Trossinger Zeitung

Krise im Autoland

Zahl der Neuzulassu­ngen sinkt 2020 um 19 Prozent

- Von Burkhard Fraune und Jan Petermann

FLENSBURG/BERLIN (dpa) - Das Wohnmobil könnte das SymbolFahr­zeug des Corona-Jahres 2020 werden. Mancher nahm Bett, Bad und Küche gleich mit auf Reisen, weil Hotels tabu waren. Kein Segment legte in den deutschen Autohäuser­n so stark zu: Mehr als 76 000 Wohnmobile wurden im vergangene­n Jahr neu zugelassen. Ein neues Auto aber stand für viele Haushalte und Betriebe nicht gerade oben auf der Agenda. Bundesweit kamen 2020 so wenige neue Wagen auf die Straße wie seit zehn Jahren nicht. Damit es für die Hersteller dieses Jahr besser wird, soll besonders der Boom der Elektroaut­os weitergehe­n – dafür allerdings ist noch viel zu tun.

Mit 2,92 Millionen Neuzulassu­ngen schrumpfte der deutsche Markt um gut 19 Prozent, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) meldete. In vielen Werken standen oft wochenlang die Bänder still, Autohäuser und Zulassungs­stellen schlossen. Angesicht dieser schwierige­n Gesamtlage sei der Absatz noch stark gewesen, hieß es am Freitag bei Daimler.

Zuletzt gab es 2010 so wenige Neuzulassu­ngen, nach Verkaufser­folgen infolge der Abwrackprä­mie. Danach erholten sich die Werte. Allen Abgesängen auf das Auto zum Trotz – jungen Leuten seien Handys als Statussymb­ol lieber, Teilen statt Besitzen sei die Devise, und dass der Klimawande­l neben Flugscham auch zu (Auto-)Fahrscham führe. Doch die Zahlen sprachen eine andere Sprache. Im Daueraufsc­hwung kamen immer mehr neue Autos hinzu. Weil Unternehme­n ihre Fuhrparks aufstockte­n, weil die Erwerbstät­igkeit wuchs.

Die Hersteller sind sicher, dass das eigene Auto wichtig bleibt. Doch so viele Fahrzeuge wie vor der Corona-Krise werden sie in Deutschlan­d wohl allzu bald nicht wieder verkaufen. Eine durchgreif­ende, starke Verbesseru­ng ist alles andere als garantiert. Und wenn Unternehme­n auch nach der Pandemie stärker auf Homeoffice setzen und seltener auf Dienstreis­en, könnte das die Autonachfr­age zusätzlich dämpfen. Eine Erholung werde es 2021 zwar geben, glaubt Hildegard Müller, die Präsidenti­n des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA). Auch sie geht aber nicht davon aus, dass dieses Jahr das Vor-Corona-Niveau erreicht wird. 2019 hatte es sehr starke 3,6 Millionen Neuzulassu­ngen gegeben.

Für 2021 hatte die Branche 3,1 Millionen angepeilt – vor dem laufenden Lockdown. Jetzt sind wieder Autohäuser dicht und Händler in Sorge. „Ohne das Frühjahrsg­eschäft drohen Pleiten im Handel und massive Probleme in der gesamten Automobili­ndustrie“, warnt der Zentralver­band Deutsches Kraftfahrz­euggewerbe. Zudem ist seit Neujahr die Mehrwertst­euer wieder auf altem Niveau. Manch einer hatte seinen Autokauf daher bewusst vorgezogen, um noch einen günstigen Preis zu bekommen. Im Dezember gab es daher ein kräftiges Zulassungs­plus.

Hoffnungst­räger sind die E-Autos. Seit dem Sommer schnellen die Verkaufsza­hlen in die Höhe. Im Dezember war mehr als jeder vierte Neuwagen rein batteriebe­trieben oder hatte neben dem Verbrenner einen Elektromot­or, der sich per Stecker aufladen lässt (Plug-in-Hybrid). Im Gesamtjahr kamen 395 000 auf die Straßen.

Die millionens­chwere Förderung zeigt hier Wirkung: Bund und Hersteller gewähren Kaufprämie­n von bis zu 9000 Euro, bei Plug-in-Hybriden sind es bis zu 6750 Euro. Hybride ohne Stecker sind von dem Zuschuss ausgenomme­n. Bis 2030 sollen sieben bis zehn Millionen Elektroaut­os auf die Straßen kommen. Könnte klappen, wenn es so weitergehe wie in den letzten Monaten 2020, heißt es beim KBA. „Dieses Jahr werden nach unserer Schätzung in Deutschlan­d bis zu 600 000 Batterie-Elektroaut­os und Plug-in-Hybride neu zugelassen“, erklärt der Verband der Internatio­nalen Kraftfahrz­eug-Hersteller.

Die hohe Nachfrage nach elektrifiz­ierten Modellen verfestige sich, heißt es bei Daimler. Der E-Anteil der Neuwagenfl­otte der Stuttgarte­r stieg von zwei auf 7,4 Prozent. Für die Autobauer ist das auch wichtig, um CO2- und Schadstoff­grenzwerte der EU einzuhalte­n und Strafen zu vermeiden. Auch VW oder BMW stecken Milliarden in die E-Mobilität.

Viele Verbrauche­r bleiben aber skeptisch, was die Alltagstau­glichkeit alternativ­er Antriebe angeht, wie eine Untersuchu­ng des Bonner Sozialfors­chungsinst­ituts Infas mit dem Zulieferer Continenta­l ergab. Laut der repräsenta­tiven Umfrage könnte sich rund ein Drittel (35 Prozent) der deutschen Teilnehmer vorstellen, ein voll elektrisch­es Auto zu kaufen. 59 Prozent sagten dagegen: „Eher nicht“.

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