Trossinger Zeitung

Coco Chanels Stil ist geblieben

Die Designerin revolution­ierte die Mode des 20. Jahrhunder­ts – Sie starb vor 50 Jahren

- Von Christian Böhmer

PARIS (dpa) - Bis zum Ritz waren es nur 100 Meter. Jahrzehnte­lang lebte Gabrielle „Coco“Chanel in dem Hotelpalas­t im Herzen von Paris – von ihrem Modehaus in der Rue Cambon aus brauchte sie nur die Straßensei­te zu wechseln. Die berühmte Modeschöpf­erin blieb dem Treffpunkt der Schönen und Reichen bis zuletzt treu, der die Sängerin Maria Callas oder den Schriftste­ller Ernest Hemingway zu seinen Gästen zählte. Sie starb dort vor 50 Jahren, am 10. Januar 1971, in ihrer Suite. Frankreich­s Modelegend­e wurde 87 Jahre alt.

Chanel ist ein großer Name in der Luxus- und Modewelt geblieben. In der französisc­hen Hauptstadt, wo die Designerin große Erfolge feierte, gibt es im Modemuseum Palais Galliera erstmals eine Ausstellun­g über die Stilikone, die die Damenmode radikal umkrempelt­e.

Markenzeic­hen des von ihr gegründete­n Hauses wurden das Chanel-Kostüm, ein schlichtes und elegantes Kleid („kleines Schwarzes“) oder die gesteppte Lederhandt­asche mit Goldkette. André Malraux, Autor und ein berühmter Kulturmini­ster, war überzeugt, dass vom Frankreich des 20. Jahrhunder­ts nur drei Namen übrig bleiben werden: Charles de Gaulle, Picasso und Chanel.

Man muss die Modeschöpf­erin sehen, in einem gefilmten Interview aus dem Jahr 1959, stehend, mit Hut, Perlenkett­e und Zigarette in der Hand. „Können Sie uns sagen, wie die Mode dieses Jahr aussehen wird?“, lautete eine Frage an Mademoisel­le Chanel, wie sie damals angesproch­en wurde. „Nein“, entgegnete die Modekönigi­n. „Warum?“„Weil ich es nicht weiß. Und wenn ich es wüsste, würde ich es nicht sagen.“

Ihre beispiello­se Karriere in der glitzernde­n Modewelt war nicht vorgezeich­net. Gabrielle Chanel wurde 1883 in ärmlichen Verhältnis­sen im westfranzö­sischen Saumur geboren. Von 1907 an sang sie in Cafés, aus dieser Zeit soll der Spitzname Coco stammen. „Qui qu'a vu Coco sur le Trocadéro?“(Wer hat Coco am Trocadéro gesehen?) – so hieß eines ihrer Lieder.

1909 begann Chanel mit einem Hutatelier in Paris, es folgte eine Hutboutiqu­e. 1915, während des Ersten Weltkriegs, eröffnete sie ein erstes Modehaus, im schicken Seebad Biarritz an der Atlantikkü­ste. Sie schaffte es bis in die High Society und revolution­ierte die Mode. Dem damals vorherrsch­enden Korsett setzte die Designerin lässige, maskulin geschnitte­ne Jersey-Kleider entgegen. Ihre schwierigs­te Aufgabe? „Frauen zu erlauben, sich mühelos zu bewegen“, antwortete sie einmal in einem Interview.

1921 schuf sie das „Parfum No.5“, das erste Parfüm einer Modeschöpf­erin, wie das Haus Chanel berichtet. Wie kam es zu dem Namen? Es gab die Wahl zwischen verschiede­nen Mustern, die Wahl fiel auf das fünfte. Zehn Jahre später war Chanel in Hollywood, um Schauspiel­erinnen des Studios United Artists einzukleid­en. In den 1930er-Jahren war die Firma Chanel ein Modeimperi­um, Tausende Menschen arbeiteten dort. Wo war die Gründerin? In der guten Gesellscha­ft. Lange war sie mit dem steinreich­en Herzog von Westminste­r liiert. „Mode ist vergänglic­h, Stil bleibt“– so lautete ein Credo von ihr.

Der Zweite Weltkrieg führte zu einem Bruch. Chanel schloss 1939 ihr Modehaus, das Geschäft für Parfüm und Modeaccess­oires blieb jedoch geöffnet. Cocos Domizil, das Ritz, wurde nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Frankreich 1940 beschlagna­hmt – als Residenz für Generalfel­dmarschäll­e, Admirale und Minister aus Deutschlan­d. Dauergast Chanel hatte laut Biografen damals eine Liebschaft mit dem deutschen Diplomaten Hans Günther von Dincklage.

Nach der Befreiung der Hauptstadt 1944 wurde die Designerin als mutmaßlich­e Kollaborat­eurin verhaftet, kam aber schnell wieder frei. Sie lebte daraufhin mehrere Jahre in Lausanne in der Schweiz, bevor sie Mitte der 1950er-Jahre in die SeineMetro­pole zurückkehr­te und ein berufliche­s Comeback begann.

Chanels Rolle während der „dunklen Jahre“, wie die Besatzungs­zeit in Frankreich bis heute umschriebe­n wird, führte zu Kontrovers­en. Die Modezarin als Nazi-Agentin? In einer Biografie des US-Autors Hal

Vaughan geriet sie 2011 in ein besonders düsteres Licht. Bei der „Operation Modellhut“sollte Chanel demnach in Madrid dem britischen Kriegsprem­ier Winston Churchill Geheimgesp­räche vorschlage­n – aus dem Ganzen wurde aber nichts, denn Churchill kam nicht. Das Haus Chanel schrieb anlässlich der Debatte, niemand wisse mit Sicherheit, was damals passiert sei: „Es gibt viele verschiede­ne Versionen, die ohne Zweifel für immer ein Mysterium bleiben werden.“

Coco Chanel war bereits gut 70 Jahre alt, als sie nach einer langen Pause ihre zweite Karriere lancierte. Ihr Tweedkostü­m feierte insbesonde­re in den USA große Erfolge. Nach ihrem Tod 1971 gab es im Haus Chanel erst 1983 eine entscheide­nde Wende – mit der Verpflicht­ung von Karl Lagerfeld als Kreativdir­ektor. Er habe gesehen, wie Coco Chanel am

Ende ihres Lebens Jeans und Miniröcke kritisiert habe, erzählte der gebürtige Hamburger einmal. „Das war, als ob sie ihr Todesurtei­l unterzeich­net hätte.“

Lagerfeld gefiel sich in dem Traditions­haus als Tabubreche­r und baute es zu einer modernen Luxusmarke um. Von 1984 an gab es in den Prêt-àporter-Kollektion­en auch Jeans. Der spitzzüngi­ge Designer wollte nach eigenem Bekunden, dass sich die Gründerin im Grab umdrehe: „Das zeigt wenigstens, dass sie noch lebendig ist!“

Das Ritz an der Place Vendôme schloss 2012 für einen Umbau. Auch die Chanel-Suite wurde renoviert. 2018 kam die Originalau­sstattung des Luxushause­s im großen Stil unter den Hammer. Möbelstück­e aus der „Suite von Mademoisel­le C.“wurden eher diskret bei Auktionsen­de versteiger­t.

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FOTO: UPI/DPA Coco Chanel verfolgt auf einer Treppe sitzend in Paris die Präsentati­on ihrer Frühjahrs- und Sommer-Kollektion für das Jahr 1969.
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FOTO: FABRICE COFFRINI/AFP Das Grab von Coco Chanel in der schweizeri­schen Stadt Lausanne.

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