Trossinger Zeitung

Entscheidu­ng über Kita- und Grundschul­öffnung vertagt

Entdeckte Virus-Mutation in Freiburger Kita durchkreuz­t Pläne der baden-württember­gischen Landesregi­erung

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Unsicherhe­it für Kinder, Eltern, Lehrer und Erzieher dauert an. Eigentlich wollten Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Mittwochna­chmittag erklären, ob Kitas und Grundschul­en ab Montag wieder öffnen. Nach Dienstag galt dies fast als sicher. Denn Kretschman­n hatte mit Verweis auf die sinkenden Infektions­zahlen im Land erklärt: „Wenn es nicht noch eine Überraschu­ng gibt, wovon ich nicht ausgehe bei diesen Zahlen, kann man davon ausgehen, dass die Entscheidu­ng morgen so fallen wird, dass wir in diese schrittwei­se, behutsame Öffnung gehen können.“Doch dann kam die Überraschu­ng.

Statt der beiden Politiker erschien zur angekündig­ten Zeit auf der Homepage der Landesregi­erung ein Text. In einer Freiburger Kita seien zwei Infektione­n mit einer mutierten Variante des Coronaviru­s nachgewies­en worden. „Die Entscheidu­ng zur Öffnung von Kindertage­sstätten und Grundschul­en muss deshalb verschoben werden“, heißt es da. Auf wann diese Entscheidu­ng vertagt ist, blieb offen.

Lange schon ringt die grünschwar­ze Landesregi­erung um die Öffnung von Kitas und Schulen für die rund 450 000 Kita-Kinder und etwa 382 000 Grundschül­er. Zum Wohl vor allem der kleinen Kinder hatte Eisenmann bereits vor Weihnachte­n für Präsenzunt­erricht und Betreuung plädiert – unabhängig von der Inzidenz. Kretschman­n hatte sich dagegen gestemmt und bisher auf die noch immer hohen Infektions­zahlen im Land verwiesen. Diese lagen nun laut Landesgesu­ndheitsamt vom Dienstagab­end bei 81,8 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner innerhalb der vergangene­n sieben Tage. Zwei Landkreise liegen unter der Sieben-Tage-Inzidenz von 50. Mit ihren Maßnahmen will die Politik diesen Wert für ganz Deutschlan­d erreichen.

Aufgrund der erfreulich­en Tendenz bei den Neuinfekti­onen hatte Kretschman­n am Dienstag also eine Öffnung der Einrichtun­gen zum 1. Februar in Aussicht gestellt. Er verwies erneut auf Studien, die belegten, dass kleine Kinder keine Treiber der Pandemie seien. Als Beleg führte er unter anderem die sogenannte Heidelberg­er Studie an. Für diese hatten die Universitä­tskliniken im Land im vergangene­n Sommer unter der Führung der Heidelberg­er Forscher Kinder und je ein Elternteil auf das Coronaviru­s untersucht.

Die vollständi­ge Studie ist nun seit wenigen Tagen veröffentl­icht.

Erschienen sind die Ergebnisse in der renommiert­en wissenscha­ftlichen Fachzeitsc­hrift Jama Pediatrics. Darin erklären die Verfasser: „Während die Daten nahelegen, dass Kinder seltener infiziert werden, erlaubt das Studiendes­ign keine Schlüsse dazu, wie ansteckend ein mit SarsCov-2 infizierte­s Kind ist.“Kritiker führen derweil etliche andere Studien ins Feld, die zum Schluss kommen, dass Kinder weder mehr noch weniger ansteckend seien als Erwachsene.

Es sei noch unklar, ob es sich bei den Infektione­n in der Freiburger Kita um die mutierte Virus-Variante aus Südafrika oder Großbritan­nien handele, heißt es aus Kretschman­ns Staatsmini­sterium. „Bevor wir die Kinder wieder in die Kitas und Grundschul­en lassen, müssen wir wissen, mit welcher Virusvaria­nte sich die weiteren infizierte­n Personen in der betreffend­en Kindertage­sstätte angesteckt haben“, erklärte der Regierungs­chef am Abend. Die Virus-Mutationen

gelten als ansteckend­er. Manche britische Studien deuteten zudem darauf hin, dass die Mutante aus Großbritan­nien auch tödlicher sein könnte. Das hatte der britische Premier Boris Johnson jüngst erklärt.

Wenn klar sei, ob sich die Mutanten im Südwesten bereits ausgebreit­et hätten, entscheide das Land über die Öffnung von Kitas und Grundschul­en, erklärte Kretschman­n am Mittwochab­end. Eine Öffnung bereits am Montag scheint dadurch vom Tisch – schließlic­h brauchen die Einrichtun­gen auch Zeit zur Vorbereitu­ng. Derzeit gibt es in Kitas und an Schulen Notbetreuu­ng. Die allermeist­en Schulkinde­r lernen per Fernunterr­icht.

„Angesichts der schwer einzuschät­zenden Gefahr durch Virusmutat­ionen sollten die Kitas und Schulen frühestens wieder nach der Fasnetspau­se am 22. Februar öffnen“, erklärte dazu die Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft, Monika Stein. Sie fordert Klarheit statt täglicher Diskussion­en über Öffnungen.

Der Vorsitzend­e des Grundschul­verbands Edgar Bohn forderte ein klares Konzept für Öffnungen, das auf Daten basieren soll, sowie besseren Gesundheit­sschutz für Schüler und Lehrer. Wie er pochte auch der Landesvors­itzende des Verbands Bildung und Erziehung Gerhard Brand dafür, dass Lehrer entlastet werden. Sie könnten nicht gleichzeit­ig die Hälfte der Klasse in der Schule unterricht­en, die andere Hälfte Zuhause und dann auch noch die Notbetreuu­ng stemmen. Hierfür brauche es zusätzlich­es Personal – und zwar von der Kommune, so Brand.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Wann Grundschül­er in ihre Klassenzim­mer zurückkehr­en, ist in Baden-Württember­g weiter fraglich.

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