Abermillionen für den Impfstoff
Wie sich das Tübinger Unternehmen Curevac das notwendige Kapital für die Erforschung des Corona-Vakzins besorgt hat
TÜBINGEN - Die ganze Welt blickt derzeit auf die Unternehmen, die an einem Impfstoff gegen das Coronavirus arbeiten. Mit Biontech aus Mainz und Curevac aus Tübingen gibt es auch zwei deutsche aussichtsreiche Kandidaten. Doch bei aller Aufmerksamkeit braucht die Forschung an einem Corona-Impfstoff vor allem eines: sehr viel Geld. „Wir stehen natürlich unter Druck“, sagt Pierre Kemula, Finanzchef von Curevac, bei einem Vortrag an der Universität Tübingen. „Denn wir müssen jetzt abliefern, was wir versprechen.“
Für das Rennen um den Impfstoff benötigt das Tübinger Unternehmen laufend mehr Personal und Produktionskapazitäten. Entsprechend umtriebig sucht Curevac nach Finanzierungsquellen. Mehr als 800 Millionen
Euro Kapital hat der Biopharmaspezialist bislang eingeworben. Curevac nutzt für seine Medikamente und Impfstoffe das Botenmolekül mRNA – eine völlig neue Technologie. Mit Fortschritten auf diesem Gebiet sei die Firma in der Pandemie sichtbar geworden und das habe Investoren angelockt, erklärt Kemula.
Aber: Vor Corona war noch nie ein Medikament oder Impfstoff auf Basis dieser Methode zugelassen. Entsprechend wenig verdiente Curevac in der Vergangenheit: Im vergangenen Jahr verbuchte das Unternehmen einen Verlust von knapp 100 Millionen Euro bei rund 17,5 Millionen Euro Umsatz. Deshalb war und ist Curevac auf das Geld von Investoren angewiesen. Das Unternehmen, das 2000 als Ausgründung aus der Tübinger Universität entstand, wurde in seiner Anfangszeit zu großen Teilen vom SAP-Mitgründer Dietmar Hopp finanziert. „Ohne Herr Hopp gäbe es unsere Innovationen heute nicht“, sagt Kemula. Der Milliardär Hopp hält auch derzeit noch gut 49 Prozent an Curevac.
Nach Hopp war 2015 ein weiterer schillernder Investor bei der Tübinger
Firma eingestiegen: Bill Gates. Sowohl Hopp als auch Gates sind laut Kemula Aktionäre, die ihr Geld auf lange Sicht in die Technologie stecken, ohne eine schnelle Rendite zu erwarten. „Genau das brauchen wir in der Biotechnologie. Denn wir benötigen für unsere Arbeit eine Menge Geld im Voraus – und hoffen dann, dass unser Produkt am Ende funktioniert“, erläuterte der Finanzchef.
Zu Curevacs Investoren zählen mittlerweile auch der britische Pharmariese GlaxoSmithKline, das Emirat Katar – und die Bundesrepublik Deutschland: Mitte Juni erwarb der Bund für 300 Millionen Euro rund 23 Prozent an dem Unternehmen. Eine Finanzspritze, die Kemula als „Kickstart“bezeichnet. Dadurch hätten andere Investoren gesehen, dass die Firma finanziell gut dasteht – und wollten daraufhin selbst einsteigen.
Ein Meilenstein in puncto Finanzen war für Curevac der aufsehenerregende Börsengang im August dieses Jahres. Schon an seinem ersten Handelstag auf der Technologiebörse Nasdaq schoss die Aktie des Unternehmens um rund 250 Prozent nach oben – und nahm durch die Platzierung mehr als 200 Millionen Dollar ein. „Unsere Aktie war am Ende elf Mal mehr wert, als wir dachten“, sagt Finanzchef Kemula.
Um sein Versprechen vom Corona-Impfstoff einzuhalten, muss Curevac nun weiter wachsen. Rund 2000 Bewerbungen im Monat bekommt die Firma aktuell zugeschickt. Und trotzdem ist der Finanzchef der Ansicht: „Wir haben mehr Arbeit, als wir überhaupt wachsen können.“Heute beschäftigt die Tübinger Firma etwa 500 Menschen – eine Zahl, die sich laut Kemula bald verdoppeln wird.