„Wir verfolgen einen Stufenplan“
Freilichtmuseumsleiter Andreas Weiß über die Krise, den kreativen Umgang damit und die Zukunft
NEUHAUSEN OB ECK - Bis zur Öffnung des Freilichtmuseums sind es noch einige Monate, dennoch laufen die Vorbereitungen für die neue Saison bereits. Einfluss darauf hat wie im Jahr 2020 auch die Corona-Pandemie. Museumsleiter Andreas Weiß hat mit unserer Redakteurin Linda Seiss darüber gesprochen, worauf es bei der Programmplanung ankommt, welche Erkenntnisse das Ausnahmejahr 2020 gebracht hat und warum Digitalisierung nicht alles ist.
Herr Weiß, als Sie im April Ihre Arbeit als Museumsleiter aufgenommen haben, standen Krisenmanagement und die Vorbereitung auf den Tag X, an dem das Freilichtmuseum wieder öffnen kann, ganz oben auf der To-do-Liste: Wie haben sich Ihre Aufgaben im Laufe des vergangenen Jahres entwickelt?
Das eine war natürlich, die Schließung zu managen. Denn mit meinem Amtsantritt haben wir das Museum quasi gar nicht öffnen können. Es mussten verschiedene Dinge abgesagt und auch so kommuniziert werden. Dann begann eine zweite Phase. Als sich angedeutet hat, dass wir auch eine Öffnungsperspektive haben. Diese hat sich dann mit dem 8. Mai verwirklicht. Die Frage war, was wir überhaupt öffnen können und wie wir das umsetzen, dass es den Hygieneregeln entspricht. Also: Wie regeln wir den Zugang zu Gebäuden? Wie regeln wir die Bewegung auf dem Gelände oder im Kassenbereich? Wo stellen wir Hygienetafeln und Hygienespender auf? Wie können wir Veranstaltungen anbieten? Beispielsweise Vorführungen, die wir unter den freien Himmel verlegt haben. Es ging also dann darum, den Umgang mit der Krise so zu meistern, dass etwas geboten ist, aber natürlich auch die Regeln eingehalten werden. So hat sich das allmählich entwickelt.
Aber es gab auch Bereiche, die waren weniger durch Corona beeinflusst. Beispielsweise die Sanierungsarbeiten an der Kirche, die dann in Zusammenarbeit mit dem Hochbauamt relativ normal abgewickelt werden konnten – auch wenn es eine große Maßnahme war (siehe Infokasten).
Um im Frühjahr trotz Krise einen Museumsbesuch zu ermöglichen, haben Sie das Zeitgeschehen in Teilen ins Internet verlagert. Wie ist das Digitale Museum angenommen worden?
Das ist insbesondere anfänglich gut angenommen worden, als wir noch ganz geschlossen hatten. Es gab einige Rückmeldungen, beispielsweise bei unseren Rätseln, die wir ins Netz gestellt haben. Im Zuge der Wiedereröffnung des Museums haben wir da einfach ein bisschen Manpower abziehen müssen, weil schlicht die Veranstaltungen auf dem Gelände organisiert werden mussten. Und ich hatte auch den Eindruck, das bestätigen mir auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Museen, dass im Laufe der Wiederöffnung dann einfach das Erlebnis des realen Ortes immer wichtiger wurde und die Leute dann gesagt haben: Digital ist schön, aber jetzt möchten wir wieder aufs Gelände. Und ich denke, das ist auch ein Fazit aus dieser CoronaKrise im Hinblick auf Museumsarbeit, dass der authentische Ort doch eine größere Bedeutung hat, als man es in den letzten Jahren vermuten konnte.
Sie sprechen es an: Den Sommer über konnte dann wieder im Freilichtmuseum selbst Geschichte erlebt werden. Wie fällt Ihr Resümee zur Museumssaison 2020 aus? Insgesamt überraschend positiv, auch wenn wir uns diese Situation nie gewünscht hätten. Positiv aber zum einen, weil die Besucher sehr dankbar waren, dass es einfach wieder verschiedene Angebote gab und der überwiegende Teil sehr verständnisvoll war. Und zum anderen auch deshalb, weil wir im Museumsteam so kreativ auf die Situation reagiert haben, eben mit an die Situation angepassten Angeboten. Deshalb ist diese Museumssaison vielleicht mittelfristig gesehen sogar ein Treiber für neue Ideen gewesen. Das wird sich natürlich erst zeigen müssen, aber die Museumssaison hat neben Schatten auch Licht.
Sie sagen, dass die Pandemie ein Treiber für neue Ideen sein kann. Sie haben im Frühjahr dazu aufgerufen, sich an einem Sammelprojekt zur Corona-Krise zu beteiligen. Wie fällt die Resonanz aus? Wir haben einige Zuschriften, also Dokumente und Bilder, zum Thema Corona bekommen. Aber ich habe doch den Eindruck, dass irgendwie eine Müdigkeit eingezogen ist, weil die Leute wieder das Reale erleben wollen – so wie das auch beim Digitalen Museum der Fall war. Dass es für eine richtige große Sonderausstellung reicht, glaube ich nicht. Aber vielleicht gibt es irgendwann einmal den Tag, an dem wir über Pandemien eine Ausstellung machen und natürlich auch die aktuelle thematisieren. Dann können wir auf das ein oder andere Dokument, das in diesem Zusammenhang eingegangen ist, zurückgreifen. Aber die Resonanz war jetzt nicht ganz groß.
Wie hat sich die Krise denn bisher finanziell auf den Museumsbetrieb ausgewirkt?
Dadurch, dass wir bis zum 8. Mai geschlossen haben mussten und auch keine Großveranstaltungen anbieten durften, haben wir natürlich im Vergleich zu den Vorjahren schon schmerzliche Rückgänge im Bereich der Einnahmen. Was beim Laden beispielsweise auffällig ist, dass pro Person dann wiederum mehr gekauft wurde als in den Jahren vorher. Also diejenigen, die kamen, haben dann auch ordentlich eingekauft. Aber klar, wenn man deutlich weniger Besucher hat, hat das auch Folgen für die Kasse.
Derzeit ist unser aller Alltag wieder von Einschränkungen geprägt. Wie lange uns diese begleiten werden, steht noch in den Sternen. Wie gehen Sie die Planungen für das Jahr 2021 an?
Wir haben als Freilichtmuseum den Vorteil, dass wir erst Ende März, am 27., öffnen. Wir haben also eine kleine Schonfrist. Ich denke an die Kolleginnen und Kollegen der anderen Museumsarten, die sind in einer katastrophalen Situation. Aber wir müssen natürlich auch planen und wir gehen davon aus, dass wir auch im nächsten Jahr noch eine Zeit lang mit dieser Pandemie zu tun haben. Wir haben dabei eine Mehrgleisigkeit eingerichtet, verfolgen einen
Stufenplan. Der sagt Folgendes: Wir rechnen auch weiterhin mit Sonderbedingungen. Das bedeutet, wir planen große Veranstaltungen im Moment, als ob wir sie anbieten könnten. Aber wir werden sie so vermarkten, dass deutlich wird, dass sie nur unter bestimmten Umständen angeboten werden können. Andere Veranstaltungen werden wir – wenn möglich – so planen, dass sie auch trotz und bei Einschränkungen durch Corona möglich sind. Ein Beispiel ist das Most-Seminar im Frühjahr, das wohl in eine Zeit fällt, in der Corona noch eine Rolle spielen wird. Wir werden das wahrscheinlich unter freiem Himmel mit ausreichend Abstand anbieten. Vielleicht auf der Streuobstwiese, wo dann die Bäume blühen. Das bietet eine besondere Atmosphäre. Also da versuchen wir eine Veranstaltung, die wir nicht fallen lassen wollen, entsprechend anzugleichen. Und drittens machen wir Veranstaltungen, die sich erst aus dieser Situation heraus ergeben. Beispielsweise die Exklusivführungen, die für sehr kleine Personengruppen unter freiem Himmel stattfinden. Also wir versuchen wieder ein vielfältiges Programm zu machen, das durch diese Mehrschichtigkeit relativ flexibel ist.
Gibt es auch etwas Positives, das Sie aus der Krise ziehen können? Das eine ist, dass wir gelernt haben, wie weit eine Museumsverwaltung in einer solchen Situation flexibel reagieren kann. Das hat uns allen sehr viel abverlangt. Vielfach war es ja so, dass wir ganz spät erst Regelungen vorgelegt bekommen haben, die dann umzusetzen waren. Die Flexibilität ist eine wichtige Sache im Kulturbereich und die wurde nun unter Beweis gestellt. Und das andere ist, wie kreativ Konzepte entwickelt wurden, die entsprechend unserem Museum greifen konnten, um diese besondere Situation so zu gestalten, dass das Museum attraktiv bleibt. Das ist eine positive Facette dieser Situation.Wir stecken gedanklich jetzt bereits im nächsten Jahr. So haben wir zum Beispiel den Schluss gezogen, dass die nächste Saison verlängert werden soll. Wir haben gesehen, natürlich auch bedingt durch die wunderschönen Spätherbsttage, dass bei den Besuchern der Bedarf da war, nochmal durch das Museum zu spazieren. Deswegen wollen wir das nächste Jahr die Herbstferien in unser Museumsprogramm integrieren, sodass die Möglichkeit besteht, bei hoffentlich schönem Herbstwetter, noch das Gelände zu nutzen. Das ist auch ein positives Fazit aus 2020.