Die stille Jagd nach dem Flow
Fernsehen statt Fans: Das Tischtennis-Pokal-Final-Four in Neu-Ulm muss leiden
NEU-ULM - Vieles wird anders sein am Samstag in der Neu-Ulmer Ratiopharm Arena, wenn sich vier Tischtennis-Bundesligisten ab 11 Uhr auf die Jagd nach dem deutschen Pokal machen. Statt bis zu 4500 Zuschauern, die bei den bisher fünf Final-FourAuflagen auf den Tribünen für Rabatz sorgten und der TTBL Sport GmbH mit ihrem Bad Waldseer Geschäftsführer Niko Stehle einen ordentlichen Gewinn bescherten, wird es diesmal keinen einzigen geben. Nur die Betreuer und Mitspieler werden versuchen, ihren Teams durch ihre MundNasen-Masken auf der Jagd nach der Trophäe Feuer zu machen. Und egal, wer gewinnt: Eine große Feier wird aufgrund der Corona-Pandemiebestimmungen nicht stattfinden. „Wenn es so weit kommt, werde ich den Jungs empfehlen, zu Hause ein Bier aufzumachen. Denn feiern müssen sie auf jeden Fall. Wenn man etwas erreicht hat, muss man es auch genießen“, sagt Kristijan Pejinovic, Präsident der TTF Liebherr Ochsenhausen. Die sind nach wie vor der Lokalmatador, nachdem der aufstrebende TTC Neu-Ulm am Finaleinzug scheiterte.
Die TTF, 2019 Doublesieger und derzeit mit 16:6 Punkten BundesligaZweite, peilen ihr sechstes nationales Finale in Folge an, und die Chance, es zu erreichen, steht gut. Im Halbfinale treffen sie auf den Ligavierten TTC Bergneustadt (16:8) um Nationalspieler Benedikt Duda und zwei alte Bekannte: den Österreicher Stefan Fegerl, vor zwei Jahren einer der Titelgaranten der TTF, und Alvaro Robles, den WM-Zweiten im Doppel, der jahrelang Teil der Ochsenhausener Trainingsgruppe war. Die TTF sind favorisiert, Bergneustadt hat ein Team, das ihnen liegt, zudem ist Ochsenhausens Spitzenspieler Hugo Calderano, der bei den jüngsten Niederlagen in Düsseldorf und Bad Königshofen wegen leichten Adduktorenproblemen fehlte, wieder im Boot. „Hugo hat den Cup 2019 fast im Alleingang geholt, und wie wertvoll er ist, sah man 2020 bei unserer Finalniederlage gegen Grünwettersbach, als er verletzt war“, sagt Pejinovic. Der TTF-Macher ist „hochzufrieden“mit der bisherigen Saison, die auch durch eine interne CoronaQuarantäne dazu führt(e), dass ein Spiel das nächste jagt. Gleich drei Ligapartien bestreiten die TTF in der nächsten Woche, auch, weil die Bundesliga
im Kampf gegen den Weltverband ITTF um die Termine vor Olympia offenbar kapituliert hat. „Man findet kaum einen Rhythmus, und die Liga verliert derzeit ein wenig ihre Struktur. Das ist schon grenzwertig“, sagt Pejinovic.
Umso mehr freut sich der 40-Jährige auf das Final Four und ein mögliches Endspiel, das wie schon das LigaFinale im Juni live ab 15.30 Uhr vom TV-Sender Sport1 übertragen wird (alle Matches auf sportdeutschland.tv). Gegner könnte dann der Champions-League-Sieger und Rekordmeister Borussia Düsseldorf sein, der gegen den ASV Grünwettersbach um Nationalspieler Dang Qiu, der ab dem Sommer für Düsseldorf spielt, klar favorisiert ist. Vor allem der Schwede Anton Källberg (23) begeisterte zuletzt bei den Düsseldorfern, sowohl in der Liga (Bilanz 14:1) als auch in der Champions League (8:0). „Anton ist in einem Flow, aber auch einer, der beständig gut arbeitet. Das macht sich dann auch am Tisch bemerkbar. Er hat unbestritten großes Potenzial“, sagt Düsseldorfs RekordEuropameister Timo Boll, der erleichtert war nach dem Sieg in der Königsklasse. „Wir wussten gar nicht mehr, wie sich so ein Titel anfühlt.“
Die TTF dürften gegen Düsseldorf Außenseiter sein, zumal der US-Neuzugang Kanak Jha an Position drei noch Probleme hat. „Für drei unserer Jungs ist es das erste Finale, deshalb sind wir Außenseiter. Aber wir haben keinen Druck, und auch bei uns ist Simon Gauzy (Bilanz 15:3) in einer Super-Form. Dass wir so gut dastehen, haben wir ihm zu verdanken“, sagt Pejinovic. „Simon liebt und braucht die Energie, die von den Fans kommt, aber die werden wir ihm diesmal geben.“