“mit Gold-Stimme

ABBA-Sängerin Anni-Frid Lyngstad wird 75 Jahre alt – Die Pop-Sängerin genießt das Leben in der Schweiz

- Von Steffen Trumpf

STOCKHOLM (dpa) - „My, my, at Waterloo Napoleon did surrender!“: Als zwei junge Schwedinne­n dem Publikum des Eurovision Song Contests 1974 diese Worte entgegensc­hmettern, beginnt damit eine internatio­nale Musikkarri­ere ungeahnten Ausmaßes. Anni-Frid Lyngstad und Agnetha Fältskog sichern der Musiknatio­n Schweden in diesem Moment gemeinsam mit ihren späteren Ehemännern Benny Andersson und Björn Ulvaeus nicht nur den ersten ESC-Sieg. ABBA – so ihr Bandname – macht sich zugleich in ein Jahrzehnt der Abbamania mit einem Pop-Welthit nach dem anderen auf. Immer mittendrin: Anni-Frid Lyngstad, von allen nur Frida genannt. Am Sonntag wird die Sängerin 75 Jahre alt.

Seit dem geschichts­trächtigen ESC-Auftritt im englischen Brighton ist inzwischen fast ein halbes Jahrhunder­t vergangen. Wenn man so will, dann ist die Zeitspanne zwischen dem faktischen ABBA-Ende 1982 und dem Corona-Jahr 2020 mittlerwei­le größer als die zwischen Lyngstads Geburt und besagtem Band-Ende.

Doch auch 38 Jahre danach bleibt ABBA mit schätzungs­weise mehr als 380 Millionen verkauften Tonträgern, einem eigenen Museum, Musical und noch viel mehr eine der erfolgreic­hsten Gruppen der Musikgesch­ichte. In ihrer Liga spielen sonst vielleicht nur noch die Beatles, die Rolling Stones und Metallica.

Dass Anni-Frid Lyngstad in dieser Liga mitspielen würde, das konnte keiner vorausahne­n – dass sie in der

Musik landen würde dagegen schon. Auf die Frage, wann sie denn zu singen begonnen habe, habe sie immer eine bestimmte Antwort parat gehabt, wird im ABBA-Museum in Stockholm erzählt: Niemals – sie habe schließlic­h immer gesungen. „Ich singe immer noch – zu Hause“, verriet sie 2014 in einem ihrer seltenen

Interviews in der skandinavi­schen Sendung „Skavlan“.

Das ABBA-Museum plant anlässlich von Fridas Ehrentag an diesem Samstag eine Konzertvor­stellung, in der ihr Lebensweg von der Schauspiel­erin und Sängerin Anna Bromee nacherzähl­t werden soll. Dieser nicht immer einfache Weg hat für

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Lyngstad am 15. November 1945 in einer Bergbausie­dlung nahe der Stadt Narvik im Norden Norwegens begonnen. Weil ihr Vater ein deutscher Wehrmachts­soldat gewesen ist, gilt sie als „Tyskerbarn“, als Deutschenk­ind, wie Besatzungs­kinder damals genannt wurden. Ihre Mutter Synni Lyngstad ist bei Fridas Geburt erst 19

Jahre alt und stirbt bereits 1947 an Nierenvers­agen – der erste Schicksals­schlag in Fridas noch jungem Leben.

Als kleines Mädchen zieht sie mit ihrer Großmutter nach Torshälla in Schweden, wo sie als Teenager auch die schwedisch­e Staatsbürg­erschaft erhält. Von ihrem deutschen Vater Alfred Haase glaubt sie damals, dass er tot ist – bis zum Jahr 1977: Damals führt ihre ABBA-Prominenz dazu, dass sie von der „Bravo“mit ihm zusammenge­bracht werden kann. „Sein Name ist Haase, er wußte von nichts“, titelt das Jugendmaga­zin damals. Ein nachhaltig­er Kontakt entsteht nicht. „Es wäre anders gewesen, wenn ich ein Kind gewesen wäre. Aber es ist schwierig, einen Vater zu bekommen, wenn du 32 Jahre alt bist“, sagte sie dazu einst.

Zu dem Zeitpunkt ist Frida längst weltberühm­t, tourt mit ABBA um den Globus und liefert einen Erfolgsson­g nach dem anderen. „SOS“, „Mamma Mia“, „Fernando“, „Dancing Queen“: Was ABBA anfasst, wird zu Gold. Millionen Menschen in aller Welt verfallen in ABBA-Hysterie, wollen Agnetha, Björn, Benny und Frida in ihren schrillen Outfits sehen. Unzählige Männer himmeln die blonde Agnetha und die brünette Frida an, wenn sie gemeinsam auf der Bühne stehen und im Takt wippen. 1982 ist (vorerst) Schluss damit. ABBA verkündet eine Band-„Pause“, die bis heute anhält – auf die 2018 angekündig­ten neuen Songs „I Still Have Faith In You“und „Don't Shut Me Down“warten Fans bislang vergebens. Was nicht heißt, dass Fridas Mezzosopra­n-Stimme seit dem Ende der großen ABBA-Zeit verstummt wäre: Sie veröffentl­ichte noch drei Solo-Alben – zwei auf Englisch, eines auf Schwedisch – und nahm unter anderem Duette mit Phil Collins und Roxette-Frontfrau Marie Fredriksso­n auf. 2018 war sie zuletzt auf Spanisch an der Seite des Trompeters Arturo Sandoval im alten Abba-Hit „Andante, Andante“zu hören.

Heute lebt sie fernab des trubeligen Musikgesch­äfts in der Schweiz. Dort ist sie auch nach dem Tod ihres dritten Ehemanns geblieben. Für die sehr naturverbu­ndene Frida, der die Umwelt seit Langem am Herzen liegt, ist die Alpenrepub­lik genau das Richtige. „Ich bin auch in den Bergen geboren“, sagte sie 2014 bei „Skavlan“. „Es ist, als würde sich der Kreis schließen. Ich bin zurück in der Natur, in der ich einmal geboren wurde. Es gefällt mir fantastisc­h gut in den Bergen.“

Zu Lyngstads Lebensgesc­hichte zählen auch viele Schicksals­schläge, darunter nicht nur die Trennung von Benny Andersson 1981 drei Jahre nach ihrer Hochzeit. Eines der beiden Kinder aus ihrer ersten Ehe mit dem schwedisch­en Musiker Rasmus Fredriksso­n, ihre Tochter Ann LiseLotte, kam mit 31 bei einem Autounfall ums Leben. 1999 starb ihr dritter Mann, der Deutsche Heinrich Ruzzo Prinz Reuß von Plauen, an Krebs.

Seit 2008 ist sie mit dem adeligen Briten Henry Smith zusammen. Das Paar lebt sehr zurückgezo­gen und genießt das Privatlebe­n, wie das Promiporta­l „Promipool“zu berichten weiß. Die frühere ABBA-Managerin Görel Hanser verrät nur so viel: Anni-Frid Lyngstad gehe es gut.

 ?? FOTO: CHRIS HOFFMANN/DPA ?? Anni-Frid Lyngstad von der schwedisch­en Popgruppe ABBA 1977 bei einem Konzert im Rahmen einer Deutschlan­d-Tournee. Erfolgsson­gs der Band waren etwa „SOS“, „Mamma Mia“, „Fernando“und „Dancing Queen“.
FOTO: CHRIS HOFFMANN/DPA Anni-Frid Lyngstad von der schwedisch­en Popgruppe ABBA 1977 bei einem Konzert im Rahmen einer Deutschlan­d-Tournee. Erfolgsson­gs der Band waren etwa „SOS“, „Mamma Mia“, „Fernando“und „Dancing Queen“.

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