Eine AfD-Tirade wie es viele gibt
Irndorfer Ex-Bürgermeister Norbert Zerr sieht in seinem Buch „Polizei im Fadenkreuz“innere Sicherheit gefährdet
IRNDORF/KREIS TUTTLINGEN Der frühere Bürgermeister von Irndorf, Norbert Zerr, hat ein Buch über die Polizei geschrieben. Und dazu einen prominenten Vorwort-Autor gefunden: OB Boris Palmer aus Tübingen. Und das ist die eigentliche Peinlichkeit an dieser Polemik.
„Polizei im Fadenkreuz“heißt der Titel des Buchs, das im Bad Schussenrieder Gerhard Hess Verlag erschienen ist, „Innere Sicherheit auf Untergangskurs“der nicht minder reißerische Untertitel. Norbert Zerr schreibt aus einer Insidersicht über die Polizei: Er war früher, von 1981 bis 2003, selbst Polizist, zuletzt Polizeihauptkommissar. Mit dem neuen Jahr übernahm er wieder eine Stelle in einer öffentlichen Verwaltung, nachdem er mehrere Jahre in der Bußgeldstelle, Waffenrecht der Spaichinger Verwaltung tätig war: Er wurde mit dem 1. Januar Hauptamtsleiter der Gemeinde Veringenstadt im Landkreis Sigmaringen.
Mit seinem Buch „Polizei im Fadenkreuz“hat Zerr ein Buch geschrieben, das auch den Titel „Bitte wählt die AfD!“tragen könnte. Die Rechtspopulisten sind für Zerr ein „Hoffnungsschimmer“; er sieht die Polizei aktuell von den anderen Parteien, zumal denen in Regierungsverantwortung, regelrecht gefährdet und auf verlorenem Posten. Und mit ihr das ganze Land, das er mit der sinkenden „Titanic“vergleicht, die ihren Eisberg-Crash schon hinter sich hat. Und im besten AfD-Jargon sieht er das Land als „Demokratur“.
Ausländerinnen und Ausländer, arabische Clans, Mafiagangster, Linke, Grüne, Liberale, eine schlaffe Justiz, die nicht durchgreift, alle möglichen Gutmenschen – sie gefährden aus Zerrs Sicht das, was man gemeinhin „innere Sicherheit“nennt. Im Kampf an diesen vielen Fronten sieht der Ex-Schultes diese, seine Polizei von „der Politik“immer mehr „im Stich gelassen“; er hält dem ein Wunschbild der Polizei entgegen, die man einfach besser machen ließe, um effizient zu werden. Klar, dass er auf die wachsende Zahl von Skandalen um die Polizei nicht eingeht. Rassismus – das sind die anderen.
Doch wie gesagt: eine AfD-Tirade wie es viele gibt. Doch da ist noch das Vorwort. Und das hat einer geschrieben, der eigentlich auf Zerrs Feindesliste stehen müsste, denn die Grünen werden im Buch mehrfach als Untergang Deutschlands gebrandmarkt. Was um alles in der Welt hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer geritten, sich für diese Polemik mit einem Vorwort herzugeben? Hat er das Buch ganz gelesen? Weiß er, welche Thesen Zerr da vertritt? Palmer schreibt immerhin, der Rundumschlag des Ex-Bürgermeisterkollegen sei „ein wertvoller Diskussionsbeitrag“. Einschränkend weist er darauf hin, dass man „sich den Urteilen
und Wertungen (Zerrs; d. Red.) nicht anschließen“müsse.
Norbert Zerr hat eine merkwürdige Karriere gemacht. Nach den Jahren bei der Polizei, Grundlage seines Buchs, wurde er aus dem aktiven Dienst heraus 2003 zum Bürgermeister der kleinen Gemeinde Irndorf gewählt, nachdem er schon zuvor in zwei kleinen Kommunen – Hausen ob Verena und Villingendorf – gescheitert war. Von Irndorf aus bewarb er sich zweimal in anderen Gemeinden, in Schömberg und Sonnenbühl, wieder ohne Erfolg; 2011 wurde er nach nur einer Amtszeit abgewählt, als er gegen seinen Mitbewerber Rudolf Fluck – wie Zerr in der CDU – unterlag.
Anschließend driftete er nach rechts ab, war zeitweise für das Portal watergate.tv als Autor tätig, auf dem Verschwörungserzählungen verbreitet werden. Zum Amtswechsel 2011 kolportierte die Stuttgarter Kontextwochenzeitung später eine Intrigenerzählung, derzufolge der damalige Tuttlinger Landrat Guido Wolf (CDU) dazu beigetragen habe, Zerr mit Hilfe eines anderen CDU-Kandidaten aus dem Amt zu drängen (Wolf zu Zerr angeblich: „Ich werde Sie kleinmachen!“). Wolf widersprach dem Inhalt des Artikels energisch.
Im Gerhard-Hess-Verlag hat Zerr eine adäquate politische Heimat gefunden. Das oberschwäbische Unternehmen gilt als „inoffizieller“AfD-Hausverlag, veröffentlicht erzkonservative bis reaktionäre Bücher, unter anderem vom AfD-Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen, sowie auch aus dem Vertriebenenmilieu.