Auf der Suche nach Hilfesuchenden
Tuttlinger will Obdachlose mit einem Hotelaufenthalt und Einkäufen unterstützen
TUTTLINGEN - Die Tage sind kalt, die Nächte noch kälter: Wenn es nachts teils zweistellige Minusgrade hat, leiden besonders die Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben. Der Tuttlinger Ibrahim Akdemir möchte helfen und würde sogar die Kosten für eine Unterkunft für einen Monat bezahlen.
„Mir geht es gut, andere haben nicht so viel Glück. Deshalb möchte ich helfen“, sagt Ibrahim Akdemir. Vor einiger Zeit hat der Tuttlinger in dem sozialen Netzwerk Facebook einen Aufruf gestartet. „Wenn es Menschen in der Nähe gibt, die obdachlos sind, möchte ich bei diesem kalten Wetter einen Monat Hotelgebühren zahlen“, heißt es dort.
Warum er das macht? „Weil ich für diese Menschen gerne etwas Gutes tun möchte. Mir geht es gut, ich habe ein Dach über dem Kopf, andere nicht“, sagt er. Seit dem Aufruf sei er mit fünf Bedürftigen in Kontakt. „Ich gehe für sie einkaufen und besorge Lebensmittel und Feuerholz.“Er habe sich lange mit ihnen unterhalten. Sie hätten sich selbst bereits Holzhütten gebaut und seien deshalb gar nicht so sehr an dem Angebot der Übernachtung interessiert.
Wichtiger sei bei diesem konkreten Fall eine funktionierende Toilette. „Leider sprengen die Mietkosten dafür mein Budget. Man bräuchte hier etwas Langfristiges“, sagt der Tuttlinger. Auch eine Frau aus der Region hätte sich bei ihm gemeldet. Laut Akdemir erzählte sie, dass sie sich ihre Miete momentan nicht mehr leisten könne, da sie eine schwere Zeit durchmachen würde. Der Tuttlinger hätte ihr zwar geholfen, das sei aber nicht die Zielgruppe, die er erreichen wollte.
„Ich will wirklich denen helfen, die gar nichts haben – nicht mal ein Dach über dem Kopf“, sagt er. Das einzige Problem könnte aktuell nur die Beherbergung in einem Hotel sein. Denn coronabedingt nehmen die meisten Hotels nur Gäste auf, die geschäftlich unterwegs sind. Laut der Verordnung in Baden-Württemberg seien auch Härtefälle erlaubt. Zum Beispiel, wenn eine Person durch einen Brand keine Wohnung mehr hätte. Allgemein finden einige Tuttlinger Hotels, wie beispielsweise das Légère Hotel, die Idee von Akdemir aber unterstützenswert – sollte es rechtlich möglich sein.
Auch die Stadt Tuttlingen beführwortet die Aktion. Doch: „In diesem konkreten Fall müsste man sich mit dem Ordnungsamt in Verbindung setzen“, sagt Stadtsprecher Arno Specht. Denn streng genommen sei dieser Fall von der Corona-Verordnung nicht umfasst. „An diese kuriose Situation hat einfach keiner gedacht.“Da aber das Ziel der Verordnung sei, die Pandemie einzudämmen, stehe es sicherlich in keinem Widerspruch zur Verordnung, wenn ein Wohnungsloser im Hotel ein Einzelzimmer bewohnt anstatt sich in einer Notunterkunft mit zehn anderen Dusche und Bad zu teilen – was laut Verordnung erlaubt ist.
Sollte eine Hotelübernachtung nicht funktionieren, wäre Akdemir auch dazu bereit, eine Wohnung für einen Monat zu mieten. „Ich habe selbst ein Zimmer, das ich zur Verfügung stellen könnte. Außerdem bin ich in Kontakt mit einer Person, die ein Zimmer vermieten würde“.“
Mit seinem Aufruf hat der Tuttlinger viel positive, aber auch viel negative Kritik erfahren. „Warum alles so öffentlich machen? [...] helft Leuten so gut ihr könnt, aber messt euch nicht hier, wer besser ist“, heißt es in einem Kommentar. Akdemir versteht die Kritik nicht. „Ich möchte einfach nur helfen. Mir fehlen aber noch die richtigen Kontakte zu den Wohnungslosen. Deshalb habe ich den Aufruf gestartet“, sagt er. Er wolle mit gutem Beispiel vorangehen und hofft nun, dass sich andere daran ein Beispiel nehmen.
Mittlerweile hat der Tuttlinger seinen Aufruf in Facebook aufgrund der negativen Kommentare wieder gelöscht. Das heißt aber nicht, dass er sein Vorhaben nicht in die Tat umsetzen will. Akdemir: „Ich versuche trotz der Kritik, mich nicht unterkriegen zu lassen.“
Wer jemanden kennt, der wohnungslos ist und das Angebot annehmen würde, kann sich an unsere Zeitung wenden:
l.klebaum@schwaebische.de