Trossinger Zeitung

Um die Stimmen der Frauen kämpfen

Ellen Demuth könnte das neue Gesicht der CDU werden – Dazu muss ihr Kandidat Norbert Röttgen jedoch Parteichef werden

- Von Claudia Kling

BERLIN - Ein Name, mit dem nur wenige etwas anfangen können. Eine Position, die es bislang so nicht gab: Ellen Demuth, Landtagsab­geordnete aus Rheinland-Pfalz, soll die neue „Chefstrate­gin“der CDU werden, falls Außenexper­te Norbert Röttgen die Wahl zum neuen Vorsitzend­en gewinnt. Seine Chancen stehen im Vergleich zu seinen Konkurrent­en, dem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet und dem früheren CDU-Fraktionsc­hef Friedrich Merz, zwar nicht allzu gut. Aber immerhin: Er hat in den Umfragen Boden gutgemacht im Laufe seiner Kandidatur.

Dass er nun eine weitgehend unbekannte Politikeri­n für eine so wichtige Position benannt hat, finden einige in der CDU befremdlic­h. Doch die Frau, um die es geht, hält es nicht für einen Nachteil, bundespoli­tisch ein Nobody zu sein. „Ich bringe die Erfahrung einer Politikeri­n im ländlichen Raum in die Debatten ein“, sagt die 38-Jährige bei einem Spaziergan­g entlang der Spree im Berliner Regierungs­viertel. „Bis vor wenigen Monaten habe ich mich ja fast ausschließ­lich um die Landespoli­tik in Rheinland-Pfalz gekümmert.“

Ellen Demuth, eine eher zierliche Frau mit aufgeschlo­ssenem Gesicht, ist von ihrem Heimat- und Wohnort Linz, einer 6000-Einwohner-Stadt direkt am Rhein, nach Berlin gereist, um mit Röttgen und seinem Team über die künftige Ausrichtun­g der Partei zu beraten. Über Strategien und Ziele, die sie mit der CDU erreichen wollen – falls es denn mit dem Vorsitz klappen sollte.

Für Demuth ist die Richtung klar: „Wir müssen als Partei um die Stimmen der Frauen und der jungen Generation kämpfen, wenn wir verhindern wollen, dass wir noch mehr Wähler in diesen beiden Gruppen an die Grünen verlieren“, sagt sie. Die CDU müsse daher die Partei der modernen Mitte werden: traditions­verbunden und gleichzeit­ig zukunftsor­ientiert.

„Wahlen werden in der Mitte der Gesellscha­ft gewonnen, und diesen Wählern müssen wir auch nach Merkel ein Angebot machen, gerade bei den Themen Klimaschut­z und Nachhaltig­keit.“Friedrich Merz, der sich ebenfalls um den Parteivors­itz bewirbt, wäre für sie, auch wenn sie es nicht so direkt sagt, deshalb nicht einmal zweite Wahl.

„Die gesellscha­ftliche Spaltung zu überwinden, das ist für mich ein ganz großes Thema“, sagt die 38-Jährige. „Zu verhindern, dass die Unterschie­de zwischen Stadt und Land, Ost und West, Abgehängte­n und Erfolgreic­hen noch größer werden.“Und so träumt sie von einer CDU, die moderner, aufgeschlo­ssener und innovative­r ist als die jetzige. Mehr Frauen und jüngere Mitglieder würden sich in dieser CDU engagieren. Die CDU-Realität sieht allerdings anders aus: 73, 5 Prozent der Mitglieder sind männlich, der Altersdurc­hschnitt liegt bei 61 Jahre alt. Dennoch: Eine andere Partei als die CDU wäre für Ellen Demuth nie infrage gekommen. Mit 15 Jahren trat sie in die Junge Union ein. Zwölf Jahre später wurde sie in den Landtag von RheinlandP­falz gewählt.

Dazwischen lagen ein Betriebswi­rtschaftss­tudium, eine Referenten­tätigkeit für den Bürgermeis­ter von Brühl – und die Geburt ihrer Tochter, die sie seit einigen Jahren alleine erzieht. „Ich bin sehr religiös geprägt, auch von der christlich­en Soziallehr­e“, sagt die Politikeri­n. Jeder Mensch müsse die Chance bekommen, sein Leben gestalten zu können. Gleichzeit­ig gehe es ihr um die Bewahrung der Schöpfung – aber ohne strikte Verbote und Vorgaben. „Der christlich­e Ansatz hat mich in die CDU gezogen und hält mich auch in der CDU“, so Demuth. Ihr großes Vorbild ist ihre Mutter, die trotz ihrer vier Kinder, alles Mädchen, für die CDU Kommunalpo­litik gemacht hat. „Sie hat uns vorgelebt, wie wichtig es ist, sich für die Gesellscha­ft zu engagieren“, sagt Ellen Demuth.

Doch wie wird eine bis dato wenig auffällige Landtagsab­geordnete aus dem idyllische­n Winzerort Linz zur möglichen „Chefstrate­gin“der CDU? Neben der politische­n Nähe spielte dabei wohl auch die geografisc­he eine Rolle. Denn Demuth und Röttgen kennen sich seit Längerem, weil ihre Wahlkreise an der Landesgren­ze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nebeneinan­der liegen. Dabei habe sie Röttgen zu schätzen gelernt – sowohl menschlich als auch politisch. Und deshalb habe sie ihm bei einem zufälligen Treffen im Konrad-AdenauerHa­us, der CDU-Parteizent­rale in Berlin, ihre Unterstütz­ung bei seiner Kandidatur angeboten, wohl wissend, dass dann noch mehr politische Arbeit auf sie zukommt.

Ihre Familie und ihre 15-jährige Tochter unterstütz­en ihren Weg. „Ohne deren Rückhalt geht es überhaupt nicht“, sagt Demuth. Als alleinerzi­ehende Mutter mit zwölf Jahren Erfahrung in der Landespoli­tik und zuvor auf Kreisebene kennt sie die Sitzungsab­ende, die sich ziehen und ziehen, nur zu gut. Und sie weiß auch, dass die wirklich wichtigen Gespräche oft erst hinterher in der Kneipe geführt werden. „Da bin ich natürlich dabei“, sagt die 38-Jährige. „Als Rheinlände­rin mit Stehvermög­en ist das auch kein Problem für mich.“

Am 16. Januar wird sich entscheide­n, ob die 38-Jährige künftig tatsächlic­h in einer herausgeho­benen Position Einfluss auf die Ausrichtun­g der CDU nehmen kann. Gelassen blickt sie nicht auf diesen Tag, für sie steht zu viel auf dem Spiel – auch unabhängig von ihrer Person. „Für mich ist es einfach nicht egal, wer Parteivors­itzender wird und welche Entwicklun­g die CDU nimmt“, sagt sie.

Denn sie fühlt sich auch der Generation ihrer Tochter verpflicht­et, einer 15-Jährigen, die auch schon bei Fridays for Future demonstrie­rt hat. Gerade aber der Klimaschut­z sei in der CDU „in der tagespolit­ischen Abwägung mit wirtschaft­spolitisch­en Zielen oft hinten runtergefa­llen“, sagt Demuth. Dass sie mit solchen Sätzen aneckt in ihrer Partei, ist ihr klar. Auch dass sich ihre Aussagen nicht unbedingt positiv auf Wahlergebn­isse auswirken, wenn es um die parteiinte­rne Karriere geht. Doch das ficht Ellen Demuth nicht an: „Ich bin nie mutlos, ich schaue einfach immer nach vorne.“

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FOTO: CLAUDIA KLING Ellen Demuth war bislang in der rheinland-pfälzische­n Landespoli­tik aktiv. Nun möchte sie die CDU-Chefstrate­gin werden.
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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Norbert Röttgen

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