Schule war einst der modernste Neubau in Württemberg
Serie „Trossingens schönste Gebäude“: Die Friedensschule ist ein Bau der Neuen Sachlichkeit
TROSSINGEN (hoc) - Ihre besondere Architektur fällt nicht gleich ins Auge – gleichwohl ist die Trossinger Friedensschule ein Beispiel für die „Neue Sachlichkeit“, der Stilrichtung, die die Kunst der 1920er Jahre in der Weimarer Republik entscheidend mitprägte. Sie war eine Gegenbewegung zum verschnörkelten Stil des Historismus und setzte auf einfache, klar strukturierte Formen. So, wie sie auch an der Trossinger Schule erkennbar sind.
Als die Friedensschule am 1. November 1924 eingeweiht wurde, galt sie als modernster Schulneubau Württembergs. Das alte Schulhaus auf der Löhr war zu klein geworden, zudem störte der Fabriklärm den Unterricht, so der Experte für Trossinger Heimatgeschichte, Karl Martin Ruff. Der Trossinger Gemeinderat entschied, die alte Schule an die Firma Hohner zu verkaufen, die sich finanziell auch an dem Neubau beteiligte. Vier bekannte Architekten nahmen an einem Wettbewerb für das neue Schulgebäude teil: Es gewann der Entwurf des Stuttgarter Regierungsbaumeisters Richard Döcker, der sich als Vertreter der Neuen Sachlichkeit und Architekt der berühmten Stuttgarter WeißenhofSiedlung einen Namen gemacht hatte.
Nach seinen Plänen entstand das „Sammelschulgebäude“für verschiedene Schularten. Lediglich ein knappes Jahr dauerten die Bauarbeiten. Dem Architekten war laut Ruff wichtig, das neue Schulgebäude nicht einfach als massigen Klotz mit prunkvoller Fassade neben die kleinen Häuser an der Friedensstraße zu stellen. Deshalb wurde das Schulhaus an mehreren Stellen abgewinkelt und nicht überall gleich hoch gebaut. Von der Hausmeisterwohnung bis zur Turnhalle auf der anderen Seite steigt das Dach bis zur höchsten Stelle am Uhrturm an. Backsteine und Beton als wichtige Baumaterialien wurden bewusst sichtbar gelassen.
Die Nischen an den Eingängen sollen zum Eintreten auffordern. Inschriften an den Eingängen weisen auf die pädagogische Arbeit hin.
Eine Neuheit im Schulbau war damals ein Aufzug, der die Stockwerke der Friedensschule miteinander verband. Bei der Einweihung vor 97 Jahren war in der Trossinger Zeitung folgendes zu lesen: „Vielleicht sind die Augen, die im Stande sind, diese Bauweise begreifend zu schauen, noch nicht allen eigen. Zu sehr sind die meisten an das billig Gefällige, an das gedankenlose Äußere auch in der Architektur gewöhnt. Doch die Kinder und jungen Menschen, denen diese zweckvolle und schöne Schule gebaut wurde, werden froh in ihr arbeiten.“
Der Bezeichnung „Sammelschulgebäude“wurde die Friedensschule vor allem in den 1950er Jahren gerecht: Seinerzeit waren sechs Bildungseinrichtungen in dem großen Gebäude untergebracht – die evangelische und katholische Volksschule, die Frauenarbeitsschule, Gewerbeschule, Handelsschule sowie zuletzt die Oberschule, aus der das spätere Gymnasium hervorging. Heute ist die Friedensschule Grundschule; einen Teil der Räumlichkeiten nutzt die Volkshochschule.