Senioren tun sich schwer, Impftermine zu ergattern
Mobile Impf-Teams sind in den Pflegeheimen im Kreis unterwegs – Individuelle Termine meist ausgebucht
LANDKREIS TUTTLINGEN - Der Anfang ist gemacht. In einem Aldinger Pflegeheim sind am Dienstag fast 80 Menschen durch ein mobiles Team des Zentralen Impfzentrums (ZIZ) Offenburg gegen das Coronavirus geimpft worden (wir haben berichtet). Bis zum 20. Januar sollen mehr als 350 Bürger im Kreis ihren ersten Pieks bekommen haben. Obwohl die ersten Menschen der Region nun besser geschützt sind, mangelt es nicht an Kritik: Vor allem wegen der Vergabe der Termine.
Über die Telefon-Hotline 116 117 oder die Internetseite www.impfterminservice.de können sich Menschen, die einer Gruppe angehören, die zuerst geimpft werden soll, bei einem ZIZ oder ab dem 22. Januar beim Tuttlinger Kreisimpfzentrum für die Impfung anmelden. Für Anton Stier, Vorsitzender des Kreisseniorenrates, sind beide Möglichkeiten für ältere Menschen nicht gut geeignet. „Viele haben keine Möglichkeit, sich online einen Impftermin zu besorgen“, schreibt er in einer Pressemitteilung. Die Hotline sei überlastet und wegen der fehlenden Ortskenntnis im Call-Center eher dazu geeignet, dass „viele Ältere frustriert auf einen Impftermin verzichten“.
Dies, so Stier, dürfte dann nicht wenige besonders schutzbedürftige Menschen im Kreis betreffen. „In den Pflegeheimen wird das Impfen der über 80-Jährigen durch besondere Aktionen koordiniert. Dort haben die Leitungen darauf zu achten, dass das auch erfolgt. Der überwiegende Teil der über 80-Jährigen lebt aber zu Hause und wird dort gegebenfalls auch gepflegt“, meint Stier. Diese Menschen müssten sich selbst oder mit Hilfe von Verwandten oder Nachbarn um einen Termin kümmern.
Wie schwer das sein kann, erklärt ein 87-jähriger Leser, der sich an die Redaktion gewandt hat. „Wenn man die Nummer 116117 anruft, ist das viel zu kompliziert. Man muss ständig Nummern tippen (siehe Infokasten/ Anm. d. Red.), um überhaupt weiterzukommen. Viele ältere Leute können nicht damit umgehen, das müsste viel einfacher gehen. Da braucht man immer jemanden, der das mit einem macht, und nicht jeder hat jemanden. So kann man nicht mit den Leuten umgehen“, findet er.
Eine Mitarbeiterin unserer Zeitung hat ebenfalls die Erfahrung gemacht, wie schwer es ist, einen Termin zu bekommen. „Schon das Prozedere, um die nötigen Zugangscodes zu erhalten, dürfte für Senioren, die sich eventuell selbst online versuchen, schwierig sein“, berichtet sie. Stundenlang habe sie zu Hause vor ihrem Computer gesessen, um für ihre 85-jährige Mutter einen Termin zu bekommen. „Meinem Eindruck nach werden nur vereinzelt Termine frei, die eventuell abgesagt worden sind“, erzählt sie. Innerhalb von drei, vier Stunden hätte es drei bis sechs Terminvorschläge zwischen Offenburg und Ulm gegeben. „Ich habe mich sofort darauf gestürzt, ohne Rücksicht auf Termin oder Ort“, sagt sie. Dies war aber erst nicht erfolgreich. Sobald die Daten der Mutter eingegeben waren, kam die Meldung, der Termin sei schon gebucht. Bei der Hotline sei sie besser durchgekommen. Allerdings: „Um zu erfahren, dass es derzeit keine Termine gibt.“
Dass es kaum Termine gibt, schiebt Florian Mader, Pressesprecher des Landes-Sozialministerium, dem fehlenden Impfstoff zu (wir haben berichtet). Gleiches deutet auch Christian Falk, Pressesprecher der
Stadt Offenburg, an. Seit dem 27. Dezember sind durch das ZIZ Offenburg, das für die Landkreise Emmendingen, Ortenau, Rottweil, Schwarzwald-Baar und Tuttlingen zuständig ist, 6668 Menschen geimpft worden. Ein kleiner Teil im Vergleich zu der gesamten Einwohnerzahl von fast 1,1 Millionen Menschen.
Mehrheitlich sind die Impfungen durch die mobilen Teams, die vom ZIZ in die Landkreise entsandt werden, ausgeführt worden – bisher gut 3500. Diese, so erklärt es Falk gegenüber unserer Zeitung, würden auch immer vorrangig mit dem Impfstoff versorgt. „Die Teams melden uns ihren Bedarf. Die Menge wird von den vorrätigen Impfdosen abgezogen.
Der Rest wird dann am ZIZ in Offenburg verimpft“, erklärt der Stadtsprecher und erläutert den Ablauf bis zur Impfung durch mobile Teams.
Die Alten- und Pflegeheime im Landkreis Tuttlingen teilen der Koordinierungsstelle des Kreisimpfzentrums Tuttlingen ihre Impfbereitschaft mit, diese wird dann an die Koordinierungsstelle der Mobilen Teams am ZIZ weitergegeben und in die Routenplanung aufgenommen. Aktuell, so Falk, hätten sich acht Einrichtungen aus dem Kreis Tuttlingen für eine Impfung gemeldet. Ein Heim müsse wegen der Meldung am Dienstag noch in die Route eingearbeitet werden und sei deshalb nicht in die bis zum 20. Januar angepeilte Zahl von 355 Impfungen eingerechnet.
Bis die in der Regel vierköpfigen Impfteams – bestehend aus Arzt, Arzthelfer und Fahrer – Heime anfahren, müssen einige organisatorische Dinge vorbereitet werden. Die Zahl der Impfwilligen muss erhoben, manchmal der Hausarzt des Bewohners kontaktiert und entsprechende Räume bereitgestellt sein. „Sobald alles vorbereitet ist, kann ein Termin vereinbart werden. Dies geschieht in der Regel sehr schnell“, sagt Falk. Aus Sicht von Anton Stier müsste noch mehr für die Senioren getan werden, die nicht in Einrichtungen leben. „Der Kreisseniorenrat Tuttlingen fordert die Verantwortlichen auf, praxisnahe Lösungen anzubieten, die zielgerichtet und zeitnah informieren, damit die Impfaktion auch ein Erfolg wird. In anderen Bundesländern werden die zu Impfenden angeschrieben“, sagt er. Dies wäre eine Möglichkeit, „den älteren Menschen Impftermine bürgernah zu vermitteln“. Zudem beklagt Stier, dass die „Impfhotline für den Kreis Tuttlingen noch nicht freigeschalten ist, während die Termine für das Impfzentrum Singen bereits Ende Dezember vergeben wurden. Das ist eine Benachteiligung des Kreises, zumal die Infektionsrate im Kreis Tuttlingen überdurchschnittlich hoch ist“.
Auch die Mitarbeiterin unserer Zeitung hat sich für die Impfung der Mutter anderweitig orientiert. Ende des Monats fahren sie zusammen in die Landeshauptstadt. „Bei den wenigen Terminen, die in Tuttlingen ab dem 21. Januar frei vergeben werden, und nach den Erfahrungen der letzten Tage scheint es mir illusorisch, darauf zu vertrauen, dass sie in den ersten Wochen vor Ort dran kommt“, schreibt sie.
Mittlerweile hat sie auch den zweiten Termin für die Impfung ausmachen können. Zwar sei sie über den Umstand glücklich, eine Mahnung möchte sie dann doch loswerden. Die bald geimpften über 80-Jährigen sollten sich dann aber bitte solidarisch mit der restlichen Bevölkerung zeigen. „Im Geiste höre ich schon die nachdrücklichen Forderungen einiger, für sie die Gaststätte für den Stammtisch sofort wieder aufzumachen. Ihnen könne ja jetzt nichts mehr passieren“, meint sie.
Eine Meinung mit der sie nicht allein dasteht. „Neben dem Impfen kann jeder zur Bekämpfung der Pandemie beitragen. Das Einhalten von Abständen und der Hygieneregeln ist einfach und ein wirksames Mittel zur Eindämmung. Man hat aber den Eindruck, dass sich einige nicht an die Regeln halten. Hier sind die Ordnungsbehörden gefordert, die Regelverstöße zu ahnden“, schreibt Stier, der es für wichtig hält, das Krankenhauspersonal vorrangig zu impfen, „das täglich mit viel Engagement sich der Corona-Erkrankten annimmt, und besonders durch Ansteckung gefährdet ist.“