Um die Stimmen der Frauen kämpfen
Ellen Demuth könnte das neue Gesicht der CDU werden – Dazu muss ihr Kandidat Norbert Röttgen jedoch Parteichef werden
BERLIN - Ein Name, mit dem nur wenige etwas anfangen können. Eine Position, die es bislang so nicht gab: Ellen Demuth, Landtagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz, soll die neue „Chefstrategin“der CDU werden, falls Außenexperte Norbert Röttgen die Wahl zum neuen Vorsitzenden gewinnt. Seine Chancen stehen im Vergleich zu seinen Konkurrenten, dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet und dem früheren CDU-Fraktionschef Friedrich Merz, zwar nicht allzu gut. Aber immerhin: Er hat in den Umfragen Boden gutgemacht im Laufe seiner Kandidatur.
Dass er nun eine weitgehend unbekannte Politikerin für eine so wichtige Position benannt hat, finden einige in der CDU befremdlich. Doch die Frau, um die es geht, hält es nicht für einen Nachteil, bundespolitisch ein Nobody zu sein. „Ich bringe die Erfahrung einer Politikerin im ländlichen Raum in die Debatten ein“, sagt die 38-Jährige bei einem Spaziergang entlang der Spree im Berliner Regierungsviertel. „Bis vor wenigen Monaten habe ich mich ja fast ausschließlich um die Landespolitik in Rheinland-Pfalz gekümmert.“
Ellen Demuth, eine eher zierliche Frau mit aufgeschlossenem Gesicht, ist von ihrem Heimat- und Wohnort Linz, einer 6000-Einwohner-Stadt direkt am Rhein, nach Berlin gereist, um mit Röttgen und seinem Team über die künftige Ausrichtung der Partei zu beraten. Über Strategien und Ziele, die sie mit der CDU erreichen wollen – falls es denn mit dem Vorsitz klappen sollte.
Für Demuth ist die Richtung klar: „Wir müssen als Partei um die Stimmen der Frauen und der jungen Generation kämpfen, wenn wir verhindern wollen, dass wir noch mehr Wähler in diesen beiden Gruppen an die Grünen verlieren“, sagt sie. Die CDU müsse daher die Partei der modernen Mitte werden: traditionsverbunden und gleichzeitig zukunftsorientiert.
„Wahlen werden in der Mitte der Gesellschaft gewonnen, und diesen Wählern müssen wir auch nach Merkel ein Angebot machen, gerade bei den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit.“Friedrich Merz, der sich ebenfalls um den Parteivorsitz bewirbt, wäre für sie, auch wenn sie es nicht so direkt sagt, deshalb nicht einmal zweite Wahl.
„Die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden, das ist für mich ein ganz großes Thema“, sagt die 38-Jährige. „Zu verhindern, dass die Unterschiede zwischen Stadt und Land, Ost und West, Abgehängten und Erfolgreichen noch größer werden.“Und so träumt sie von einer CDU, die moderner, aufgeschlossener und innovativer ist als die jetzige. Mehr Frauen und jüngere Mitglieder würden sich in dieser CDU engagieren. Die CDU-Realität sieht allerdings anders aus: 73, 5 Prozent der Mitglieder sind männlich, der Altersdurchschnitt liegt bei 61 Jahre alt. Dennoch: Eine andere Partei als die CDU wäre für Ellen Demuth nie infrage gekommen. Mit 15 Jahren trat sie in die Junge Union ein. Zwölf Jahre später wurde sie in den Landtag von RheinlandPfalz gewählt.
Dazwischen lagen ein Betriebswirtschaftsstudium, eine Referententätigkeit für den Bürgermeister von Brühl – und die Geburt ihrer Tochter, die sie seit einigen Jahren alleine erzieht. „Ich bin sehr religiös geprägt, auch von der christlichen Soziallehre“, sagt die Politikerin. Jeder Mensch müsse die Chance bekommen, sein Leben gestalten zu können. Gleichzeitig gehe es ihr um die Bewahrung der Schöpfung – aber ohne strikte Verbote und Vorgaben. „Der christliche Ansatz hat mich in die CDU gezogen und hält mich auch in der CDU“, so Demuth. Ihr großes Vorbild ist ihre Mutter, die trotz ihrer vier Kinder, alles Mädchen, für die CDU Kommunalpolitik gemacht hat. „Sie hat uns vorgelebt, wie wichtig es ist, sich für die Gesellschaft zu engagieren“, sagt Ellen Demuth.
Doch wie wird eine bis dato wenig auffällige Landtagsabgeordnete aus dem idyllischen Winzerort Linz zur möglichen „Chefstrategin“der CDU? Neben der politischen Nähe spielte dabei wohl auch die geografische eine Rolle. Denn Demuth und Röttgen kennen sich seit Längerem, weil ihre Wahlkreise an der Landesgrenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nebeneinander liegen. Dabei habe sie Röttgen zu schätzen gelernt – sowohl menschlich als auch politisch. Und deshalb habe sie ihm bei einem zufälligen Treffen im Konrad-AdenauerHaus, der CDU-Parteizentrale in Berlin, ihre Unterstützung bei seiner Kandidatur angeboten, wohl wissend, dass dann noch mehr politische Arbeit auf sie zukommt.
Ihre Familie und ihre 15-jährige Tochter unterstützen ihren Weg. „Ohne deren Rückhalt geht es überhaupt nicht“, sagt Demuth. Als alleinerziehende Mutter mit zwölf Jahren Erfahrung in der Landespolitik und zuvor auf Kreisebene kennt sie die Sitzungsabende, die sich ziehen und ziehen, nur zu gut. Und sie weiß auch, dass die wirklich wichtigen Gespräche oft erst hinterher in der Kneipe geführt werden. „Da bin ich natürlich dabei“, sagt die 38-Jährige. „Als Rheinländerin mit Stehvermögen ist das auch kein Problem für mich.“
Am 16. Januar wird sich entscheiden, ob die 38-Jährige künftig tatsächlich in einer herausgehobenen Position Einfluss auf die Ausrichtung der CDU nehmen kann. Gelassen blickt sie nicht auf diesen Tag, für sie steht zu viel auf dem Spiel – auch unabhängig von ihrer Person. „Für mich ist es einfach nicht egal, wer Parteivorsitzender wird und welche Entwicklung die CDU nimmt“, sagt sie.
Denn sie fühlt sich auch der Generation ihrer Tochter verpflichtet, einer 15-Jährigen, die auch schon bei Fridays for Future demonstriert hat. Gerade aber der Klimaschutz sei in der CDU „in der tagespolitischen Abwägung mit wirtschaftspolitischen Zielen oft hinten runtergefallen“, sagt Demuth. Dass sie mit solchen Sätzen aneckt in ihrer Partei, ist ihr klar. Auch dass sich ihre Aussagen nicht unbedingt positiv auf Wahlergebnisse auswirken, wenn es um die parteiinterne Karriere geht. Doch das ficht Ellen Demuth nicht an: „Ich bin nie mutlos, ich schaue einfach immer nach vorne.“