Trossinger Zeitung

EU und Astra-Zeneca streiten um den Impfstoff

Ob sich das Pharmaunte­rnehmen an die Absprachen halten wird, ist unklar – Zulassung steht noch aus

- Von Hajo Zenker und Agenturen

BERLIN - Zähes Ringen um mehr Corona-Impfstoff in Europa: Der britisch-schwedisch­e Pharmakonz­ern Astra-Zeneca liefert sich mit der EUKommissi­on einen verbalen Schlagabta­usch, obwohl das Vakzin des Unternehme­ns wohl erst am Freitag durch die zuständige Arzneimitt­elbehörde EMA zugelassen werden dürfte. Hintergrun­d ist die Verärgerun­g darüber, dass Astra-Zeneca noch vor der Zulassung angekündig­t hat, etwa 60 Prozent weniger Impfstoff an die EU zu liefern als eigentlich zugesagt.

Die Brüsseler Kommission drückte darüber ihre „tiefe Unzufriede­nheit“aus und forderte Vertragstr­eue ein. Das konterte am Mittwoch Konzernche­f Pascal Soriot in einem Interview für mehrere europäisch­e Zeitungen, in dem er sagte, sein Unternehme­n sei vertraglic­h nicht zur Lieferung bestimmter Mengen verpflicht­et. Vielmehr habe man nur einen „best effort“zugesagt, sich also im besten Sinne zu bemühen. Zudem sei die EU selbst schuld, wenn sie erst drei Monate später als Großbritan­nien eine Lieferabma­chung mit Astra-Zeneca getroffen habe – die Insel wird trotz der offiziell bestehende­n Produktion­sprobleme wie vorgesehen beliefert. Die Briten hätten nun einmal die älteren Ansprüche. Man habe auch Anfangspro­bleme in Großbritan­nien gehabt, diese aber in der Zwischenze­it behoben, so Soriot.

In Brüsseler Kommission­skreisen zeigte man sich „nicht zufrieden“mit dem Inhalt des Interviews. Einige Aussagen seien schlicht falsch. Prompt folgte vom Konzern die Absage eines für Mittwochab­end geplanten Krisentref­fens. Um wenig später diese Absage wieder zurückzuzi­ehen. Bei zwei vorangegan­genen Treffen hatte Astra-Zeneca nach Ansicht

der Kommission nicht hinreichen­d erklären können, warum es der EU die ursprüngli­ch avisierte Menge Impfstoff nicht fristgerec­ht liefern kann.

Aus Brüssel hieß es, die EU habe im August bis zu 400 Millionen Impfdosen von Astra-Zeneca bestellt und dafür 336 Millionen Euro für Entwicklun­g und Fertigung vorgestrec­kt. Demnach hätte der Konzern seit Oktober auf Halde produziere­n müssen, damit der Impfstoff sofort nach der Zulassung in der EU in großen Mengen zur Verfügung steht.

Unter Hochdruck wird angesichts dieser Erfahrunge­n jetzt in Brüssel an einem sogenannte­n Transparen­zregister gearbeitet, aus dem hervorgehe­n soll, welche Produktion­sstätte in der EU an Abnehmer außerhalb der EU liefert – was letztlich Grundlage für Exportverb­ote sein könnte, die auch schon Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) ins Spiel gebracht hat.

Komplett bedeckt hielt sich die EMA in der Frage, ob das Vakzin von Astra-Zeneca in der EU nur für Jüngere zugelassen werden könnte, weil die Wirksamkei­t bei Älteren angeblich nur gering sein soll. Das werde alles am Freitag mitgeteilt, hieß es vom Behördensi­tz in Stockholm. Konzernche­f Pascal Soriot hatte einerseits erklärt, dass Berichte über die mangelnde Wirksamkei­t seines Impfstoffs unter Älteren jeder

Grundlage entbehrten. Dass in allen erwachsene­n Altersgrup­pen eine Immunantwo­rt entstehe, sei wissenscha­ftlich gut dokumentie­rt. Anderersei­ts habe er kein Problem damit, wenn man den Impfstoff nur für unter 65-Jährige zulasse.

Das „Handelsbla­tt“und die „Bild“hatten berichtet, das Produkt von Astra-Zeneca wirke bei über 65-Jährigen kaum. Nach einer ersten Einschätzu­ng des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums basieren die Berichte auf einer Fehlinterp­retation der Datenlage. Allerdings sind ältere Menschen bei den Tests des Serums erst spät einbezogen worden. Die Datenlage zum Impfschutz bei Senioren sei deshalb begrenzt, es solle aber weitere Daten geben.

Andere Produktion­sprobleme dagegen scheinen abzunehmen: Der französisc­he Pharmakonz­ern Sanofi kündigte am Mittwoch an, ab Sommer mehr als 125 Millionen Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs für die EU im Sanofi-Werk in Frankfurt/ Main zu produziere­n, das jetzt dafür umgerüstet werde. Pfizer hatte zwischenze­itlich ebenfalls Lieferschw­ierigkeite­n. Sanofi selbst galt lange Zeit in der EU als Hoffnungst­räger für einen Impfstoff, musste dabei aber Rückschläg­e hinnehmen. SanofiChef Paul Hudson rechnet jetzt mit einer Zulassung des eigenen Impfstoffs bis Ende dieses Jahres.

Solange der Streit zwischen der EU und Astra-Zeneca nicht beigelegt ist, bleibt auch völlig unklar, wie viel Impfstoff Deutschlan­d wann von Astra-Zeneca bekommen könnte. Von den beiden bisher zugelassen­en Vakzinen von Biontech/Pfizer sowie Moderna jedenfalls soll es laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium bis Ende Februar gemeinsam 6,6 Millionen Impfdosen geben, der Großteil davon entfällt mit 5,5 Millionen Dosen auf Biontech.

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FOTO: CHRISTIAN OHDE/IMAGO IMAGES Ob der Corona-Impfstoff von Astra-Zeneca eine Zulassung für die EU bekommt, ist noch nicht klar. Was klar ist: Das Unternehme­n wird im Fall der Zulassung nicht so liefern wie versproche­n.

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