In Schura lebten einst bei 600 Einwohnern 100 Flüchtlinge
Ortsvorsteher Wolfgang Schoch blickt zum Volkstrauertag auf die Situation des Trossinger Ortsteils in der NS-Diktatur
SCHURA (anma) - Zeitgleich zur Kranzniederlegung zum Volkstrauertag in Trossingen (wir berichteten), hat eine Gedenkstunde auf dem Friedhof in Schura stattgefunden. Ortsvorsteher Wolfgang Schoch hielt eine Rede, in der er auf die Situation Schuras in der NS-Diktatur einging. Die besondere Lage durch die Corona-Pandemie „soll und darf uns nicht daran hindern, an die Kriegstoten und Opfer von Gewaltherrschaft zu gedenken“, mahnte Schoch.
Der Volkstrauertag stehe im Zeichen des Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor 75 Jahren. Nach dieser langen Zeit sei es kaum mehr vorstellbar, dass einmal Demokratie und Gleichheit aller Bürger abgelehnt und Menschen ihrer Würde beraubt worden seien. Die Schrecken der Nationalsozialisten seien auch hier vor Ort Lebensrealität gewesen. Aus den Dokumentationen des ersten Nachkriegsbürgermeisters Trossingens, Hans Neipp, gehe hervor, dass die Stadt und ihre Umgebung von den damaligen Auswirkungen der Diktatur weit mehr betroffen gewesen sei, als allgemein bekannt.
Neipp habe mit Eugen Rosenfeld aus Tuttlingen und der Unterstützung
der französischen Besatzungsmacht Zahlen und Fakten zusammen getragen, „die einen heute noch fassungslos werden lassen“, so Schoch. „Unweit vor unserer eigenen Haustür“hätten zahlreiche Häftlinge einen gewaltsamen Tod erlitten: In den Konzentrationslagern von Spaichingen, Schörzingen und Schömberg seien in nur 15 Monaten 3564 KZHäftlinge zu Tode gekommen. Nur zehn Kilometer vom Friedhof Schura entfernt befinde sich hinter der Bahnlinie Stuttgart-Singen ein Massengrab mit Toten aus dem KZ-Lager Spaichingen. Aus der Dokumentation von Neipp gehe hervor, dass insgesamt „81 Menschen aus unserem Kreis, vom neunjährigen Mädchen bis zum 83-jährigen Greis“ermordet worden seien; Bürger aus Trossingen und Schura, mit denen „einige unserer Mütter und Väter sogar verwandt oder befreundet
Schoch.
Auch Flucht und Vertreibung ist ein Teil der deutschen Geschichte: Vor 75 Jahren seien 25 bis 34 Millionen Menschen dieses Landes auf der Flucht gewesen; jede Gemeinde nahm zahlreiche Flüchtlinge auf, die aus ihren Wohngebieten vertrieben wurden, so Schoch. In Schura seien dies bei 600 Einwohnern 100 Flüchtlinge gewesen - auf die heutige Einwohnerzahl umgerechnet, wären heute rund 340 Flüchtlinge unterzubringen.
Dies sei heute kaum vorstellbar, auch angesichts des langen Zustands von Frieden. Um zukünftige Katastrophen zu verhindern, sei es wichtig weiterhin zu gedenken, betonte Schoch zum Abschluss seiner Rede. „Die Zeit, wo es Zeugen des Krieges gibt, die naht sich dem Ende.“ waren“, sagte