Trossinger Zeitung

„Ich hatte ständig das Gefühl, als würde ich ertrinken“

Ein 44-Jähriger ist nach einer schweren Covid-19-Erkrankung wieder genesen – Gut geht es ihm noch nicht

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TUTTLINGEN - Er ist fünf Wochen mit Corona im Klinikum gelegen, davon zwei auf der Intensivst­ation. Und noch immer fühlt sich Erhard Sutschek noch nicht ganz gesund. Obwohl ein Großteil der Infizierte­n einen milden Krankheits­verlauf haben, hat es den 44-Jährigen schwer erwischt – auch aufgrund seiner Vorerkrank­ungen. Im Interview mit Redakteuri­n Lisa Klebaum erzählt er, wie es ihm jetzt geht und wie sich seine Sicht auf das Virus verändert hat.

Herr Sutschek, mit welchem Gefühl haben Sie das Klinikum verlassen?

Gut geht es mir noch nicht, aber ich bin trotzdem sehr erleichter­t, dass ich gehen durfte. Fünf Wochen Quarantäne schlagen nämlich aufs Gemüt.

Wo haben Sie sich angesteckt und was ist danach passiert?

Ich war auf einen Geburtstag im Familienkr­eis eingeladen. Das war am 12. Oktober. Dort war auch eine Person, die das Virus hatte, es aber nicht wusste. Allerdings hatten wir keinen richtigen Kontakt mit ihr – als wir gekommen sind, ist sie gerade gegangen. Wir haben uns nicht einmal die Hand geschüttel­t, es war ein kurzes „Hallo“. Mehr nicht. Und trotzdem war nach dem Fest jede Person, die dort war, infiziert. Ich hätte nicht gedacht, dass das Virus so ansteckend ist. Zum Glück haben viele einen milden Verlauf und sind nach einigen Tagen wieder auf dem Damm.

Wie ging es nach der Infektion weiter?

Mir ging es nach der Feier noch einige Tage gut. Am 21. Oktober bin ich morgens noch ganz normal zur Arbeit gegangen. Mittags hatte ich dann erste Symptome. Ich bekam Fieber, hatte Gliedersch­merzen und Schüttelfr­ost. Innerhalb von zwei Stunden verschlech­terte sich mein Gesundheit­szustand. Nach zwei Tagen haben die Schmerzen wieder ein wenig nachgelass­en, das Fieber ist allerdings geblieben. Ich habe mich dann testen lassen, weil ich auch Sorge um meine Mitarbeite­r hatte. Ich bin selbststän­diger Versicheru­ngskaufman­n und arbeite mit 15 Mitarbeite­rn zusammen. Leider war es aber schon zu spät, weil sich drei im Team bereits angesteckt hatten.

Wann war dann der Zeitpunkt gekommen, an dem Sie wussten, jetzt müssen Sie ins Krankenhau­s? Naja, zu Beginn dachte ich, ich hätte eben eine Grippe. Aber irgendwann habe ich keine Luft mehr bekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich Panik. Meine Frau hat dann den Krankenwag­en gerufen. Dort haben mir die Sanitäter sofort Sauerstoff gegeben. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt immer noch hohes Fieber und konnte nicht mehr richtig denken. Im Krankenhau­s angekommen, hat man dann ein CT von der Lunge gemacht und festgestel­lt, dass diese stark befallen ist. Ich habe für alles Sauerstoff gebraucht, auch um normal zu essen oder zu trinken. Das hat mir wirklich Angst gemacht. Ich hatte ständig das Gefühl, als würde ich ertrinken.

Bis zum 6. November wurden Sie beatmet. Wann ging es bei Ihnen wieder bergauf?

Ich lag zwei Wochen auf der Intensivst­ation. In der ersten Woche habe ich nicht viel mitbekomme­n. Auf der Intensivst­ation kann man sich nicht richtig erholen. Denn dort ist es zu jeder Tages- oder Nachtzeit immer gleich hell. Die Monitore piepsen, die Perfusoren piepsen. Deshalb war ich wirklich froh, als ich wieder auf die normale Station konnte. Und ab da ging es dann auch langsam wieder aufwärts.

Und dort ist dann auch ihr Optimismus wieder zurück gekehrt? Ich bin nach wie vor noch ziemlich schwach. ich habe zwar im Zimmer immer wieder ein bisschen trainiert, aber viel konnte ich nicht machen, weil ich zu wenig Luft bekommen habe. Es war und ist auch immer noch alles mit einem großen Kraftaufwa­nd verbunden. In der ersten zeit konnte ich nicht alleine duschen, das klappt mittlerwei­le wieder – wenn es auch anstrengen­d ist. Ich habe in meinem Leben immer viel gearbeitet und Sport kam immer ein bisschen zu kurz. Das merke ich jetzt besonders.

Wie hat sich denn Ihre Sicht auf das Virus durch die Erkrankung geändert?

Ich habe Corona nie geleugnet. Ich wusste nur nicht, dass es so ansteckend ist. Und dass der Krankheits­verlauf so schlimm sein kann. Ich wünsche jedem, der das Virus bekommt, einen milden Verlauf.

Was hat Ihre Erkrankung bei Ihrer Familie und den Freunden ausgelöst?

Meine Familie ist komplett positiv getestet worden. Mein Freundeskr­eis war überrascht, dass es mich so erwischt hat. Mich hat vorher eben keiner zur Risikogrup­pe gezählt.

Jetzt müssen Sie noch die zwei negativen PCR-Tests abwarten, dann geht es in die Reha. Wie starten Sie wieder in den Alltag?

Genau. Ich versuche jetzt erst einmal fitter zu werden. Ich möchte zu Beginn anfangen, im Hof spazieren zu gehen. Solange eben meine Kräfte reichen. Ich versuche mich ein bisschen auf die Reha vorzuberei­ten. Die möchte ich auf jeden Fall machen, denn ich glaube, alleine ist es nicht zu schaffen, den normalen körperlich­en Zustand wieder herzustell­en.

Und wie geht es im Anschluss daran weiter?

Im Büro ist alles geregelt, dieses Jahr werde ich wohl nicht mehr arbeiten. Ich habe mir auch schon Sportkleid­ung gekauft, denn ich will jetzt anfangen zu joggen. Meine Physiother­apeutin unterstütz­t mich dabei.

Wie groß ist ihr Ärger gegenüber denen, die die Maskenpfli­cht nicht einhalten oder die Existenz des Virus leugnen und eine Aufhebung

der Maßnahmen fordern?

Für mich ist es mittlerwei­le unverständ­lich, dass man keine Maske trägt. Um ehrlich zu sein, habe ich das vor meiner Erkrankung sicher auch ein bisschen anders gesehen. Aber nach dieser Erfahrung, habe ich einen anderen Blick auf das Virus. Ich wünsche es keinem. Und wer es bekommt, dem wünsche ich einen milden Verlauf. Ich kann nur sagen: tragt die Masken und wenn ihr es nicht für euch tut, dann für eure Mitmensche­n.

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Erhard Sutschek

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