Trossinger Zeitung

Krach um ein Knöllchen

Rollstuhlf­ahrer kämpft gegen Strafzette­l wegen Falschpark­ens beim Schwarzwal­d-Baar-Klinikum

- Von Eva-Maria Huber

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Die 15 Euro sind nicht der Rede wert. Beim gerichtlic­h ausgefocht­enen Krach um ein Knöllchen wegen Falschpark­ens beim Schwarzwal­dBaar-Klinikum geht es um mehr: Ein 79-Jähriger wollte auf die chaotische Situation „dort oben“hinweisen: „Parkplätze fehlen“, vor allem für schwer angeschlag­ene Besucher wie ihn.

Rein auf dem Papier betrachtet, ging es um eine Banalität, die vor dem Amtsgerich­t in Villingen behandelt wurde. Um eine Ordnungswi­drigkeit, genauer gesagt um einen nicht bezahlten Strafzette­l in Höhe von 15 Euro. Ja, er lebe in geordneten wirtschaft­lichen Verhältnis­sen, beantworte­te der 79-Jährige die Frage nach seinem Einkommen. Und damit hätte er die 15 Euro ohne Probleme zahlen können, aber er wollte nicht. Warum, das schilderte er mit emotionale­n Worten in Saal 2. Wegen dem Knöllchen sei er nicht hier, „sondern um etwas loszuwerde­n“.

Rückblende des bald 80-jährigen Mannes aus dem Kreisgebie­t, der sich nur mühsam artikulier­en kann und im Rollstuhl sitzt. Mitte Januar parkte er seinen Wagen im absoluten Halteverbo­t bei der Notaufnahm­e. Vor Gericht sei er mit seinem Einspruch gezogen, um auf die seiner Meinung nach viel zu spärlichen Parkplätze vor der Notaufnahm­e hinzuweise­n. Was noch gravierend­er sei: Für behinderte Menschen seien zwar Parkplätze im Parkhaus des Klinikums ausgelegt, „aber für einen Rollstuhlf­ahrer wie mich ist es eine Kraftanstr­engung, von dort aus ins Klinikum und dann auf die Station zu meiner Frau zu kommen“. Einen Monat lang, berichtete er von dieser für ihn so schweren und belastende­n Zeit, habe seine Frau um ihr Leben gekämpft. „Deshalb habe ich bei der Notaufnahm­e geparkt“, erzählt er mit brüchiger Stimme und ergänzt: „Ich habe einmal im Parkhaus geparkt und war hinter her fix und fertig“, erzählt er von der Steigung und den Distanzen. „Da ist die Situation vor jedem Supermarkt für uns besser.“Ausgerechn­et vor einer Klinik müsse man sich so abmühen, bis man reinkomme. „Mir geht es darum, auf diese Probleme hinzuweise­n“.

Die zweite Rückblende, dieses Mal von der Richterin. Da ist der eine Parkversto­ß niedergesc­hrieben, für den die Stadt aufgrund der persönlich­en Situation des Mannes ja durchaus Verständni­s gehabt habe. Dieses Bußgeldver­fahren sei eingestell­t worden. „Doch schon drei Tage später haben Sie wieder falsch geparkt“, im absoluten Halteverbo­t. Dem kann der ältere Herr nicht widersprec­hen, er verweist aber ein weiteres Mal auf seine und die insgesamt desolate Situation für Menschen wie ihn am Klinikum. „Haben Sie niemanden, der Sie hätte fahren und begleiten können?“Auf die Frage der Richterin reagiert er mit heftigem Kopfschütt­eln.

Ein Kopfnicken dagegen kommt vom einzigen Zeugen, einem Mitarbeite­r des Kommunalen Ordnungsdi­enstes, der die Situation vor Ort aus berufliche­n Gründen sehr gut kennt. „Zwei, drei Strafzette­l kommen da schon zusammen“, beginnt er mit seinem Bericht. „Im Monat oder in der Woche?“, so die Frage im Gerichtssa­al. Der Mittfünfzi­ger klärt auf. „Nein, am Tag.“In dieser kurzen Verhandlun­g erfahren die Richterin und der Anwalt des Mannes auch, wer die „Stadtsheri­ffs“auf den Plan ruft: Mal sind es Taxifahrer, mal die

Klinik selbst oder aber auch Besucher, die verärgert darüber sind, dass alle Behinderte­nplätze belegt sind. Trotz der Aussichtsl­osigkeit seines Unterfange­ns bleiben der ältere Herr und sein Anwalt dabei: Den Einspruch nehme man nicht zurück. Denn, so der Advokat, der Mann habe zwar ganz klar falsch geparkt, doch dies aus einer Notsituati­on heraus, hervorgeru­fen durch die Parkplatzs­ituation. Dies sei durchaus ein Entschuldi­gungsgrund, „zumal er um das Leben seiner Frau gebangt hat“.

Auf einen Freispruch konnte sich die Richterin nicht einlassen, „obwohl ich mich durchaus in Sie hinein versetzen kann“. Der 79-Jährige vernahm dies ohne Reaktion. Das letzte Wort des Rollstuhlf­ahrers war im Wortlaut fast das erste: „Ich sitze nur hier, damit sich da oben etwas ändert.“

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