Welle der Solidarität mit Kroatien
Hilfskonvoi aus VS unterstützt die Menschen in der Erdbebenregion
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Mit einer beispiellosen Hilfsaktion für das Erdbebengebiet in Kroatien sorgten Alen Muratagic und seine zahlreichen Helfer kurz vor dem Jahreswechsel für viel Aufsehen. Nun sind sie aus dem Krisengebiet zurückkehrt und berichten von der ungewöhnlichen Reise.
Es ist ein beeindruckendes Bild, als an Neujahr vier Sattelschlepper die Doppelstadt verlassen und sich auf eine knapp 1000 Kilometer lange Reise nach Kroatien begeben. Mit an Bord: mehrere Tonnen Hilfsgüter, die Menschen aus der gesamten Region und darüber hinaus innerhalb von zwei Tagen gespendet haben. „Eigentlich ist so etwas an zwei Tagen nicht zu schaffen“, sagt Alen Muratagic. Er ist frisch zurück aus dem Erdbebengebiet und lässt die unglaubliche Hilfsaktion, die im positiven Sinne gänzlich aus dem Ruder lief, Revue passieren. „Eigentlich haben wir damit gerechnet, dass so 50 Leute aus unserem Bekanntenkreis helfen und wir dann mit drei Transportern rüber fahren“, so der 43-jährige Familienvater, der mit der betroffenen Region tief verwurzelt ist.
Doch: Die Aktion habe sich verselbstständigt. Vielfach wurde in den sozialen Medien zur Spende aufgerufen – dieser Aufruf verbreitete sich in Windeseile und sorgte für eine Welle der Solidarität – und zwar über sämtliche Nationalitäten hinweg. Während Muratagic und seine Familie sowie weitere Mitstreiter zunächst die Waren in einer Garage in der Breslauer Straße sammeln wollte, stellte sich schnell heraus: Der Platz reicht nicht mehr. „Wir haben uns gefragt: ,Was ist jetzt passiert?’ Plötzlich war die ganze Straße voller Autos“, erinnert sich Muratagic.
An dieser Stelle kam erstmals Tanja Hezel ins Spiel, die ebenfalls für die Spendenaktion geworben hatte. Denn Hezel organisierte auf dem alten Burger-Spritzguss-Areal in Villingen eine große Lagerhalle, die spontan genutzt werden konnte. Wie wichtig dies war, zeigte sich auch an Silvester. Denn die Helfer wurden förmlich überrannt von Menschen aus nah und fern, die ihre Spenden abgeben wollten. Lange Autoschlangen bildeten sich vor der Lagerhalle.
Mit dem Ansturm ergaben sich aber weitere Probleme: Wie sollen die ganzen Güter nach Kroatien kommen? Der 43-Jährige mobilisierte kurzerhand seinen Bekannten Veljko Uzelac, der von Rotterdam vier Sattelschlepper über VS schickte, die unbeladen ohnehin wieder nach Kroatien hätten fahren müssen. Über eine der Hauptschwestern des Roten Kreuzes in Sisak konnte zudem eine Genehmigung für den
Transport der Waren eingeholt werden; weitere Beziehungen sorgten dafür, dass auch an der Grenze zu Kroatien keine bösen Überraschungen warteten.
Und Hezel kam danach erneut ins Spiel: Denn die junge Unternehmerin erwies sich als Dreh- und Angelpunkt der Organisation in VS und half ebenso bei der Ausnahmegenehmigung hinsichtlich Ausgangssperre, um das Sortieren der Waren und das Beladen der Sattelschlepper zu ermöglichen. „Es ist der Wahnsinn, was sie alles gemacht hat“, zeigt sich Muratagic beeindruckt vom Engagement.
So konnte der Transport an Neujahr auch reibungslos starten. Ein Sattelzug sei dabei mit Lebensmitteln beladen gewesen, zwei mit Kleidung und der vierte mit verschiedensten Hilfsgütern – Folien, Hygieneartikel und auch Heizkörper, die mit dem gespendeten Geld gekauft wurden. Für die Organisatoren aus VS war dann ebenfalls klar: Man möchte mit vor Ort sein, wenn der Hilfskonvoi ankommt. „Uns war wichtig, dass dort alles in die richtigen Hände kommt – wir sind deshalb mit unseren Autos hinterher gefahren“, erzählt der 43-Jährige.
Vor Ort erlebten die Helfer schockierende Zustände. Immer wieder kommt es zu Nachbeben, innerhalb von zwei Tagen wurden 400 Erdbeben
registriert. Die Menschen in Petrinja und Sisak würden teilweise auf den Straßen schlafen, weil sie Angst hätten, zurück in die Gebäude zu gehen. Andere liegen direkt an den Haustüren, um im Notfall schnell das Gebäude verlassen zu können. Die großen Zerstörungen geben den Helfern das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Dramatisch ist die Lage dort insbesondere deshalb, weil sich die Region noch immer nicht von den Jugoslawienkriegen in den 90erJahren erholt hat. Die Erdbeben sorgen nun dafür, dass die Investitionen in die Infrastruktur teilweise wieder um Jahre zurückgeworfen wurden. Umso mehr spüren Muratagic und sein Team bei der Ausgabe der Hilfsgüter die grenzenlose Dankbarkeit der Menschen.
Aus Verbundenheit zum kroatischen Feuerwehrverband starteten auch die hiesigen Einsatzkräfte in Zusammenarbeit mit dem Landesfeuerwehrverband und dem Nachbarlandkreis Breisgau-Hochschwarzwald einen Hilfskonvoi. Von der Sammelstelle im Hüfinger Feuerwehrgerätehaus, wo sämtliche Materialien – feuerwehrtechnische Ausrüstung sowie weitere Hilfsgüter – innerhalb von 24 Stunden mit mehr als 30 Helfern organisiert, sortiert, verpackt und verladen wurden, ging es mit drei Fahrzeugen zur weiteren Sammelstelle nach Bad Krozingen.
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