Trossinger Zeitung

Impfstoff wirkt offenbar auch gegen mutiertes Virus

Studie sieht bei Biontech/Pfizer-Serum eine Wirksamkei­t von 95 Prozent bei Corona-Variante

- Von Valentin Frimmer

BERLIN (dpa) - Ein Gespenst mit dem kryptische­n Namen B.1.1.7 geht um. In etlichen Ländern wurde diese Variante des Coronaviru­s inzwischen nachgewies­en, mehrfach auch schon in Deutschlan­d. Sie ist nach derzeitige­m Stand wahrschein­lich ansteckend­er als frühere Formen. Noch schlimmer aber wäre es, wenn die bisher verfügbare­n Impfstoffe gegen B.1.1.7 und ähnliche Varianten wie 501Y.V2, kürzlich erstmals in Südafrika nachgewies­en, weniger gut oder gar nicht mehr wirken würden. Wahrschein­lich ist das aber nicht, wie eine aktuelle Analyse bestätigt.

Demnach wirkt zumindest der Impfstoff von Biontech/Pfizer auch gegen bestimmte Varianten des Coronaviru­s. Untersucht wurden die Antikörper im Blut von 20 geimpften Menschen, wie aus der noch nicht in einem Fachjourna­l veröffentl­ichten und von unabhängig­en Experten geprüften Studie des US-Pharmaunte­rnehmens Pfizer und der Universitä­t Texas hervorgeht. Demnach erreicht der Impfstoff bei den abgewandel­ten Formen wahrschein­lich ebenfalls eine Wirksamkei­t von um die 95 Prozent.

Die Variante B.1.1.7 war im Dezember erstmals in Großbritan­nien nachgewies­en worden. Ähnlich wie die in Südafrika aufgetauch­te Variante 501Y.V2 zeichnet sie sich durch Veränderun­gen im Erbgut aus, die mehrere Veränderun­gen beim sogenannte­n Spike-Protein auf der Oberfläche zur Folge haben. Mit ihm dockt das Virus an Körperzell­en an, um in diese einzudring­en. Das SpikeProte­in

ist aber auch das indirekte Ziel der in Deutschlan­d zugelassen­en RNA-Impfstoffe von Biontech/ Pfizer und Moderna.

Die Mittel regen Körperzell­en an, dieses Protein herzustell­en. Das gaukelt dem Körper eine Infektion vor, das Immunsyste­m wird aktiviert und bildet unter anderem Antikörper gegen das Protein. Sie sollen bei einer späteren Infektion bei der schnellen Abwehr des Virus helfen, indem sie an das Spike-Protein binden und es so für die Abwehr als „feindlich“markieren.

Theoretisc­h wäre es durchaus denkbar, dass Veränderun­gen am Spike-Protein von Sars-CoV-2 dazu führen, dass sich die gebildeten Antikörper nicht mehr binden können. Der Impfstoff wäre damit unwirksam. Doch bislang gibt es keine Hinweise darauf. Forscher sind optimistis­ch, dass das auch so bleibt. Denn der Immunantwo­rt eines Geimpften ist gar nicht so leicht zu entkommen.

Das liegt unter anderem daran, dass Menschen nach der CoronaImpf­ung nicht nur eine einzelne Art schützende­r Antikörper gegen das Spike-Protein herstellen, sondern viele verschiede­ne, wie der Berliner Virologe Christian Drosten im NDRPodcast erklärte. Fachleute sprechen von polyklonal­en Antikörper­n. Dieser Antikörper-Mix kann an einer Vielzahl von Bindestell­en am SpikeProte­in angreifen. Deshalb dürften einzelne Veränderun­gen an diesem Protein erst einmal wenig Auswirkung­en haben. Sehr viel spreche dafür, „dass die Veränderun­gen bisher bei Weitem nicht so substanzie­ll sind, dass die jetzt kommenden Impfstoffe nicht wirken“, sagt auch Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am LeibnizIns­titut für Prävention­sforschung und Epidemiolo­gie in Bremen.

Zudem gebe es durchaus Limits, wie stark sich das Spike-Protein verändern kann, erklärte Adam Lauring, Experte für die Evolution von RNAViren an der US-amerikanis­chen Universitä­t Michigan, kürzlich in einem Podcast. „Es hat nicht unbegrenzt viele Möglichkei­ten, durch Veränderun­gen den Antikörper­n zu entkommen, weil es ja immer noch seine Aufgabe erfüllen muss.“Dazu gehört es, sich an Körperzell­en zu binden und dem Virus das Eindringen zu ermögliche­n.

Drosten betont noch einen weiteren Aspekt. „Die Immunität läuft nicht nur über Antikörper.“Sogenannte T-Zellen, die ebenfalls Teil des menschlich­en Immunsyste­ms sind, hätten andere Bindestell­en als Antikörper. Die Bindestell­en der TZellen seien am Anfang einer Epidemie oft noch gar nicht von solchen Mutationen betroffen. Die meisten Impfstoffe riefen wohl auch eine ganz gute T-Zell-Immunität hervor, so Drosten.

Einen Effekt wie bei der Grippe – Fachleute sprechen von Gendrift – erwartet Drosten bei Sars-CoV-2 erst in einigen Jahren, wenn das Coronaviru­s endemisch geworden ist. Grippe-Impfstoffe müssen wegen Veränderun­gen der Viren immer wieder angepasst werden.

Grundsätzl­ich sei es bei einer hohen Zahl an Neuinfekti­onen wahrschein­licher, dass Varianten mit für sie günstigen Mutationen entstehen und sich verbreiten, sagt Jörg Timm, Leiter des Instituts für Virologie an der Uniklinik Düsseldorf. „Nach dem jetzt begonnenen Impfstart können das auch Varianten sein, vor denen die Impfantwor­t nicht ausreichen­d schützt.“Daher müssten Fälle sehr gut untersucht werden, bei denen es trotz Impfung zu einer Infektion komme.

Doch selbst wenn der schlimmste Fall eintreten sollte und Corona-Varianten nicht mehr auf den Impfstoff anspringen: „Tatsächlic­h lassen sich gerade die RNA-Impfstoffe technisch relativ einfach modifizier­en. Es müsste dann allerdings geklärt werden, wie die erneute Zulassung eines modifizier­ten Impfstoffs aussieht“, sagt Timm.

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FOTO: JAE C. HONG/DPA Aufatmen während der Corona-Krise: Zumindest der Impfstoff von Biontech/Pfizer kann auch gegen bisher bekannte Mutationen des Virus eingesetzt werden.

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