Stimmen aus der Praxis
Es gibt starke regionale Unterschiede bei der Lehrerversorgung. Der Mangel ist mancherorts riesig. Da muss man sich politisch etwas einfallen lassen, dass nicht nur mehr Lehrer ausgebildet und eingestellt werden, sondern dass sie auch regional ausgeglichen an den Schulen ankommen. Schon in meiner Ausbildung waren unter 100 Referendaren nur fünf Männer. Gerade in Grundschulen, aber auch in Kitas, braucht es mehr Männer. Das ist wichtig für die Entwicklung der Kinder. Es müssen mehr Initiativen ergriffen werden, um die Attraktivität des Berufs zu steigern – etwa über die Besoldung. Und es ist wichtig, den Klassenteiler zu senken. Ich habe eine Klasse mit 27 Schülern. Es ist ein Unterschied, ob ich vor 27 Schülern stehe oder vor 18. Gerade für benachteiligte Kinder ist es wichtig, dass ich Zeit für sie habe. Und es wäre schön, wenn die versprochenen Dienstlaptops für Lehrer endlich ankämen.
Bernd Scharfenort, Schulleiter, Durlesbach-Grundschule, Reute
Die Bildungspolitik gerät zwischen zwei Fronten. Die einen sagen, alle sollen die Chance auf einen gleichwertigen Bildungsabschluss haben, Unterschiede müsse man an der Schule ausgleichen. Die anderen sagen, es lernt sich am besten in ähnlichen Gruppen, deshalb müssten die Kinder getrennt werden. Die Einführung der Gemeinschaftsschulen hat viel verändert und Unruhe ins System gebracht. Und: Man will möglichst viel machen, es soll aber möglichst nichts kosten. Viele der Probleme haben damit zu tun, dass wir zu wenige Lehrer haben. Aktuell kocht wieder die Debatte um G9 hoch – in Ellwangen gibt es kein neunjähriges Gymnasium. G8 hat aber generell nicht gehalten, was es versprochen hat. Die junge Leute machen zum Teil mit 17 Abitur, danach geht kaum einer direkt ins Studium oder in eine Ausbildung. Die Zeitersparnis, die die Wirtschaft gerne wollte, kommt in der Praxis meistens nicht an.
Dr. Kathrin Plänker, Gesamtelternbeiratsvorsitzende Ellwangen
Das Abschaffen von G9 war ein großer Fehler. Der Lernstoff ist für uns sehr komprimiert und lernmethodisch nicht optimal. Unser Fokus liegt fast nur noch auf der Schule an sich. Soziales Leben, Sport oder Musik kommen zu kurz. Und es werden im achtjährigen Gymnasium Schüler abgehängt, die sonst vielleicht mitgekommen wären. Ich gehöre zu einer der ersten Generationen, in denen die verbindliche Grundschulempfehlung weggefallen war. Die Leistungsunterschiede in meiner Klasse waren schon sehr groß. Manche Schüler waren schon ziemlich weit, andere nicht. Viele haben im Laufe der Zeit die Schule verlassen, fast 50 Leute sind im Laufe der acht Jahre gegangen. Noch dazu waren vor allem in den niedrigeren Stufen die Klassen recht groß. Wir Schüler würden im Unterricht auch gerne mehr lebensnahe, praktische Dinge lernen – zum Beispiel wie man eine Steuererklärung macht.
Michelle Fallert, Abiturientin, Otto-Hahn-Gymnasium, Tuttlingen