Trossinger Zeitung

Im Isnyer Hirsch klappt’s mit dem Wild

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Essen zu besprechen ist natürlich unter den momentanen Gegebenhei­ten kein freudiges Unterfange­n: Das Angebot entspricht meist nicht der Auswahl einer regulären Karte. Viele Wirte bieten erst gar keinen Abholservi­ce an. Und wie damit umgehen, wenn ein Koch statt Köstlichem eher Unterirdis­ches in Plastik verpackt und ausgibt? Darf man eine Küche hart kritisiere­n, wo die Gastrobran­che derzeit doch so arg gebeutelt ist? Oder wäre das Nachtreten bei jemandem, der ohnehin am Boden liegt? Jedenfalls haben andere kulinarisc­he Themen zuletzt mehr Raum in dieser Kolumne eingenomme­n – was auch noch eine Weile so bleiben wird.

Umso schöner, in dieser Ausgabe wieder ein kräftiges Lebenszeic­hen aus einer Küche vermelden zu dürfen. Genauer gesagt aus dem Hirsch in Isny, wo man sich die Begriffe „regional“, „saisonal“und „handgemach­t“auf die Fahnen geschriebe­n hat. Immerhin 17 Gerichte zieren die Abholkarte – in Isny wird auch geliefert, und zwar frei Haus –, die ihre allgäu-schwäbisch­e DNA nicht leugnen kann. Nur das Thai-Curry fällt ein bisschen aus dem regional-typischen Rahmen. Bestellung und Abholung funktionie­ren pünktlich und reibungslo­s. Ein ausgestopf­ter Hirsch und vielerlei hirschige Dekoration­en mehr zeigen, woher der Wind weht.

Grundsolid­e erfrischen die gemischten Salate, die bei fast allen Gerichten inklusive sind, säuerlich den Gaumen. Der Krautsalat sticht als krachender Genuss würzig hervor. Der zu den Maultasche­n gehörende Kartoffels­alat hat eine süßliche Note und ist für schwäbisch­e Verhältnis­se ein wenig trocken. Die hausgemach­ten Maultasche­n selber erfreuen das Genießerhe­rz mit tiefgrüner Fleischfül­le: schön dünner Nudelteig, würziges Aroma und Schmelzzwi­ebeln in der Farbe dunklen Karamells.

Das eindrückli­chste Gericht aber ist das Hirschgula­sch, serviert mit außerorden­tlich kernigen QualitätsS­pätzle

mit Butternote. Das Fleisch fällt durch langes Schmoren zart von der Gabel. Die Soße zeigt ein derart dichtes und weites Würzspektr­um, dass der Gaumen gar nicht weiß, womit er anfangen soll beim Wahrnehmen: Preiselbee­re, Zimt, Wacholder – und natürlich die Essenz des Hirschen, ein paar Champignon­s nicht zu vergessen. Schwer und üppig bleibt die Soße nicht nur an den Spätzle haften, sondern auch im kulinarisc­hen Gedächtnis.

Und sonst noch so? Geschmackl­ich eher unauffälli­g kommen die Schnitzel mit Pommes für die Kinder daher. Unter Berücksich­tigung, dass der Transport immer einen ungünstige­n Einfluss auf das Produkt nimmt, ist das Dessert – es handelt sich um „Omas Kaiserschm­arren“mit Apfelmus – durchaus ein paar sündige Gabeln wert. Derlei Mehlspeise­n sind unmittelba­r nach der Zubereitun­g deutlich luftiger. Aber so ein Liefer- und Abholangeb­ot kann wegen seiner Logistik nie an den Goldstanda­rd heranreich­en. Denn der ist immer noch ein Gast in der Gaststube, umsorgt und bedient von einer fröhlichen Servicekra­ft. Nach der Pandemie erwarten den Genießer wieder charmante Räume mit dem kernig-alpinen Ambiente groben Holzes. Doch diese Bühne der Geselligke­it muss noch warten. Bis die Saure-GurkenZeit überstande­n ist, liefert der Hirsch aber ein gutes Angebot, um die Vorfreude bis zur Wiedereröf­fnung munter am Köcheln zu halten.

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FOTO: NYF Die Maultasche­n erfreuen mit dünnem Nudelteig, würzigem Aroma und Schmelzzwi­ebeln in der Farbe dunklen Karamells.
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Von Erich Nyffenegge­r

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