Gel soll Bäumen helfen
VS startet Pilotprojekt gegen zunehmende Trockenheit
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Tobias Kühn steht vor einer etwa ein Hektar großen Fläche, die einer der großen 2020-Stürme durcheinandergewirbelt hat. Am Rande des Terrains nahe des Wildgeheges Salvest steht ein großer Container. Villingen-Schwenningen hat ein Projekt gestartet, dass Bäumen in trockenen Phasen helfen soll.
Nicht nur Sarah Löffler, die beim Forstamt in VS ein Praxissemester absolviert und über das Pilotprojekt voraussichtlich ihre Bachelor-Arbeit schreiben wird, überzeugt das Konzept, auch Kühn verspricht sich viel vom Einsatz des Hydrogels, dessen Rohstoff die Forstbehörde in drei Säcken zu 20 Kilogramm geordert hat. Kühn und Löffler schauen in den Behälter hinein, der im Gewann Lengmoos steht. Mittlerweile ist das Pulver mit einem Kubikmeter Wasser zu 1000 Litern Gel geworden, Hydrogel, um exakt zu sein.
Die letzte Hoffnung für einen Boden, der nach drei Folgejahren mit geringem Niederschlag in der Vegetationsphase im Frühling zu kämpfen hat? „Trockene Jahre“, erläutert Kühn habe es immer gegeben, aber „drei hintereinander folgende Jahre, das ist neu“. Bislang, rechnet er vor, habe es 700 Liter Niederschlag pro Quadratmeter in diesem Jahr gegeben, „auf 900 Liter sollten wir schon noch kommen“. Kühn erinnert sich an jene Fläche, in der die Bäume vor Monaten wie bei einem überdimensionierten Mikadospiel wild durcheinander lagen. Mittlerweile leergeräumt, wird das Areal nun zu einem Versuchsfeld für Eichen. Ein Teil der insgesamt 3000 zarten Pflänzchen des später so stattlichen Baumes wurden bereits in den viel zu trockenen Boden gebracht. Bevor die Minipflanzen gesetzt wurden, stand man vor drei Möglichkeiten. „Wir hätten achselzuckend hinnehmen können, dass uns viele oder sogar alle Jungbäume eingehen“, so der Leiter des städtischen Forstamtes, wenn das Frühjahr 2021 so trocken werde wie dieses Jahr. Die zweite Option wäre gewesen, die Pflanzen zu gießen, dies sei jedoch aufgrund des viel zu großen Aufwandes nicht umsetzbar. Bleibt die letzte Möglichkeit, der Einsatz von Hydrogel. Über das Gel, so der Forstwirt, können „Unmengen von Wasser“gebunden werden. Eine gute Alternative stellt das Gel auch deshalb dar, weil keine schädlichen Abbauprodukte wie Monomere entstehen. Bis zum Frühling sollen drei 20 Kilogramm schwere Säcke mit Basispulver verarbeitet und rund 3000 Liter Hydrogel in jene Löcher gegossen sein, in die die Eichenpflanzen hineinkommen. Etwa die Hälfte der Jungpflänzchen soll mit der stark Wasser bindenden zähflüssigen Masse versorgt werden, parallel dazu gibt es Flächen ohne Behandlung. „Dann sehen wir um so besser den Unterschied.“Zehn Jahre bleibt das Gel im Boden, das nicht nur für mehr Feuchtigkeit sorgen soll, sondern auch für zusätzliche Nährstoffe. Denn das Hydrogel wirkt nicht nur wie ein Schwamm, sondern soll auch wie ein Magnet wirken, der Magnesium und Calcium aus dem umliegenden Boden in den Wurzelbereich zieht. Ob der Effekt tatsächlich eintritt, dazu laufen Forschungsarbeiten der Hochschule Rottenburg.