Chefetagen in Männerhand
Frauenanteil in Vorständen wächst weiter nur langsam
FRANKFURT - Noch immer ist der Anteil von Frauen in den Spitzengremien von Unternehmen gering. Auch im vergangenen Jahr sei die Entwicklung schleppend verlaufen, stellt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem jährlichen Managerinnen-Barometer fest. In den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland waren im Herbst des vergangenen Jahres nur 101 von 878 Vorstandsmitgliedern Frauen, heißt es in dem Bericht. Das entspricht einem Anteil von rund zwölf Prozent, nur gut ein Prozentpunkt mehr als im Jahr zuvor.
Bei den meisten Vorstandsrunden säßen noch überwiegend Männer am Tisch, meint Katharina Wrohlich, die die Forschungsgruppe „Gender Economics“am DIW leitet. So stagnierte bei den 30 größten börsennotierten Unternehmen der Frauenanteil in den Vorständen sogar. Zudem wird nach dem Abgang von Jennifer Morgan als Co-Vorstandsvorsitzende des Softwarekonzerns SAP derzeit kein einziges Dax-30-Unternehmen mehr von einer Frau geführt. Im Mai jedoch tritt mit Belen Garijo beim Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck wieder eine Frau an die Spitze.
Auch sieht das DIW einen Hoffnungsschimmer in der Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen. Die hatte das Bundeskabinett zum Beginn des Jahres beschlossen, zum Juni dürfte dieses Gesetz wahrscheinlich im Bundestag verabschiedet werden. Es sieht vor, dass im Vorstand bestimmter Unternehmen künftig mindestens eine Frau vertreten sein muss. Das gilt für Firmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind und in denen es einen Vorstand mit mindestens vier Mitgliedern gibt. Nach aktuellem Stand trifft das auf 74 Unternehmen zu. In 30 von ihnen gibt es bisher nur männliche Vorstände. Sollten die diese neue Bestimmung also erfüllen, stiege der Anteil von Frauen in diesen 74 Unternehmen im laufenden Jahr von derzeit 13 auf dann 21 Prozent. Deshalb wertet Katharina
Wrohlich die verbindliche Mindestbeteiligung als „wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“. Inzwischen haben etwa schon Adidas und Wüstenrot eine Frau in den Vorstand berufen, der Augenoptikkonzern Fielmann plant dies gerade.
Weil künftig also die Nachfrage nach qualifizierten Frauen auf dem Arbeitsmarkt steigen werde, empfiehlt die DIW-Expertin den Unternehmen vorzusorgen und Frauen entsprechend zu fördern. Anders als bei Aufsichtsrätinnen sei der Pool an möglichen Vorständinnen deutlich geringer. Denn Vorstände hätten oft langjährige Erfahrung im Management und würden meist aus der Hierarchieebene direkt unterhalb des Vorstands rekrutiert. Besonders schwer ist der Aufstieg dorthin immer noch in der Finanzindustrie – obwohl dort eigentlich viele Frauen arbeiten. Ein Grund könnte sein, dass dort stärker als in anderen Sektoren überlange Arbeitszeiten auch überproportional mit höheren Gehältern und Aufstiegsmöglichkeiten belohnt würden, sagt Katharina Wrohlich.
Wie stark sich eine verbindliche Quote auf den Frauenanteil auswirken kann, das zeigt ein Blick auf die Besetzung der Aufsichtsräte. 2015 war eine Frauenquote von 30 Prozent verbindlich vorgeschrieben worden, sie wurde 2017 schon erreicht. Im Herbst 2020 lag sie bei 36 Prozent. Dass ein höherer Frauenanteil sich auch auf die Arbeit in den Gremien positiv auswirkt, zeigt eine Studie der Freien Universität (FU) Berlin. Dazu wurden jeweils 30 Frauen und Männer mit Aufsichtsratsmandaten in 75 börsennotierten Unternehmen befragt. Die Atmosphäre sei insgesamt freundlicher gewesen, höflicher und von gegenseitiger Wertschätzung geprägt, gaben die Interviewten zu Protokoll. Außerdem wurden Diskussionen als umfassender und facettenreicher beschrieben. Dass Frauen in Aufsichtsräten besonders häufig risikoscheue, altruistische oder ethische Beiträge machten, habe man jedoch nicht festgestellt, sagte Anja Kirsch von der FU Berlin.