Umbrüche in der Medizintechnik-Branche
Neue Studie zeigt: Wettbewerb verschärft sich, kleinere Unternehmen sind bedroht
TUTTLINGEN (pm) - Die CoronaKrise wirkt sich nicht nur auf die aktuelle Umsatzentwicklung der deutschen Medizintechnikindustrie aus, die in diesem Jahr laut einer Umfrage der Medical Mountains GmbH und des Industrieverbands Spectaris um rund vier Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen wird. Das gibt Medical Mountains in einer Pressemitteilung bekannt. Vielmehr erwarten Experten auch mittel- bis langfristig fundamentale Markt- und Wettbewerbsveränderungen, die Chancen und Herausforderungen gleichermaßen mit sich bringen.
Das zeigt der neue Trendreport „Wie SARS-CoV-2 die Medizintechnikbranche verändert“des Deutschen Industrieverbandes Spectaris und dem Beratungsunternehmen Roland Berger, der in Kooperation mit der Medical Mountains GmbH anlässlich der Leitmesse virtual.Medica veröffentlicht wurde.
Die Ergebnisse basieren auf Expertengesprächen sowie einer Umfrage unter rund 500 Unternehmen. Sie verdeutlichen, dass nur die Firmen, die bereits jetzt die richtigen Weichen stellen, zu den „Eroberern“zählen werden, denen es durch digitale Exzellenz gelingt, neue Märkte und Kundenkontakte zu erschließen – während der Krise und danach. Vielen kleineren Unternehmen, die von den Auswirkungen der Pandemie bereits heute stärker betroffen sind, droht angesichts des hohen Preisdrucks und Regulierungsaufwands sowie einer zunehmenden Marktkonsolidierung das Aus.
„Die Digitalisierung, die in den vergangenen Jahren nur zögerlich vorangekommen ist, hat rasant an Fahrt gewonnen. Das zeigt sich beispielsweise an der steigenden Akzeptanz
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von Telemedizin und digitalen ambulanten Versorgungskonzepten sowie an der beschleunigten Prozessdigitalisierung in der Medizintechnik und im Krankenhaus“, erklärt Thilo Kaltenbach, Senior Partner von Roland Berger. „Corona hat tiefe Spuren hinterlassen und das Bewusstsein dafür geschärft, wie wichtig tragfähige Notfallpläne und stabile Lieferketten sind. Auch hier spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle“, so Kaltenbach weiter. In der Studie stimmten jeweils mehr als sieben von zehn Befragten der Aussage zu, dass die Bereiche Telemedizin, Automatisierung und präventive Diagnostik sowie digitale Anwendungen, etwa Warn-Apps oder Tools zur digitalen Nachverfolgung, weiter an Bedeutung gewinnen und zu den Technologiegewinnern der Pandemie gehören werden.
Jörg Mayer, Geschäftsführer von Spectaris, ist überzeugt: „Die Krise hat einen Prozess in Gang gesetzt, der unumkehrbar ist. Digitale Arbeitsmodelle sowie Vertriebs-, Serviceund Ausstellungskonzepte nehmen inzwischen einen sehr hohen Stellenwert in der Strategie vieler Unternehmen ein und werden auch nach Corona mindestens gleichberechtigt neben klassischen Arbeitsweisen und persönlichen Kundenkontakten stehen.“
Die Medizintechnik könnte dabei im „War for talents“von ihrem Image als systemrelevante Branche mit hohem gesellschaftlichen Stellenwert profitieren und so den Zugang zu Ingenieuren und digitalen Experten verbessern. Gleichzeitig lässt der Personalmangel in der Krankenversorgung und Pflege den Bedarf an geeigneten Lösungen in unterstützenden Prozessen weiter anwachsen.
Mehr als 80 Prozent der für die Studie Befragten gehen außerdem davon aus, dass sich das Tempo der Marktkonsolidierung durch Corona beschleunigt hat. Sie erwarten, dass die Entwicklung vor allem zu Lasten kleinerer Unternehmen verläuft. Diese sind schon im Vorfeld durch das geplante Inkrafttreten der neuen europäischen Medizinprodukte-Verordnung (MDR) stark unter Druck geraten, weil hohe Investitionen notwendig waren, um sich auf die neuen Zulassungsprozesse vorzubereiten. Viele Rücklagen sind nun aufgebraucht. Erschwerend komme hinzu, dass die budgetären Engpässe im Gesundheitswesen auch in den kommenden Jahren bestehen bleiben und eine entsprechende restriktive Erstattungspolitik nach sich ziehen werden, so die Mitteilung.