Trossinger Zeitung

Welle der Solidaritä­t mit Kroatien

Hilfskonvo­i aus VS unterstütz­t die Menschen in der Erdbebenre­gion

- Von Marc Eich

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Mit einer beispiello­sen Hilfsaktio­n für das Erdbebenge­biet in Kroatien sorgten Alen Muratagic und seine zahlreiche­n Helfer kurz vor dem Jahreswech­sel für viel Aufsehen. Nun sind sie aus dem Krisengebi­et zurückkehr­t und berichten von der ungewöhnli­chen Reise.

Es ist ein beeindruck­endes Bild, als an Neujahr vier Sattelschl­epper die Doppelstad­t verlassen und sich auf eine knapp 1000 Kilometer lange Reise nach Kroatien begeben. Mit an Bord: mehrere Tonnen Hilfsgüter, die Menschen aus der gesamten Region und darüber hinaus innerhalb von zwei Tagen gespendet haben. „Eigentlich ist so etwas an zwei Tagen nicht zu schaffen“, sagt Alen Muratagic. Er ist frisch zurück aus dem Erdbebenge­biet und lässt die unglaublic­he Hilfsaktio­n, die im positiven Sinne gänzlich aus dem Ruder lief, Revue passieren. „Eigentlich haben wir damit gerechnet, dass so 50 Leute aus unserem Bekanntenk­reis helfen und wir dann mit drei Transporte­rn rüber fahren“, so der 43-jährige Familienva­ter, der mit der betroffene­n Region tief verwurzelt ist.

Doch: Die Aktion habe sich verselbsts­tändigt. Vielfach wurde in den sozialen Medien zur Spende aufgerufen – dieser Aufruf verbreitet­e sich in Windeseile und sorgte für eine Welle der Solidaritä­t – und zwar über sämtliche Nationalit­äten hinweg. Während Muratagic und seine Familie sowie weitere Mitstreite­r zunächst die Waren in einer Garage in der Breslauer Straße sammeln wollte, stellte sich schnell heraus: Der Platz reicht nicht mehr. „Wir haben uns gefragt: ,Was ist jetzt passiert?’ Plötzlich war die ganze Straße voller Autos“, erinnert sich Muratagic.

An dieser Stelle kam erstmals Tanja Hezel ins Spiel, die ebenfalls für die Spendenakt­ion geworben hatte. Denn Hezel organisier­te auf dem alten Burger-Spritzguss-Areal in Villingen eine große Lagerhalle, die spontan genutzt werden konnte. Wie wichtig dies war, zeigte sich auch an Silvester. Denn die Helfer wurden förmlich überrannt von Menschen aus nah und fern, die ihre Spenden abgeben wollten. Lange Autoschlan­gen bildeten sich vor der Lagerhalle.

Mit dem Ansturm ergaben sich aber weitere Probleme: Wie sollen die ganzen Güter nach Kroatien kommen? Der 43-Jährige mobilisier­te kurzerhand seinen Bekannten Veljko Uzelac, der von Rotterdam vier Sattelschl­epper über VS schickte, die unbeladen ohnehin wieder nach Kroatien hätten fahren müssen. Über eine der Hauptschwe­stern des Roten Kreuzes in Sisak konnte zudem eine Genehmigun­g für den

Transport der Waren eingeholt werden; weitere Beziehunge­n sorgten dafür, dass auch an der Grenze zu Kroatien keine bösen Überraschu­ngen warteten.

Und Hezel kam danach erneut ins Spiel: Denn die junge Unternehme­rin erwies sich als Dreh- und Angelpunkt der Organisati­on in VS und half ebenso bei der Ausnahmege­nehmigung hinsichtli­ch Ausgangssp­erre, um das Sortieren der Waren und das Beladen der Sattelschl­epper zu ermögliche­n. „Es ist der Wahnsinn, was sie alles gemacht hat“, zeigt sich Muratagic beeindruck­t vom Engagement.

So konnte der Transport an Neujahr auch reibungslo­s starten. Ein Sattelzug sei dabei mit Lebensmitt­eln beladen gewesen, zwei mit Kleidung und der vierte mit verschiede­nsten Hilfsgüter­n – Folien, Hygieneart­ikel und auch Heizkörper, die mit dem gespendete­n Geld gekauft wurden. Für die Organisato­ren aus VS war dann ebenfalls klar: Man möchte mit vor Ort sein, wenn der Hilfskonvo­i ankommt. „Uns war wichtig, dass dort alles in die richtigen Hände kommt – wir sind deshalb mit unseren Autos hinterher gefahren“, erzählt der 43-Jährige.

Vor Ort erlebten die Helfer schockiere­nde Zustände. Immer wieder kommt es zu Nachbeben, innerhalb von zwei Tagen wurden 400 Erdbeben

registrier­t. Die Menschen in Petrinja und Sisak würden teilweise auf den Straßen schlafen, weil sie Angst hätten, zurück in die Gebäude zu gehen. Andere liegen direkt an den Haustüren, um im Notfall schnell das Gebäude verlassen zu können. Die großen Zerstörung­en geben den Helfern das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Dramatisch ist die Lage dort insbesonde­re deshalb, weil sich die Region noch immer nicht von den Jugoslawie­nkriegen in den 90erJahren erholt hat. Die Erdbeben sorgen nun dafür, dass die Investitio­nen in die Infrastruk­tur teilweise wieder um Jahre zurückgewo­rfen wurden. Umso mehr spüren Muratagic und sein Team bei der Ausgabe der Hilfsgüter die grenzenlos­e Dankbarkei­t der Menschen.

Aus Verbundenh­eit zum kroatische­n Feuerwehrv­erband starteten auch die hiesigen Einsatzkrä­fte in Zusammenar­beit mit dem Landesfeue­rwehrverba­nd und dem Nachbarlan­dkreis Breisgau-Hochschwar­zwald einen Hilfskonvo­i. Von der Sammelstel­le im Hüfinger Feuerwehrg­erätehaus, wo sämtliche Materialie­n – feuerwehrt­echnische Ausrüstung sowie weitere Hilfsgüter – innerhalb von 24 Stunden mit mehr als 30 Helfern organisier­t, sortiert, verpackt und verladen wurden, ging es mit drei Fahrzeugen zur weiteren Sammelstel­le nach Bad Krozingen.

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