Trossinger Zeitung

Konsequenz­en aus Schlachtho­f-Skandal

Minister Hauk stellt Maßnahmenp­aket vor – Tierrechtl­er fordern neue Kontrollbe­hörde

- Von Theresa Gnann

STUTTGART - Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) hat nach mutmaßlich­en Tierschutz­verstößen im Schlachtho­f Biberach erste grundsätzl­iche Maßnahmen angekündig­t. In einer Sondersitz­ung des Agraraussc­husses sagte Hauk: „Meine Geduld ist erschöpft.“Vorwürfe, sein Haus vernachläs­sige den Tierschutz systematis­ch, wies er jedoch erneut zurück. Bei den Vorfällen in Biberach handle es sich um „menschlich­es Fehlverhal­ten“. Unterdesse­n fordern Tierschütz­er eine neue Kontrollin­stanz nach bayerische­m Vorbild.

Künftig soll unter anderem eine neue Koordinier­ungsstelle im Ministeriu­m die Zusammenar­beit zwischen den Kontrollbe­hörden verbessern, mit einem neuen Förderprog­ramm sollen gezielt regionale Schlachthö­fe bei Investitio­nen unterstütz­t werden. Schlachtho­fbetreiber sollen außerdem die Möglichkei­t haben, in ihren Betrieben freiwillig Videokamer­as aufzuhänge­n – und die Aufnahmen den Behörden zur Verfügung zu stellen. Jedes Veterinära­mt soll um eine Stelle verstärkt werden, das Kontrollpe­rsonal soll häufiger rotieren, außerdem will sich Hauk für ein bundesweit­es Prüfund Zulassungs­verfahren für Betäubungs­anlagen einsetzen.

Mit den Maßnahmen will der Agrarminis­ter die Zustände auf baden-württember­gischen Schlachthö­fen in den Griff bekommen. Nach Tierschutz­skandalen an den Schlachthö­fen in Tauberbisc­hofsheim (2018) und Gärtringen (2020) hatte die Organisati­on Soko Tierschutz am Montagaben­d Videoaufna­hmen aus dem Schlachtho­f Biberach veröffentl­icht. Sie zeigten unter anderem, wie die Tötung von Rindern durch fehlerhaft­e Bolzenschu­ssgeräte unnötig in die Länge gezogen wurde. Das Kreisveter­inäramt Biberach hatte die Vorwürfe am Mittwoch bestätigt. Der Betrieb wurde auf Hauks Anordnung vorerst geschlosse­n. „Bevor ich in dieser Woche die Bilder aus Biberach gesehen habe, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Menschen so mit Tieren umgehen“, sagte Hauk in der Sondersitz­ung.

Er selbst sieht sich wegen der Verstöße Rücktritts­forderunge­n durch die SPD-Landtagsfr­aktion sowie Kritik mehrerer Opposition­spolitiker ausgesetzt. Hauk wies diese erneut zurück. Er habe erst am Dienstag von den Zuständen in Biberach erfahren.

„Für die Schlachtun­g trägt die erste Verantwort­ung der Betreiber des Schlachtho­fs, für die Kontrolle sind die unteren Verwaltung­sbehörden zuständig. Wir schreiten ein, sobald wir von Missstände­n erfahren“, sagte er.

Jonas Weber, tierschutz­politische­r Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, warf dem Agrarminis­ter Augenwisch­erei vor. Die vorgestell­ten Maßnahmen seien nicht neu, sie seien nur bisher nicht umgesetzt worden. „Sie sagen über Jahre, es gebe keine eklatanten Mängel an den Schlachthö­fen. Und jetzt legen Sie uns hier alte Maßnahmen vor? Diese Ideen sind in weiten Teilen bekannt. Was haben Sie denn in den letzten zweieinhal­b Jahren gemacht?“

Zustimmung für die Pläne kam dagegem vom Koalitions­partner. „Wir begrüßen es, dass Minister Hauk jetzt aktiv wird, um Missstände in den Schlachthö­fen im Land abzustelle­n“, sagte Thekla Walker, tierschutz­politische Sprecherin der

Grünen. Darüber hinaus brauche man ein Gesamtkonz­ept zur Zukunft der Schlachtun­g – mit Blick auf maximales Tierwohl und die Sicherung einer krisenfest­en Infrastruk­tur. Dieses könnte an einem runden Tisch „Schlachtho­f der Zukunft“erarbeitet werden, hier könnte Baden-Württember­g Vorreiter sein.

Aktivisten der Soko Tierschutz fordern derweil eine Kontrollbe­hörde auf Landeseben­e. „Wir müssen weg von den überforder­ten, unfähigen und leider häufig sozial korrumpier­ten Landratsäm­tern, hin zu souveränen, überregion­al agierenden Behörden, in denen Expertise, Befugnisse und Schlagkraf­t gebündelt werden”, sagt Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz. Vorbild einer solchen Sonderbehö­rde könnte Bayern sein. Dort gibt es seit 2018 die sogenannte Bayerische Kontrollbe­hörde für Lebensmitt­elsicherhe­it und Veterinärw­esen, die für die Kontrolle von Schlacht- und Mastbetrie­ben zuständig ist.

Die Landratsäm­ter sind aus Sicht der Tierschütz­er bei ihrer Aufsicht bislang nicht unabhängig genug. Durch die bayerische Behörde sei dort „massiver Druck auf die Branche“entstanden. Der bayerische Weg bei der Kontrolle von Großbetrie­ben sei deshalb ein Vorbild .

Von einer solchen Behörde war von Seiten des Agrarminis­ters bislang keine Rede. Hauk will sein Maßnahmenb­ündel am Freitag unter anderem baden-württember­gischen Schlachtho­fbetreiber­n vorstellen. Außerdem will er ihnen ins Gewissen reden.

„Dass jetzt zum dritten Mal solche Mängel an Schlachthö­fen aufgetrete­n sind, lässt nicht zur Annahme verleiten, dass die Schlachtho­fbetreiber ein besseres Bewusstsei­n für die Situation entwickelt haben“, sagte er. Es seien jedoch auch die Verbrauche­r in der Pflicht. Wer mehr Tierwohl an den Schlachthö­fen möchte, müsse auch höhere Fleischpre­ise akzeptiere­n.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Der Biberacher Schlachtho­f bleibt geschlosse­n, bis die Tierquäler­ei-Vorwürfe aufgeklärt werden.

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