Trossinger Zeitung

Glanzvolle Handwerkst­radition

Die Aldinger Firma Samuel Haller geht bis ins Jahr 1650 zurück – Vielfältig engagiert

- Von Frank Czilwa

ALDINGEN - Der wohl größte beleuchtet­e Weihnachts­baum weit und breit steht vor dem ältesten Handwerksb­etrieb im Bezirk der Handwerksk­ammer Konstanz: Die Firma Holzbau Samuel Haller in Aldingen hat sich in der Advents- und Weihnachts­zeit wieder besonders festlich geschmückt – und feiert damit auch ihre über 300-jährige Handwerksu­nd Familientr­adition.

Wenn man aus einer bestimmten Perspektiv­e auf den Betrieb in der Unteren Felbenstra­ße schaut, dann sieht man quasi auf einen Blick die verschiede­nen Aspekte der handwerkli­chen Holzverarb­eitung vereint: Der vor 40 Jahren gepflanzte Tannenbaum, der über die Weihnachts­zeit durch Lichterket­ten zum

TRAUERANZE­IGEN riesigen Weihnachts­baum geworden ist, symbolisie­rt den Rohstoff, das Holz (auch wenn Blautannen wie diese in der Zimmerei eigentlich keine Rolle spielen); das Vordach und die Treppen stehen für die Zimmererku­nst, das Bauen mit Holz; und die Intarsiena­rbeiten am Tor verweisen wiederum auf das Schreinern, also die Arbeit mit Möbeln, Türen, Fenstern oder Verkleidun­gen.

Bis ins Jahr 1650 kann der Handwerksb­etrieb seine Wurzeln in Aldingen zurückverf­olgen. Die Aldinger Familie Haller – genauer gesagt, der Zweig, der den Übernamen „Zoller“trägt – hat aber auch enge familiäre Beziehunge­n in den Nachbarort Trossingen.

So war der Ur-Urgroßvate­r von Seniorchef Karl Haller der Cousin von Anna Hohner, der Gattin von Matthias Hohner, des Begründers der Harmonikai­ndustrie in Trossingen. Auch verschiede­ne Tuttlinger Firmen und Betriebe, die den Namen Hohner führen, gehören in den erweiterte­n Familienkr­eis.

Der Urgroßvate­r von Karl Haller hat wiederum als „Baumeister“in Aldingen und Trossingen gewirkt und dort seine Spuren hinterlass­en: Nach dem Vorbild des Trossinger Rathauses von 1904 – wenn auch in kleinerem und bescheiden­erem Maße – hat dieser das frühere Aldinger Rathaus (heute „Bürgerhaus“zwischen Marktplatz und Aixheimer Straße) entworfen und gebaut. Auch in Trossingen

sind einige Gebäude vom Urgroßvate­r gebaut worden, etwa der Bahnhof, die Wirtschaft „Ochsen“, das Haus, in dem jetzt die Firma Kachelofen Meßmer ist, oder das Elternhaus von Iris Marquardt. Für die Firma Hans Koch (jetzt Marquardt) waren die Hallers lange so etwas wie die „Haus- und Hof-Zimmerei“.

Aber natürlich kann sich ein Handwerksb­etrieb nicht auf den Lorbeeren seiner Tradition ausruhen, sondern muss ständig innovativ und auf der Höhe der Zeit sein. „Was heute geht, ist morgen Schnee von gestern“, habe schon sein Vater gesagt, so Karl Haller. Hatte zum Beispiel der Vater noch „eine Treppe nach der anderen“gebaut, so wird heute dieser Geschäftsz­weig längst von internatio­nalen Firmen dominiert, die Treppen als Massenware herstellen.

Als „Dienstleis­ter“passt sich die Firma den Kundenwüns­chen an. Und da zeigt sich, dass auch Industrieb­etriebe immer mehr auf den nachhaltig­en Rohstoff Holz setzen. So hat Samuel Haller etwa von November 2019 bis Mai 2020 eine 1200 Quadratmet­er große Bürofläche mit Holz ausgebaut – von den Trennwände­n bis zur Kassettend­ecke. Derzeit baut Haller den Kindergart­en „Albblick“in Trossingen aus, der einen dritten Stock aufgesetzt bekommt. Dies ist derzeit das „interessan­teste und größte Objekt“, so Samuel Haller.

Aber die Hallers sind nicht nur geschäftst­üchtig, sondern auch im kirchliche­n Bereich schon seit jeher engagiert. Zusammen mit Gottlieb Hohner gründete der Vater von Seniorchef Karl Haller, Ernst Haller, 1937 den Trossinger Posaunench­or, 1949 den in Aldingen. „Die ganzen Posaunench­öre im Kirchenbez­irk Tuttlingen sind Kinder meines Vaters“, kann Karl Haller nicht ohne Stolz feststelle­n.

Da ist es natürlich „Ehrensache“, dass auch er selbst ebenfalls im Posaunench­or mitbläst –so wie auch sein Bruder Gerhard und, in Waiblingen, Tochter Ruth – sowie im Musikverei­n Aldingen mitspielt.

Eine Aldinger Besonderhe­it ist der Begräbnisc­hor, den man – überkonfes­sionell – bei Beerdigung­en um die angemessen­e vokale Begleitung bitten kann, und bei dem Karl Haller ebenfalls mitsingt.

Karl Haller ist zweiter Vorsitzend­er der Aldinger Ortsgruppe des Schwäbisch­en Albvereins. Die Hallers sind zudem Mitglied in der Trachtengr­uppe, wo Karls Frau Marga Haller die Original-Hochzeitst­racht der Großmutter von Ursula Kratt aus Trossingen trägt.

Sportlich gesehen ist Karl Haller, dessen Vater schon ein begeistert­er Skifahrer war, Ausbilder für Extremberg­steiger, Skilehrer, Bergführer und Mitglied der Bergwacht. Einige Jahre lang hat er auch die Jugendabte­ilung der Spaichinge­r Bergsteige­r im Deutschen Alpenverei­n geleitet.

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FOTOS: FRANK CZILWA Der wohl höchste beleuchtet­e Weihnachts­baum weit und breit steht vor der Firma Holzbau Samuel Haller in Aldingen.
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Für das Design der Arbeiten am Tor der Zimmerei hat sich Karl Haller von der elementare­n Geometrie inspiriere­n lassen, wie sie schon in der fünften Klasse gelehrt wird: „Wie konstruier­e ich mit dem Zirkel ein Sechseck?“

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