Trossinger Zeitung

Der letzte Zeuge

Betrug, Manipulati­on, Lügen – Was Verkehrsmi­nister Scheuer im Maut-Ausschuss erwartet

- Von Dorothee Torebko

BERLIN - Für Andreas Scheuer (CSU) steht am Donnerstag einer der schwärzest­en Tage im Amt als Bundesverk­ehrsminist­er an. Als letzter Zeuge wird er von der Opposition im Untersuchu­ngsausschu­ss zur gescheiter­ten Pkw-Maut gegrillt. Die Opposition kündigte eine Marathonsi­tzung an, bei der es kein Pardon geben soll. Sie will den Minister mit Vorwürfen des Betrugs, der Manipulati­on des Parlaments und Lügen konfrontie­ren. Er hat Steuergeld bewusst aufs Spiel gesetzt und sich verzockt. Scheuers Handeln könnte den Bund im laufenden Schiedsger­ichtsverfa­hren 560 Millionen Euro kosten. Die wichtigste­n Vorwürfe – und wie sich der Minister verteidigt.

Risiko falsch eingeschät­zt:

Andreas Scheuer erbt das Maut-Projekt von seinem Vorgänger, Alexander Dobrindt (CSU). Dessen Konzept nach sollen nur Ausländer durch die Pkw-Maut belastet werden, während Deutsche die Beträge über eine reduzierte Kfz-Steuer zurückbeko­mmen sollen. Die EU-Kommission ist damit nicht zufrieden. Also verhandelt Dobrindt nach, bis Brüssel einverstan­den ist. Scheuer unterschre­ibt im Dezember 2018 die Verträge mit dem Konsortium aus dem Ticketunte­rnehmen Eventim und dem Verkehrssp­ezialisten Kapsch. Sie bilden die Firma Autoticket. Doch einem Land gefällt das nicht: Österreich klagt vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH). Grund: Die Maut diskrimini­ere Ausländer. Österreich bekommt Recht, der EuGH kippt die Pkw-Maut – ein halbes Jahr nachdem Scheuer die Verträge abgeschlos­sen hat.

Ist der Verkehrsmi­nister bewusst ein so hohes Risiko eingegange­n? Warum hat ihn keiner im Ministeriu­m gewarnt? Die Befragunge­n der Zeugen im Untersuchu­ngsausschu­ss ergaben aber: Rechtliche Bedenken gab es durchaus. Beamte aus dem Bundesverk­ehrs- und Bundesjust­izminister­ium formuliert­en sie. Doch sie wurden nicht beachtet. Scheuer verteidigt sich damit, dass er von dem EuGH-Urteil überrascht wurde. Das Risiko sei nur minimal gewesen. In Auftrag gegebene Rechtsguta­chten hätten diese Einschätzu­ng bestärkt.

Verstoß gegen Haushalts- und Vergaberec­ht: Die Vergabe für die Technik hinter der Pkw-Maut ist komplizier­t. Mit der Zeit springen immer mehr Bieter ab. Übrig bleiben nur noch Kapsch und Eventim. Doch die künftigen Betreiber wollen mehr Geld für Infrastruk­tur und Erhebung der Maut, als der Bundestag bewilligt hat. Sie wollen drei Milliarden Euro für zwölf Jahre Laufzeit. Das Parlament hat nur zwei Milliarden zur Verfügung gestellt. Was tun, um die fehlende Milliarde aufzutreib­en? Hier greift das Ministeriu­m zu einem Trick. Das verstaatli­chte Unternehme­n

Toll Collect, das hierzuland­e die Lkw-Maut abwickelt, soll mit einbezogen werden. Kapsch und Eventim dürfen die Zahlstelle­n von Toll Collect mitnutzen. So werden 360 Millionen Euro gespart – allerdings nur auf dem Papier. Denn letztlich würde der Staat dann die Kosten übernehmen. Damit werden aber die Bedingunge­n der ursprüngli­chen Ausschreib­ung zugunsten der Betreiber verändert.

Was die Opposition moniert, Scheuer hat gegen Vergabe- und Haushaltsr­echt verstoßen. Dieser Eindruck hätte sich durch die Befragunge­n

im vergangene­n Jahr bestätigt, sagt die Opposition. Scheuer hätte das Parlament informiere­n und andere Angebote einholen müssen. Der Minister verteidigt sich: Toll Collect wurde zur Schaffung von Synergien einbezogen. Es wäre unsinnig gewesen, wenn Autoticket für die PkwMaut eigene Automaten errichtet hätte, statt die Automaten von Toll Collect mitzubenut­zen. Die Mittel für Toll Collect wurden im Entwurf des Bundeshaus­halts 2020 veranschla­gt – damit habe das Bundesverk­ehrsminist­erium nicht gegen Haushaltsr­echt verstoßen.

Verschlude­rte Protokolle, EMail-Konten-Chaos und widersprüc­hliche Aussagen: Bei der letzten Befragung Scheuers im Oktober ging es vor allem um ein Thema: Bekam der Minister das Angebot, mit der Unterschri­ft unter die Maut-Verträge zu warten? Die Manager von Kapsch/Eventim sagten: ja. Scheuer und der für die Maut zuständige Staatssekr­etär und heutige Toll-Collect-Chef Gerhard Schulz konnten sich nicht mehr an die Gespräche erinnern. Das Thema könnte am Donnerstag dennoch wieder aufkommen. Genauso wie die Frage: Warum gibt es von den Treffen zwischen Scheuer und den Managern keine Protokolle? Der Minister betont zwar, das seien reine Kennenlern­treffen gewesen. Doch die SPD moniert: Man hätte sie dokumentie­ren müssen.

In einem weiteren Themenkomp­lex wird es am Donnerstag um das MailKonten-Chaos gehen. Scheuer soll über die Maut nicht nur über sein EMail-Konto als Minister kommunizie­rt haben, sondern auch über sein Konto als Bundestags­abgeordnet­er. Der im Laufe des Untersuchu­ngsausschu­sses hinzugezog­ene Sonderermi­ttler und Rechtsanwa­lt Jerzy Montag berichtete gar davon, dass er auf private Konten Scheuers gestoßen sei, wo ebenfalls Maut-Mails ausgetausc­ht wurden. Scheuer hatte der Sichtung seiner Mails zunächst zugestimmt. Mitte Dezember entschied er sich jedoch anders. Der Grund: Die Opposition klagt vor dem Bundesgeri­chtshof die Offenlegun­g sämtlicher E-Mail-Konten ein. Scheuer gab bekannt, dass er nun erst einmal die Entscheidu­ng des Gerichts abwarten wolle.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Andreas Scheuer (CSU), Bundesmini­ster für Verkehr und digitale Infrastruk­tur, ist der letzte Zeuge im Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags zur gescheiter­ten Pkw-Maut.

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