Pflege unter Extrembedingungen
Die Arbeit in Covid-19-Schutzkleidung ist schweißtreibend – Wir haben es getestet
TUTTLINGEN - Es ist warm in dem Covid-19-Schutzanzug, noch nicht heiß, aber fast. Und das nur beim Stehen. Kaum auszudenken, wenn man sich nun körperlich betätigen müsste. Doch genau das tun die Mitarbeiter der beiden Isolierstationen und der Intensivstation des Tuttlinger Klinikums jeden Tag – und das bis zu sechs Stunden, manchmal länger. „Die Kollegen sind danach völlig nassgeschwitzt“, sagt Ingeborg Christoph, die Leiterin der Intensivstation.
Aktuell liegen auf den beiden Isolierstationen 21 Covid-19-Patienten, die nicht intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Auf der Intensivstation sind es derzeit fünf, zwei davon werden beatmet. Für das Pflegepersonal sind das Patienten mit komplexer Intensivbehandlung, mit einem hohen pflegerischen Aufwand. „Dazu kommt der psychische Druck durch den Stress, den die Patienten verursachen, da die meisten sehr instabil sind“, sagt Christoph. Und das sei nur allzu verständlich. Zum einen seien die Patienten sehr lange auf der Intensivstation, teilweise mehrere Wochen. Durch die hohe Ansteckungsgefahr könnten sie ihre Familien nicht sehen, der körperliche Kontakt fehle. „Es würde schon helfen, wenn die Verwandten am Bett sitzen und ihre Hand halten könnten, aber gerade das geht eben nicht.“Zum anderen seien sie umgeben von zahlreichen Geräten und Schläuchen. Die Beatmungsmasken würden mit der Zeit unangenehm drücken. Da könne es schon mal vorkommen, dass sich die oftmals auch orientierungslosen Patienten die Maske oder Schläuche herauszögen.
Passiert das, muss das Pflegepersonal handeln. Doch bevor es das Zimmer betreten darf, ist es notwendig, gewisse Schutzmaßnahmen zu treffen. Konkret heißt das: zuerst kommt ein Schutzmantel mit langen Ärmeln, wasserdicht und damit nicht atmungsaktiv. Dann eine neue FFP2-Maske, eine Haube, die auch den Hals bedeckt, eine Schutzbrille oder Faceschild und zwei Paar Handschuhe, „damit man die oberen Handschuhe im Zimmer wechseln kann, wenn man einen weiteren Patienten versorgt“, erklärt Christoph. Mittlerweile habe ihr Team darin Routine, das Anlegen nehme etwa zwei, drei Minuten in Anspruch. „Aber wenn im Zimmer auf einmal eine Nulllinie auf dem Monitor erscheint, sind das lange drei Minuten“, sagt die Stationsleiterin.
Dieser Schutzanzug ist für alle Pflegekräfte eine Selbstverständlichkeit, dennoch stellt er eine „arge Beeinträchtigung dar“, sagt Christoph. „Einmal im Zimmer bleibt man dann auch mal drei, vier Stunden drin. Einfach rein und raus geht ja nicht.“Deshalb
brauche es immer jemanden, der von außen zuarbeite: „Der Personalaufwand ist unheimlich groß.“Denn die anderen Patienten müssten ja weiterhin versorgt werden. Dass alles so gut laufe, sei nur der Bereitschaft ihres Teams zu verdanken, über das normale Maß hinaus zu arbeiten. Gleiches gelte für die Kollegen auf den beiden Isolierstationen.
Derzeit bietet die Intensivstation zwölf Betten an. „Das ist die erste Eskalationsstufe“, erläutert Christoph. Im Normalfall seien es zehn Betten. Bei mehr Bedarf könne man auf 16 Betten aufstocken, also Eskalationsstufe zwei. Bei Stufe drei wären es dann 20 Betten. „Das ist aber mit dem aktuellen Personal nicht machbar“, sagt Christoph. Schon jetzt sei die Arbeit nur deshalb zu stemmen, weil keine geplanten Operationen durchgeführt werden und dadurch Kollegen aus Anästhesie, OP und der normalen Station freie Kapazitäten hätten, um auf der Intensivstation und den beiden Isolierstationen auszuhelfen. „Es ist für alle eine Extremsituation“, fasst Christoph zusammen.
Eine Extremsituation stellt Corona auch für den logistischen und finanziellen Bereich des Klinikums dar. Zwar seien die Schutzanzüge nun deutlich günstiger als noch zu Zeiten der ersten Welle, dennoch ist der Bedarf enorm. Christoph schätzt, dass pro Tag allein auf der Intensivstation pro Corona-Zimmer etwa 30 Schutzkittel benötigt werden. „Bei uns auf der Station wird zwei Mal am Tag der Müll abgeholt.“Dazu kommen weitere, erhebliche Mengen Müll aus den Isolierstationen.
Alles in allem kann die Stationsleiterin angesichts dieser Situation auch nicht verstehen, warum Menschen immer noch das Virus leugnen. Doch sie hofft wie so viele, dass sich die Situation in den kommenden Monaten durch die Impfungen normalisiert. Wann sie und ihre Kollegen geimpft werden, steht allerdings noch nicht fest.