Trossinger Zeitung

Ideen für eine umstritten­e Reform

Grüne wollen Hartz-IV-Sanktionen abschaffen – SPD-Minister Heil plant Neuordnung

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BERLIN (dpa) - Die Grünen-Bundestags­fraktion will Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher abschaffen. Es sei wichtig, dass sich die Menschen „auf Augenhöhe mit dem Staat“befänden, sagte der sozialpoli­tische Sprecher Sven Lehmann am Freitag in Berlin bei der Vorstellun­g eines Konzepts für eine neue Garantiesi­cherung. Damit wollen die Grünen Hartz IV „überwinden“und ersetzen.

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) will derweil laut „Spiegel“den Zugang zu Hartz IV vereinfach­en und die Ausnahmen aus der CoronaPand­emie dauerhaft machen. „Aktuell prüfen die Jobcenter nicht, wie groß eine Wohnung ist oder ob jemand Ersparniss­e bis 60 000 Euro hat“, sagte Heil dem Magazin. „Mein Vorschlag ist, dass wir während einer Karenzzeit von zwei Jahren Vermögen bis zu der genannten Summe schützen und Mietkosten nicht auf ihre Angemessen­heit prüfen.“

Der Vorschlag ist dem Bericht zufolge Teil eines Gesetzentw­urfs zur Reform der Grundsiche­rung aus Heils Ministeriu­m. Um Menschen schneller aus der Grundsiche­rung herauszuhe­lfen, sollen nach dem Willen des Ministers künftig „Weiterbild­ung und ein Berufsabsc­hluss Vorrang vor kurzfristi­ger Vermittlun­g in Arbeit haben“, so Heil. „Dazu unterstütz­en wir die Menschen, die eine Weiterbild­ung machen, mit einem Bonus von 75 Euro im Monat.“

Die grüne Garantiesi­cherung wiederum soll Menschen zugute kommen, die den eigenen Lebensunte­rhalt nicht bestreiten können – und zwar nicht nur Arbeitslos­en, sondern auch Geringverd­ienern. Die Regelsätze sollten demnach steigen, und wer sich Geld dazu verdient, soll mehr davon behalten dürfen.

Sogenannte Bedarfsgem­einschafte­n, bei denen das Einkommen des Partners für die Ermittlung eines Unterstütz­ungsanspru­chs herangezog­en wird, will die Grünen-Fraktion auf die Dauer abschaffen, und zwar zuerst für Unverheira­tete. Denn diese profitiert­en im Gegensatz zu Ehepaaren nicht von Steuervort­eilen, so das Argument. Die Vermögensp­rüfung

soll entfallen, die Angaben von Betroffene­n nur noch in begründete­n Fällen überprüft werden.

Die jährlichen Kosten für die Reform bezifferte die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Anja Hajduk mit einem niedrigen zweistelli­gen Milliarden­betrag. Die Vorschläge seien als Teil weiterreic­hender arbeitsund sozialpoli­tischer Reformidee­n zu betrachten, etwa mit Anhebung des Mindestloh­ns auf zwölf Euro und einer Stärkung des Tarifsyste­ms.

Die Hartz-Reformen waren zwischen 2003 und 2005 von der rot-grünen Bundesregi­erung unter SPDKanzler Gerhard Schröder eingeführt worden. Sie führten zu teils spürbaren Kürzungen von Sozialleis­tungen, etwa bei der Bezugsdaue­r des Arbeitslos­engeldes.

Der Sozialverb­and VdK begrüßte die vorgeschla­gene Anhebung der Regelsätze und die Grünen-Pläne. „Die Zeit ist reif für eine neue, soziale Grundsiche­rung“, erklärte Präsidenti­n Verena Bentele. Anja Piel, Vorstandsm­itglied beim Deutschen Gewerkscha­ftsbund, erklärte mit Blick auf die Grünen: „Dieser Vorstoß skizziert echte Chancen, das bestehende Hartz-IV-Elend endlich zu überwinden.“Richtig sei etwa, dass die Grünen „den Niedrigloh­nsektor und prekäre Arbeit als zentrale Ursachen für Armut“in den Blick nähmen.

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FOTO: DPA Hubertus Heil (SPD).

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