Legende mit Schatten
Zum 85. Geburtstag des Regisseurs Woody Allen
NEW YORK (dpa) - Fast jedes Jahr ein neuer Film: Seit Jahrzehnten liefert Woody Allen seinen Fans verlässlich Material, schreibt Drehbücher, führt Regie und steht oft auch selbst vor der Kamera. Mit Meisterwerken wie „Der Stadtneurotiker“, „Manhattan“, „Hannah und ihre Schwestern“, „Vicky Cristina Barcelona“oder „Blue Jasmine“und zahlreichen Auszeichnungen hat er sich längst Legendenstatus erarbeitet – und Allen, der am Dienstag (1. Dezember) 85 Jahre alt wird, macht scheinbar unbeirrbar weiter. Die Angst vor einer Schreibblockade oder einem Mangel an Ideen sei „die einzige, die ich nicht habe“, sagte er einmal.
Doch Allens Erfolg wird seit Jahrzehnten überschattet von Missbrauchsvorwürfen seiner Adoptivtochter. Im Zuge der „MeToo“-Bewegung gegen sexuelle Belästigung kochten diese erneut hoch – und machen Allen in seiner Branche mehr und mehr zur Randfigur, von der sich viele Hollywood-Stars abgewendet haben.
Der Regisseur, der zuletzt 2019 die romantische Komödie „A Rainy Day in New York“veröffentlichte, hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen – und auch jegliches Interesse an seinem öffentlichen Image verneint. „Was auch immer geschieht, ich lebe in einer Art Blase“, schrieb Allen gerade erst in einer im Frühjahr trotz scharfer Proteste veröffentlichten Autobiografie. „Ich lese schon seit Jahren nicht mehr, was so über mich geschrieben wird, am Lob anderer oder an ihrer Analyse meiner Arbeit habe ich keinerlei Interesse.“
Auch das Interesse Allens an der Zukunft seiner Branche, die sich immer mehr in Richtung Streaming orientiert, scheint gering. Er habe noch nie einen Computer benutzt, sagt der Regisseur. Streaming sei nicht seine Sache. „Das ganze Phänomen, mit Menschen in einer Schlange zu stehen und sie zu beobachten, und in einem großen, dunklen Raum mit einer großen Leinwand zu sein – das ist ein großartiges Erlebnis. Und jetzt sehe ich, wie meine Töchter mit einem Laptop im Bett sitzen und sich etwas ansehen. Das ist nicht dasselbe“, so Allen. Ein Deal mit der Filmproduktionssparte von Amazon platzte. „Für mich ist der langsame Zerfall der Kinos eine schreckliche und traurige Sache.“
Geboren als Allan Stewart Konigsberg in eine jüdische Familie im New Yorker Stadtteil Brooklyn hinein, sei er schon als Kind ein „ängstliches, nervöses, emotionales Wrack“und eine „Spaßbremse auf jeder Party“gewesen, sagt der Regisseur. Am liebsten schwänzte er die Schule, haute nach Manhattan ab und schaute sich stundenlang Kinovorstellungen und Mädchen an. Als Comedian und Witze-Schreiber schaffte der Mann mit der markanten schwarzen Brille den Sprung in die Entertainment-Branche, Die 70er-Jahre machten ihn zum Star, mit Filmen wie „Der Stadtneurotiker“und „Manhattan“. 1978 gewinnt er seine ersten beiden Oscars, zwei weitere und rund 20 weitere Nominierungen folgen.
New York ist Allen bis heute treu geblieben. Der Regisseur lebt in einem Townhaus auf der noblen Upper East Side, wo man ihn hin und wieder noch über die Park Avenue schlendern sieht – und wo er vor der Corona-Pandemie auch noch regelmäßig in der Bar des Carlyle-Hotels Klarinette spielte.
Das Privatleben des Regisseurs bringt ihn immer wieder in die Schlagzeilen. Zwei frühe Ehen scheiterten nach nur wenigen Jahren. Danach folgen Beziehungen mit der Schauspielerin Diane Keaton, die auch in vielen Filmen an Allens Seite ist, und der Schauspielerin Mia Farrow – die wohl folgenreichste Verbindung in Allens Leben. Die Beziehung der beiden hält rund zwölf Jahre, verändert das Leben des Regisseurs aber für immer. Der in der Ehe geborene Sohn Satchel, heute Ronan Farrow, hat erst jüngst wieder die Vorwürfe wiederholt, dass Allen seine Schwester Dylan als Kind missbraucht habe. Der Regisseur hat die Missbrauchsvorwürfe immer bestritten, ein Gericht gab ihm schon vor Jahrzehnten weitgehend recht. Adoptivtochter Dylan hat immer dagegengehalten.