Gestrandet im Autohaus
Der Zirkus „Salto Mortale“weiß nicht, wann es weitergehen kann
ROTTWEIL/FRITTLINGEN/ALDINGEN/SPAICHINGEN - Viel Solidarität in einer für den Zirkus schwierigen Zeit haben die Menschen und Tiere des kleinen Familienzirkus „Salto Mortale“erfahren, der nach Gastspielen in Aldingen und Frittlingen seit Anfang November in Rottweil eine Corona-Zwangspause verbringen muss. „Das Schlimmste dabei“, so sagt Familien-Patriarchin Monika Bügler im Gespräch mit unserer Zeitung, „ist es, zur Untätigkeit verdammt zu sein“.
Auch in „normalen“Jahren würde der Zirkus jetzt Winterpause machen, nach Beendigung des Weihnachtszirkus – gewöhnlich am 5. Januar. Doch in diesem Winter ist alles anders: Seit Anfang November sind keine Vorstellungen mehr möglich – kein Weihnachtszirkus und keine weiteren Auftritte. Und damit auch keine Einnahmen.
„Glück im Unglück“hat der Zirkus insofern, als er im ehemaligen VW-Autohaus an der Rottweiler Saline eine Unterkunft für den Winter gefunden hat. Zumindest bis Ende März – und, wenn nötig, auch noch ein bisschen länger, so hofft Familie Bügler – dürfen sie hier bleiben. Ab und zu bleibt eine Familie mit Kind am Zaun direkt an der Tuttlinger Straße gegenüber dem Kaufland stehen und beobachtet neugierig die Kamele, Lamas und Yaks, die vormittags aus dem Stall – der ehemaligen Werkstatt des einstigen Autohauses – gelassen werden, um ein wenig Bewegung zu haben. In den ehemaligen Werkstatträumen ist eine kleine Manege aufgebaut, in der Tiere und Menschen ein wenig trainieren können. Doch die Auftritte vor Publikum ersetzt das nicht.
„Der Zirkus ist eine der ältesten Kunstformen“, sagt Monika Bügler. Dennoch werde er nicht als solche anerkannt und dementsprechend gäbe es für den Verdienstausfall während der Corona-Zwangspause keinen staatlichen Ausgleich. Sie selbst bezieht eine Rente, ihre Söhne und Enkel haben sich beim Jobcenter arbeitslos gemeldet. Aber jetzt im Januar stehen wieder die Versicherungen
TRAUERANZEIGEN
für die LKW und andere laufende Ausgaben an, so dass der Zirkus weiterhin und mehr denn je auf Spenden angewiesen ist – die aber gerade jetzt nach Weihnachten wieder in Stocken geraten sind, wie Adriano Bügler feststellt.
Einen Kredit aufzunehmen und Schulden zu machen, das kommt für den Zirkus nicht in Frage: Zum einen hat man ja keine Sicherheiten zu bieten, etwa in Form eigener Grundstücke oder Häuser. Und vor allem weiß Familie Bügler ja überhaupt nicht, wann und wie es überhaupt weitergeht, und wann man wieder Einnahmen hat. Das hängt von der weiteren Entwicklung der Corona-Situation ab und davon, wie der Staat darauf reagieren wird, was keiner absehen kann. Deshalb ist es für den Zirkus jetzt auch schlicht unmöglich, bereits irgendwelche Auftritte zu planen, Standplätze zu buchen oder Werbung zu machen. Normalerweise geht die Tournee-Saison Anfang März – bei guter Witterung auch schon Ende Februar – wieder los.
Doch mindestens bis Ende März – und wahrschenlich noch länger – müssen sie mit Auftrittsverbot rechnen.
Dank großzügiger Unterstützung sind jetzt Futtervorräte für rund zwei Wochen da. Aber die werden dann auch aufgebraucht sein. Immerhin sind fünf Kamele, zwölf Pferde, zwei Esel und zwei Lamas, zwei Ziegen, fünf Rinder sowie fünf Enten zu versorgen.
Schade sei es, wenn man ab und zu die Spenden wohlmeinender und hilfsbereiter Menschen auch ablehnen muss, etwa weil Salat oder Kohl als Tierfutter kaum geeignet sind. Äpfel oder Karotten können als zusätzliches Futter in begrenzten Mengen zugefüttert werden. Vor allem aber wird Heu gebraucht. Und derzeit schärfen einige der Tiere ihre Zähne an der Rinde und den Nadeln ausgedienter Weihnachtsbäume.
Mitte November haben Mitglieder der CDU Aldingen-Aixheim gemeinsam mit der Tuttlinger CDUKreisvorsitzenden Anna Lena Weiss auf Initiative von CDU-Mitglied und Zirkus-Fan Dietmar Guldi Futter sowie 850 Euro als Spende übergeben.
Zu den regelmäßigen Unterstützern von „Salto Mortale“gehört auch Conny Schmitt, der in Spaichingen einen Getränkehandel betreibt. Anfang November war eine Abordnung des Zirkus bei ihm, hatte ihre Situation geschildert und um Getränkeund Lebensmittelspenden gebeten. „Ich habe mir gedacht: Ich helfe. Das sind arme Schlucker, wenn sie von Vater Staat nichts bekommen.“Seitdem lässt er alle zwei Wochen eine Ladung Lebensmittel vorbei bringen. „Ich bestelle das im Großhandel und der Lieferant bringt es dann direkt dort vorbei. Dann brauch ich das nicht auch noch zu machen.“Seine regelmäßigen Getränke- und Lebensmittelspenden bezahlt er aus eigener Tasche. Seit November hat er außerdem eine Spendenkasse in seinem Getränkehandel aufgestellt.
Dabei habe er mit Zirkus eigentlich „nichts am Hut“, so Conny Schmitt. „Das war vielleicht vor 30 Jahren, wo ich zuletzt im Zirkus war.“Warum dann sein regelmäßiges Engagement? „Jeden Tag eine gute Tat“, sagt er und lacht laut.