Der Vergänglichkeit mit Neugierde begegnen
Das Gewerbemuseum bereitet die Ausstellung „Memento mori“vor und plant einen Film
SPAICHINGEN - Die Corona-Pandemie lehrt uns vieles, darunter auch, flexibel zu bleiben. So hatte das Gewerbemuseum eigentlich geplant und gehofft, Anfang Februar die Ausstellung „Memento mori“(in etwa: „Sei dir der Endlichkeit bewusst“) zu eröffnen. Das ist nun, wenn überhaupt, erst am 15. Februar möglich. Deshalb haben sich Kuratorin Angelika Karoly und die Leiterin des Gewerbemuseums, Angelika Feldes, Gedanken gemacht, wie Ausstellung und Publikum trotzdem zusammenkommen: Sie lassen einen Film anfertigen.
„Memento mori – unendlich schön“, so der volle Titel, ist eine Ausstellung vom Bund der Kunsthandwerker (BdK) in Kooperation mit der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Es geht darum, sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen. Kuratorin Angelika Karoly ist Mitglied im Vorstand des BdK, hat eine Keramikwerkstatt in Rottweil und wohnt in Spaichingen. Sie hat die Ausstellung in die Stadt geholt.
Im vergangenen Jahr waren die Objekte bereits im Schloss Favorite in Ludwigsburg zu sehen. Daher stammen auch Name und Konzept der Ausstellung. 22 Künstlerinnen und Künstler aus Baden-Württemberg stellten ihre Arbeiten ganz gezielt nach diesem Motto her. In Spaichingen präsentieren nun 20 von ihnen ihre Werke nochmal.
Fast alle Exponate sind inzwischen vor Ort. Angelika Karoly und Angelika Feldes sind gerade dabei, die Objekte zu positionieren und immer wieder umzustellen, weil sie anderswo noch besser wirken könnten. Beide haben sich überlegt, wie sie auf die Verlängerung der Corona-Beschränkungen reagieren sollen.
Denn die Ausstellung läuft nur bis Ende Feburar, das Museum hat eigentlich nur sonntags (14 bis 17 Uhr) geöffnet, blieben also zwei Tage, an denen ein Besuch möglich wäre.
Damit die Ausstellung nicht unbeachtet verhallt, haben die beiden einen Filmemacher engagiert. „Er will versuchen, nicht nur alle Stücke einzeln festzuhalten, sondern einen künstlerischen Aspekt mit einzubringen“, sagt Karoly. Der fertige Film soll dann, voraussichtlich ab 1. Februar, über die Homepage des Museums und möglicherweise über die Seiten des BdK und der Stadt abgerufen werden können. „Es tut den Leuten ganz bitterlichst weh, dass die Kultur so zurückgefahren ist“, teilt Karoly ihren Eindruck. Der Film soll dem entgegenwirken und ist gleichzeitig „nachhaltig“, wie Feldes sagt. Denn er bleibt, auch wenn die Ausstellung längst vorbei ist.
Trotzdem finden beide, dass ein virtueller Rundgang den richtigen Besuch nicht ersetzt. „Bei einem Besuch ist das unmittelbare sinnliche Erleben ein ganz anderes“, meint Feldes. „Eine Ausstellung ist eigentlich ein Gesamtwerk, bei dem die Stücke auch aufeinander wirken.“Sie will versuchen – wenn erlaubt – in den letzten beiden Februarwochen Besuche nach Voranmeldung auch unter der Woche und nicht nur sonntags zu ermöglichen. „Da müssen wir aber noch schauen, wie wir das organisieren“, sagt sie.
Während der Vorbereitungen steht Angelika Karoly vor ihrem eigenen Kunstwerk und überlegt, wie sie es am besten befestigen soll. Eine Plexiglasscheibe zeigt das Bild eines Reliefs aus Keramik, das sie selbst gemacht hat. Feine Linien und Strukturen sind darauf zu erkennen, das obere Ende der schlanken Figur mündet in zwei Gesichter. „Die Strukturen sollen zeigen, was von uns bleibt“beschreibt Karoly, „im Sinne einer Erinnerung.“Karoly erklärt, dass es ihr wichtig sei, Altes und Vergangenes mit Visionärem zu verbinden und dabei klar zu machen: „Jeder Mensch webt am Teppich der Menschheit mit.“
Die Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit gehört wohl schon seit Jahrtausenden zum Menschsein dazu. Der Ausspruch „Memento mori“reicht zurück ins Mittelalter. Die cluniazensischen Mönche rückten die Vanitas, die Vergänglichkeit, ins Zentrum ihres Denkens. Auch aus der Antike ist überliefert, dass bei Triumphzügen ein Sklave hinter dem siegreichen Feldherrn herging und ihm immer wieder zuflüsterte „Memento moriendum esse“(„Bedenke, dass du sterben musst“). Doch die Ausstellung im Gewerbemuseum mahnt nicht, macht nicht schwermütig, sondern zeigt , welche Vielfalt in diesem Thema steckt. Es wirkt so, als seien ihm die Künstlerinnen und Künstler mit großer Offenheit, Experimentierfreudigkeit und Neugierde begegnet.
So hat beispielsweise Iris Merkle Schmetterlingsflügel gesammelt und in Silber gegossen. Dabei sind die Flügel verbrannt, die filigranen Formen aber geblieben. Auch hier also Spuren, die fortbestehen. Dass auch im eigentlich noch prallen Leben die Ahnung des Todes stecken kann, machen die Blütendolden aus weißem Ton von Christiane Steiner deutlich. Nicole Walger wiederum hat aus Erde und Gelatine Schalen geformt, die zerfallen, wenn sie mit Wasser in Berührung kommen und so, wie sie schreibt, „wieder in den unendlichen Lebenskreislauf zurückkehren.“
Voraussichtlich ab 1. Februar ist der Film auf der Homepage des Gewerbemuseums abbrufbar www.spaichingen-gewerbemuseum.de