Silvester: Tiere dürfen auf Schonung hoffen
Tierärzte begrüßen es, wenn der Jahreswechsel diesmal weitgehend ohne Böller gefeiert wird
SPAICHINGEN/WEHINGEN - Manche Menschen mögen enttäuscht sein, dass am kommenden Silvester alles anders sein wird und es keinen Verkauf von Böllern und Raketen gibt. Doch andere sind froh darüber – vor allem die Besitzer von Haustieren. Denn Wild- und Haustiere haben am Jahreswechsel unter der Knallerei sonst besonders zu leiden.
Beruhigungsmittel für Tiere sind in der Zeit vor Silvester bei den Tierärzten immer sehr gefragt, weiß Dr. vet. Alix-Marleen Wieland, Tierärztin in Spaichingen.. Von pflanzlichen und homöopathischen Präparaten bis hin zu chemischen Psychopharmaka. Die Medikamente sind meistens schon im Oktober bei den Herstellern bestellt worden, werden jetzt aber wohl nicht in diesem Maße gebraucht. „Wir müssen in diesem Jahr mit den Pharmafirmen verhandeln, ob sie die Beruhigungsmittel wieder zurücknehmen oder gegen andere Medikamente umtauschen können, weil diese ja ein Verfallsdatum haben“, so Dr. Wieland.
Auch Psychotherapie und Verhaltenstherapien für Tiere sind immer mehr im Kommen, aber doch noch eher in den größeren Städten als im ländlichen Bereich, ergänzt Dr. Jens Merl, Tierarzt in Wehingen.
Ähnlich wie Wieland ist auch Merl aus tierärztlicher Sicht „begeistert“, dass in diesem Jahr der Verkauf und Kauf von Raketen und Böllern nicht erlaubt ist. Natürlich nicht in erster Linie mit Rücksicht auf die Tiere. Vielmehr will der Gesetzgeber in Corona-Zeiten die Notaufnahmen an Silvester nicht mit zusätzlichen Verletzten belasten. Auch darf man „im öffentlichen Raum“keine Böller zünden (außerdem gilt auch an Silvester ab 20 Uhr das Ausgangsverbot). Was man aber im eigenen Garten macht, bleibt weiter jedem selbst überlassen. Wenn also der eine oder andere noch Restbestände vom vergangenen Jahr hat, ist es möglich und erlaubt, dass es noch zu vereinzelten Knallern kommt.
Körperliche Verletzungen von Tieren durch Raketen oder Feuerwehrskörper hat Dr. Wieland noch nicht behandeln müssen, doch werden Tiere durch das Knallen und Lärmen traumatisiert. Und diese Traumatisierung wirkt oft über mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre nach. „Wenn dann in der Jagdsaison ein Schuss fällt, sitzt der Hund dann wieder vor Angst hechelnd unter dem Tisch“, so Dr. Wieland.
Dr. Jens Merl hat noch keine direkten Feuerwerksverletzungen an Tieren behandeln müssen, dafür aber Verletzungen durch schreckhafte
Flucht, wenn verängstigte Tiere in Panik los rennen und irgendwo dagegen stoßen. An „normalen“Silvesterabenden, so Dr. Merl, brächten viele ihre Tiere etwa in den Keller oder gehen mit ihnen sogar raus in den Wald, um dort weit weg vom Geböller den Jahreswechsel zu verbringen. Was man aber lieber nicht tun sollte – auch wenn man dies instinktiv gerne möchte – ist, die verängstigten Tiere in den Arm zu nehmen und zu trösten. Denn das, so Dr. Merl, könnten sie als Belohnung für ihr ängstliches Verhalten betrachten, das dadurch sogar noch verstärkt werden könnte.
Es sind längst nicht nur Hunde, die unter dem Knallen leiden. „Es ist ungewohnt, laut und beängstigend, eine Ausnahmesituation für alle Tiere – ob Haus-, Nutz- oder Wildtiere“, sagt Dr. Wieland, die sich daran erinnert, wie eine ihrer Arzthelferinnen einmal ein Silvester im Stall bei ihrem Pferd verbracht hat, um die Tiere zu beruhigen.
Wildtiere, die durch die Silvesterknallerei beeinträchtigt worden sind, hat Dr. med. vet. Marianne Mattes aus Spaichingen bisher nicht verarzten müssen. „Wenn ein Wildvogel vom Himmel fällt, weiß man ja auch nicht, ob das nun vor Schreck wegen der Silvesterraketen geschehen ist.“Es sei allgemein nicht der Fall, dass ab dem 1. Januar verstärkter Andrang in den Tierarztpraxen herrsche.
Auch Ludmilla Eferl vom Verein „Menschen für Tiere“kann persönlich gut auf Raketen und Böller verzichten; sie respektiert aber die Tradition. Für die Hunde und Katzen in dem Tierheim, das der Spaichinger Tierschutzverein draußen beim Unterbach-Stadion betreibt, sei die Silvesterknallerei aber nie ein großes Problem gewesen, so Eferl: „Die Hunde sind drinnen im Zwinger, da bekommen sie nicht so viel mit. Außerdem liegen wir etwas abseits, da ist noch nie viel los gewesen.“
Corona hat sich auch für den Tierschutzverein in den vergangenen Monaten insofern ausgewirkt, als
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Besuche nur noch nach Terminvereinbarungen möglich sind. Auch glaubt Ludmilla Eferl, dass aufgrund der Corona-Maßnahmen sich mehr einsame und isolierte Menschen ein Tier aus dem Tierheim geholt haben. Deshalb hält sie es nicht für ausgeschlossen, dass im kommenden Jahr eventuell mehr Tiere zurückgegeben werden als sonst üblich.