Schießen und räuchern
Alte Weihnachtstraditionen im Alpenraum
Zur Vorweihnachtszeit liegt eine ganz besondere Atmosphäre in der Luft: Wohnräume werden geschmückt, Plätzchenduft erfüllt das Haus, Kerzenschein beleuchtet die Fenster. In den letzten Wochen des Jahres nimmt man sich mehr Zeit für die Familie und lässt gemeinsam lieb gewonnene Traditionen aufleben. Die Adventsbräuche im Alpenraum sind meist christlichen Ursprungs und finden in abgewandelter Form noch heute großen Anklang. Drei Beispiele:
Berchtesgadener Land
Lautes Knallen zur staden Zeit? Das ist eine einzigartige Tradition im oberbayerischen Berchtesgaden. Denn im Advent versammeln sich dort die Weihnachtsschützen. Mit ihren großkalibrigen Handböllern geben sie Schüsse, Schnellfeuer und Salven ab, die dumpf durch den gesamten Talkessel hallen. Der jahrhundertealte Brauch geht zurück auf eine Zeit, in der die Menschen im Berchtesgadener Land mit Kettengerassel, Glockenläuten und Lärm den Wintere vertreiben wollten. Was man zunächst als heidnischen Aberglauben abtat oder gar verbot, wurde letztlich christlich. Und so beginnt alljährlich eine Woche vor Heiligabend, am 17. Dezember um 15 Uhr, das Berchtesgadener Christkindl-Anschießen. Begleitet werden die Weihnachtsschützen von den Kirchenglocken im Ort. Das besondere Konzert wiederholt sich täglich zur gleichen Uhrzeit, Höhepunkt ist dann am 24. Dezember die letzte halbe Stunde vor der mitternächtlichen Christmette.
Lago Maggiore
Zur Adventszeit bringen viele Tessiner Dörfer traditionell die Weihnachtsgeschichte auf ihre Straßen und Gassen. Dem Brauch der Krippenausstellungen folgen auch die Anwohner von Vira Gambarogno am Ufer des Lago Maggiore, gegenüber von Locarno. Nicht nur ansässige Künstler, auch Privatpersonen, sogar Kinder basteln Figuren und liefern sich einen kreativen Wettstreit, während sie ihre Gemeinde in eine Galerie unter freiem Himmel verwandeln. Wie aus der Zeit gefallen wirken die detailverliebten Darstellungen auf kleinen Plätzen, unter Arkaden, in Eingängen oder Mauernischen der dickwandigen Häuser.
Tiroler Lechtal
Während das Räuchern früher in weiten Teilen Tirols üblich war, wird die jahrhundertealte Tradition inzwischen nur noch in wenigen Gebieten ausgeübt. Grund für das Räuchern war ursprünglich der Aberglaube der Menschen, denn demnach sollte zur Zeit der Raunächte das Tor zur „Anderswelt“besonders weit offen stehen für finstere Mächte und Dämonen. Im Tiroler Lechtal heißt es in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember zum ersten Mal „Racha geha“und Haus sowie Hof von negativen Energien befreien. Dabei werden Kräuter vom Frauenbuschen, der am 15. August zu Mariä Himmelfahrt geweiht wurde, auf ein Stövchen gegeben und die Kerze darunter angezündet. „Die Familie geht damit gegen den Uhrzeigersinn Raum für Raum durchs ganze Haus“, erklärt Daniela Pfefferkorn den Ablauf. Sie ist eine von zwei Dutzend Kräuterhexen aus der Region mit zertifizierter Ausbildung. „Es darf kein Familienmitglied fehlen, das würde Unglück bringen.“Das Ritual wird jeweils in der Nacht vor Silvester und dem Dreikönigstag wiederholt. So starten die Hausbewohner ins neue Jahr. (sz)