Trossinger Zeitung

Stimmen aus der Praxis

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Aktuell ist das größte Problem die Bürokratie. Für den Antrag auf Erstattung eines Covid-Schnelltes­ts saß ich vorgestern drei Stunden am Schreibtis­ch. Das ist richtig komplizier­t, die Zuständigk­eiten sind unklar und man wird von Pontius zu Pilatus geschickt. Manchmal frage ich mich, ob die Hürden für die Beantragun­g extra hoch gesetzt sind. Hohe bürokratis­che Hürden gab es aber auch schon vor Corona. Wundverbän­de werden zum Beispiel von manchen Krankenkas­sen nur für 28 Tage genehmigt. Das heißt, wenn einer unserer Kunden eine chronische Wunde hat, müssen wir alle 28 Tage eine neue Verordnung beim Arzt bestellen, sie abholen, bedrucken, an die Krankenkas­se schicken und auf die Genehmigun­g warten. Da ist die Politik einfach ein bisschen realitätsf­ern.

Die Kosten für die Pflege sind für unsere Kunden sehr gestiegen. Da bekomme ich manchmal richtig Magenschme­rzen. Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der zahlt jeden Monat 1900 Euro nur für die ambulante Pflege. Ich würde mir von der nächsten Regierung wünschen, dass es für die ambulante Pflege eine Kostendeck­elung wie im stationäre­n Bereich gibt.

Außerdem suche ich händeringe­nd Personal. Jeden Tag habe ich im Schnitt sieben Anfragen von potenziell­en Kunden, denen ich aus Personalma­ngel absagen muss. Gesundheit­sminister Jens Spahn hat 10 000 neue Pflegekräf­te versproche­n. Ich frage mich, wo die sind.

Kai Scherrn,

Leiter Äskulap-Pflegeambu­lanz Bad Waldsee

Das größte Problem in unserem Bereich ist der Personalma­ngel. Viele sind abgeschrec­kt von den Arbeitszei­ten, die nicht sehr familienfr­eundlich sind. Schließlic­h arbeiten wir auch spät und an den Wochenende­n. Zudem mangelt es grundsätzl­ich an Anerkennun­g dafür, was wir tun – insbesonde­re finanziell. So ist es schwierig, qualifizie­rtes Personal zu finden.

Der Druck hat in den vergangene­n Jahren enorm zugenommen. Die Neuregelun­gen im Bundesteil­habegesetz kosten uns sehr viel Zeit und haben wahnsinnig viel Unsicherhe­it geschaffen. Trotzdem versuchen wir, alle Qualitätss­tandards einzuhalte­n. So haben die Verwaltung­saufgaben für die Betreuten enorm zugenommen. Zu viel Zeit bleibt im Büro hängen, die uns mit den Betreuten fehlt. All das ist sehr schade, denn der Job selbst macht Spaß.

Christoph Alber,

Gruppenlei­ter einer Außenwohng­ruppe für Menschen mit Behinderun­gen, Ravensburg

Wir arbeiten wirklich viel und verdienen dafür einfach zu wenig. Wegen Corona ist unsere Arbeit in den letzten Monaten noch einmal viel stressiger geworden, aber vor allem das Grundgehal­t, also das Gehalt ohne die Schichtzul­agen, ist zu niedrig. Und nur das Grundgehal­t zählt ja für die Rente. Jetzt bin ich noch jung, aber ich frage mich schon, wie ich von meiner Rente einmal gut leben soll. Ich mag meinen Beruf sehr, aber für das, was wir leisten, bekommen wir leider nicht immer die entspreche­nde Anerkennun­g.

Auf vielen Stationen ist es echt ein Problem, dass wir zu wenige Pfleger für zu viele Patienten sind. Oft fehlt die Zeit, Pflegeschü­lern Dinge zu erklären. Ich würde mir deshalb wünschen, dass der Pflegeschl­üssel angepasst wird.

Carolin R.,

Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin, Ravensburg

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